Le Pens Wahlsieg wäre schlimmer als der von Trump

Eine Analyse von Sophie Pornschlegel

Der Wahlsieg von Donald Trump in den USA 2016 hat Deutschland schockiert – und die Beziehung der beiden Staaten gravierend verändert. Weitaus größer dürften die Auswirkungen sein, wenn die Rechtsextremistin Marine Le Pen am Wochenende die Präsidentschaftswahl in Frankreich gewinnt. Deutschland sollte sich auf ein Horror-Szenario vorbereiten – spätestens mit Blick auf 2027.

Zwischen dem Ukraine-Krieg, der Rücktritt der Familienministerin und dem fehlgeschlagenen Besuch Steinmeiers in der Ukraine ist der erste Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl etwas verloren gegangen. In Deutschland denken viele, dass die Wiederwahl Emmanuel Macrons bereits sichergestellt sei.

Dabei ist es nicht gegeben, dass Macron im zweiten Wahlgang gewinnt: Am 24. April wird der scheidende Präsident Macron gegen die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen antreten. Die Umfragen geben ihm nur eine sehr knappe Mehrheit, zwischen zwei bis fünf Prozent der Stimmen. Alles wird davon abhängen, wie hoch die Wahlbeteiligung wird – und ob die 22 Prozent Wähler*innen, die den linksextremen Mélenchon gewählt haben, sich mehrheitlich für Macron entscheiden.

Die Konsequenzen der Wahl sind direkter als die Trump-Wahl

Aktuell sieht es nicht danach aus. Laut einer Umfrage wollen nur rund ein Drittel der Anhänger*innen des linksextremen Kandidaten für Macron stimmen. Und dem Meinungsforschungsinstitut Elabe zufolge wollen sogar 25 Prozent von Mélenchons Wähler*innen im zweiten Wahlgang Le Pen ihre Stimme geben.

Demnächst könnten wir wieder vor dem Szenario stehen, den wir aus dem Jahr 2016 und den USA schon kennen: Ein Wahlsieg eines populistischen, rechtsextremen Kandidaten in einem der wichtigsten Partnerländer Deutschlands. Der Unterschied: Marine Le Pen als Präsidentin Frankreichs hätte für Deutschland noch viel direktere Konsequenzen als ein Donald Trump im Weißen Haus.

Zunächst könnte eine Rechtsextreme im Elysée-Palast das Ende der Demokratie in Europa einläuten. Frankreich ist die zweitgrößte Wirtschaft in der EU mit einer Bevölkerung von über 67 Millionen Menschen. Deutschland hätte somit zwei Nachbarländer mit Polen, die sich stramm in Richtung Autokratie bewegen: Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Minderheitenrechte wären nicht mehr gegeben.

Ein rechtsextremes Frankreich bedeutet auch, dass Deutschland seinen wichtigsten Partner in der Europapolitik verliert. Konkret gäbe es mit einer Le Pen-Regierung in Frankreich keine EU-Sanktionen gegen Russland mehr; und sicherlich keine militärische Hilfe für die Ukraine. Bestenfalls würde in den nächsten fünf Jahren alle europapolitischen Vorhaben auf Eis gelegt, was angesichts der Klimakrise und der externen Bedrohungslage schlimm genug wäre. Schlimmstenfalls stünde die EU vor einer existentiellen Krise.

Erst „Frexit“, dann Euro-Ausstieg

In der Kampagne 2012 warb die Partei Marine Le Pens, „Rassemblement National“, noch für den Frexit, also dem Austritt Frankreichs aus der EU. 2017 wollten sie aus dem Euro aussteigen. Ihre europaskeptischen Positionen hat die rechtsextreme Kandidatin in ihren öffentlichen Auftritten in dieser Kampagne zwar entschärft, doch ihr Hauptziel bleibt bestehen: Sie möchte die EU von innen aushöhlen, ganz im Stil von Viktor Orbán und der polnischen PiS-Regierung.

Marine Le Pens Pläne sprechen für sich: Sie würde eine umfassende Diskriminierung von EU-Ausländern einleiten, auf dem Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche, für Sozialleistungen, auf dem Arbeits- und Wohnmarkt. Sie plant die 5 Mrd. Euros, die Frankreich jährlich zum EU-Budget hinzusteuert, zurückzuhalten, mit unklaren Konsequenzen für die operative Arbeit der EU; und sie möchte Grenzkontrollen dauerhaft wiedereinführen, in klarer Missachtung der Schengen-Regeln. Vor allem soll unter ihrer Führung Frankreich die „Abhängigkeit“ gegenüber den USA und Deutschland reduzieren; und die integrierte Kommandostruktur der Nato wieder verlassen. Pläne, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.

“Ich werde es nicht zulassen, dass Deutschland unsere Atomindustrie zerstört“

Vergangene Woche verschärfte sie ihre Rhetorik gegenüber Deutschland noch weiter. Sie wolle “wegen unvereinbarer strategischer Differenzen” alle gemeinsamen Rüstungsprojekte mit Berlin beenden. Auch in energiepolitischen Fragen kritisierte sie Deutschland scharf: “Ich werde es nicht zulassen, dass Deutschland unsere Atomindustrie zerstört“, sagte sie. Aussagen, die wenig hoffnungsvoll stimmen für die zukünftige deutsch-französische Zusammenarbeit.

Auch wenn Macron am 24. April knapp wiedergewählt werden sollte: Das grundsätzliche Problem der politischen Extremen in Frankreich bleibt bestehen. In Frankreich wählen über 30% für rechtsextreme Kandidaten; ca. 25 Prozent für linksextreme Kräfte. Die traditionellen Parteien – Parti Socialiste (PS) und Les Républicains (LR) – haben jeweils unter fünf Prozent der Wähler mobilisieren können, und werden sich bis zur nächsten Präsidentschaftswahl nur sehr schwer erholen können. 2027 wird Macron sich nicht noch einmal aufstellen lassen können aufgrund der verfassungsrechtlichen Begrenzung des Mandats.

Diese Aussichten sind für die Zukunft der EU katastrophal. Deshalb sollte die deutsche Bundesregierung sich möglichst gut auf dieses Horror-Szenario vorbereiten, um möglichst schnell mit der Schadenskontrolle beginnen zu können bei einem Wahlsiegs Le Pen. Nichts anderes als die Zukunft der EU steht mit der französischen Präsidentschaftswahl auf dem Spiel.


Dieser Beitrag wurde zuerst vom „Tagesspiegel“ veröffentlicht.

Autorin

Sophie Pornschlegel ist Policy Fellow am Progressiven Zentrum und arbeitet derzeit als Senior Policy Analyst am European Policy Centre (EPC) sowie als Projektleiterin für Connecting Europe, eine gemeinsame Initiative des EPC mit der Stiftung Mercator.

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