Paper Launch Event zur politischen Teilhabe von Jugendlichen in “sozialen Brennpunkten”

Am Montag, 07. Mai 2018 stellte unser Policy Fellow Jérémie Gagné seinen Policy Brief zur politischen Teilhabe von Jugendlichen aus sozial benachteiligten Milieus vor.

Dr. Antonio Piscopo von Teach First Deutschland und Prof. Dr. Rita Nikolai von der Humboldt-Universität zu Berlin kommentierten die neuen Erkenntnisse aus dem Policy Brief zur politischen Teilhabe von Jugendlichen aus sozial benachteiligten Milieus. Moderiert wurde die Veranstaltung von Sophie Pornschlegel, Projektmanagerin im Democracy Lab.

Ausgangspunkt dieses Projekts war die Feststellung, dass die Demokratie in Deutschland sich in einer sozialen Schieflage befindet. Der Rückzug und die Verdrängung einkommensschwacher Gruppen aus der politischen Gemeinschaft fördert zunehmend einen Teufelskreis aus ungleicher Beteiligung und mangelhafter Interessenvertretung. Besonders die politikferne Sozialisierung Jugendlicher aus sozial benachteiligten Milieus bringt diese um ihre Teilhabechancen.

Jérémie Gagné, Policy Fellow des Progressiven Zentrums, hat aus diesem Grund mit SchülerInnen an Berliner Schulen in “sozialen Brennpunkten” über Politik gesprochen und Fellows der Organisation “Teach First Deutschland” interviewt zu ihren Erfahrungen mit den SchülerInnen.

Als erstes “Learning” wurde klar, dass die SchülerInnen gesamtgesellschaftliche Herausforderungen gut benennen und analysieren konnten, sowohl auf einer praktischen Ebene, wie beispielsweise Drogenhandel und Kriminalität in ihrem Umfeld, als auch auf einer abstrakten Ebene, wie beispielsweise Migration und soziale Ungerechtigkeit. Ebenso nahmen die Jugendlichen ein ausgeprägtes politisches Desinteresse in ihrem Umfeld als Problem wahr. Das Desinteresse und die Verweigerung politischer Diskussionen in ihrem Umfeld würde es den interessierten Jugendlichen erschweren, sich mit Politik zu beschäftigen. Gleichzeitig empfanden die Jugendlichen eine fehlende Aufmerksamkeit für ihr Umfeld von politischer Seite. Umso positiver wurden so Besuche von PolitikerInnen oder Infostände vor Ort wahrgenommen. Trotz dessen wurde während der Gespräche klar, dass für alle SchülerInnen eine demokratische politische Gestaltung für die Gegenwart und Zukunft Deutschlands alternativlos sei.

Welche Handlungsempfehlungen an die Politik?

Basierend auf diesen Erkenntnissen hat Jérémie Gagné Handlungsempfehlungen an die Politik verfasst, um die Rechte auf politische Teilhabe der Jugendlichen zu fördern.

Dabei setzt er bei der Struktur und dem Verhalten von politisch-gesellschaftlichen Akteuren an, die neben der (politischen) Bildung und Förderung von Selbstwirksamkeit ein zweiter wichtiger Hebel sind, damit sich junge Menschen aus sozial prekären Lebenswelten langfristig mehr beteiligen. Ein erster Schritt ist die Jugendlichen ernst zu nehmen, wobei dies nicht nur wegen der demokratischen Notwendigkeit alle Teile des Volkes zu repräsentieren geboten ist, sondern die Jugendlichen auch wichtigen Input im politischen Diskurs geben können.

Darüber hinaus sollten politische Organisationen, etwa Jugendorganisationen von Parteien, den Selection Bias vermeiden, der de facto Zugangsbeschränkungen für Personen aus anderen sozialen Milieus denn des homogenen Mitgliederkerns bedeutet.

Die Berichte der SchülerInnen führen auch zu dem Schluss, dass Präsenz vor Ort durch politische und zivilgesellschaftliche Organisationen elementar ist, wobei auch Rollenvorbilder wie etwa YoutuberInnen, die für Politik sensibilisieren, wichtige AkteurInnen sein können.

Persönliche Vertrauensverhältnisse zwischen politischer Ebene und Jugendlichen sind ein weiterer wichtiger Punkt. In Stadtvierteln, in denen ein Großteil der Bevölkerung politischer Beteiligung indifferent gegenübersteht, kann es zudem hilfreich sein, MultiplikatorInnen zu gewinnen, die dann direkt in ihrem Umfeld eine “Verstärkerrolle” übernehmen.

Wie ermöglicht man politische Teilhabe für Jugendliche aus sozial benachteiligten Milieus?

Die Diskussionsrunde wurde daraufhin durch Beiträge von Dr. Antonio Piscopo von der Organisation Teach First und Prof. Dr. Rita Nikolai, Heisenberg-Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) am Institut für Erziehungswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, eingeleitet. Während ersterer vor allem auf die relative Neuheit des Feld der politischen Teilhabe und Befähigung von Jugendlichen aus sozial benachteiligten Milieus hinwies, betonte Prof. Dr. Nikolai die zunehmende soziale Segregation, etwa durch private Grundschulen, und warb für eine Förderung der politischen Befähigung bereits im Kindesalter.

Die TeilnehmerInnen, die in den Bereichen der Politischen Bildung, Stiftungen, Parteien und Jugendorganisationen sowie Ministerien arbeiten, diskutierten anschließend über die Rolle der Studie für ihre tagtägliche Arbeit. Darüber hinaus wurde die Frage diskutiert, wie sich bereits aktive Organisationen besser vernetzen und Projekte gemeinsam realisiert werden können. Auch wurde diskutiert, wie man die Jugendlichen stärker politisch sozialisieren und einbinden könne und welche Rolle EntscheidungsträgerInnen, Parteien und Jugendorganisationen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen zuzuordnen sei. Klar wurde, dass man eine verbesserte Strategie brauche, um diese Gruppe grundsätzlich besser zu erreichen. Während der Veranstaltung wurde auch klar, dass es eine Priorität sein muss, Jugendliche aus sozial benachteiligten Milieus durch umfassende politische Bildung und Sozialisierung zu einer langfristigen politischen Teilhabe zu befähigen.

Als Schlusswort formulierte Jérémie Gagné erneut die politische Forderung nach niedrigschwelligen Angeboten, die besonders an SchülerInnen in herausforderndem Umfeld adressiert sind. Mit einer besseren politischen Einbindung von Jugendlichen aus sozialen “Brennpunkten” könne unsere Demokratie in Zukunft nur gewinnen.

Autorin

Sophie Pornschlegel ist Policy Fellow am Progressiven Zentrum und arbeitet derzeit als Senior Policy Analyst am European Policy Centre (EPC) sowie als Projektleiterin für Connecting Europe, eine gemeinsame Initiative des EPC mit der Stiftung Mercator.

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