“Die Welt, in der alles verhandelbar ist, gibt es nicht mehr. Wir haben sie zerstört.”

Jonas Schaible im Gespräch mit Paulina Fröhlich

In seinem neuen Buch “Demokratie im Feuer” erklärt der Journalist Jonas Schaible, warum wir die Freiheit nur bewahren, wenn wir das Klima retten – und umgekehrt. Paulina Fröhlich hat mit ihm darüber gesprochen, wie aus Klimazielen Klimapflichten werden, was eine wehrhafte Klimademokratie ist und warum Friedrich Merz sein Buch lesen sollte.  

Jonas, mich hat gewundert, dass dein Buch mit einer Dystopie startet. Im Jahr 2050 brennt der Wald in Deutschland, die Temperaturen sind unerträglich, die Parteien nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Warum hast Du Dich entschieden, ein Buch, das ermutigen soll, mit der Vorstellung einer Katastrophe zu beginnen? 

Weil man sich bewusst machen muss, was droht. Wir stehen nicht vor einer Apokalypse, aber die Klimakrise wird unsere konkreten Lebensumstände verschlechtern – umso mehr, je langsamer wir jetzt handeln. Insofern beschreibe ich auf den ersten Seiten keine abwegige Dystopie, sondern eine realistische Fortführung einer Gegenwart, in der wir zu wenig tun. Ich musste diesen erzählerischen Einstieg übrigens mehrmals anpassen, weil Teile von der Realität überholt wurden. 

Die Forderungen in meinem Buch nach einer wehrhaften Klimademokratie sind weitreichend. Es geht um grundlegende Veränderungen in der politischen Entscheidungsfindung und in der Art, wie wir Demokratie verstehen und uns als Demokratie organisieren. Ich stelle diese Forderungen nicht leichtfertig auf, sondern in der Überzeugung, dass man zeigen kann: Sie sind notwendig, um unsere Freiheit und Demokratie zu sichern. Diese Notwendigkeit wird nur ersichtlich, wenn wir uns die materiellen Grundlagen und die möglichen Folgen des Klimawandels vor Augen führen. Das versuche ich im ersten Teil meines Buches. 

Das verstehe ich. Ich verstehe aber auch diejenigen, die sagen: Wenn wir Menschen überzeugen wollen, die den notwendigen Veränderungen hinzu einer klimaneutralen Welt skeptisch gegenüberstehen, dann brauchen wir positive Zukunftsbilder, dann müssen wir Zuversicht vermitteln: Im Jahr 2050 leben wir in einer Gesellschaft mit mehr Freiheit und höherer Lebensqualität – und das nicht auf Kosten Dritter. 

Es gibt diese Sehnsucht nach einer besseren Zukunft und dieses Bedürfnis sollte auch politisch bedient werden. Mein Buch endet zwar nicht hoffnungsfroh, aber zumindest versuche ich zu zeigen, dass es eine demokratische Selbstermächtigung bedeutet, die Veränderung selbst zu formen, statt sich ihr auszuliefern. Das kann wahnsinnig ermutigend sein. Aber der Weg zu dieser Selbstermächtigung wird nicht gelingen, wenn wir uns die Dringlichkeit der Lage nicht immer wieder klar machen.

Bevor wir tiefer in die Kernthesen einsteigen, würde ich Dich gerne fragen, worum es in deinem Buch geht. Geht es darum, dass die Demokratie nur zu retten ist, wenn wir die Klimakrise lösen oder darum, dass die Klimakrise nur demokratisch zu lösen ist. Mit anderen Worten: Wer rettet hier wen zuerst? 

Beide zugleich. Denn beides – die Rettung der Demokratie vor der Klimakrise und die demokratische Lösung der Klimakrise – ist notwendige Bedingung für den Schutz von Freiheit. Wenn wir die Klimakrise nicht lösen, verlieren wir Freiheit. Wenn wir sie auf Kosten der Demokratie lösen, ebenso.

Lass uns das mal auseinanderdröseln: Du sagst, eine Demokratie, wie wir sie kennen und schätzen, kann es langfristig unter den Folgen der Klimakrise nicht geben. Inwiefern ist das so? Wäre nicht auch eine funktionierende liberale Demokratie mit Dürren und Sturmfluten vorstellbar?

Natürlich kann es theoretisch sein, dass liberale Gesellschaften auch in einer 4 Grad heißeren Welt mit all ihren Katastrophen und Zwängen immer noch blühen, dass sie starke Demokratien bleiben. Das kann ich nicht ausschließen, aber ich halte es für sehr, sehr unwahrscheinlich. Es spricht nichts dafür außer blinde Hoffnung.

Die Klimakrise verschärft alle bekannten Risikofaktoren für die Schwächung oder gar den Zusammenbruch einer Demokratie. Der Blick in die Geschichte zeigt hier ein gewisses Muster: Schnelle und umfassende gesellschaftliche Veränderungen führen häufig zu heftigen Gegenreaktionen, die durch autoritäre Kräfte genutzt werden, um die Demokratie unter Druck zu setzen. Und das Ausmaß der Veränderungen unserer Lebensweise durch den Klimawandel wird riesig. Das löst heute schon extrem starke Abwehrreflexe aus und das wird schlimmer werden. Dazu kommen dann Wirtschaftskrisen, Migrationsbewegungen, Ungleichheit, Bürgerkriege, Wassermangel, Nahrungskrisen, all das wird viel wahrscheinlicher. 

Dabei muss man mitdenken: All das, was wir geschaffen haben, haben wir für ein Klima geschaffen, das es nicht mehr gibt. Das gilt für Stromkabel und Eisenbahngleise, die sich in der Hitze verformen und nicht mehr funktionieren, genauso wie für Bewässerungssysteme, Deiche, Heizungs- und Klimasysteme. Aber – und das ist wichtig – es gilt auch für unsere sozialen Systeme. Systeme, die besonders fragil sind, sind besonders gefährdet. Und Demokratien sind offensichtlich besonders fragil: Wir sehen seit Jahren eine Expansion des Autoritarismus, eine Verschlechterung demokratischer Qualität in vormals konsolidierten Demokratien. Wir führen einen permanenten Abwehrkampf gegen autoritäre Übergriffe, schon in guten Zeiten.

Aber selbst wenn Demokratien nicht zusammenbrechen, wenn wir den Klimawandel nicht verlangsamen, wird irgendwann der Punkt kommen, an dem die Sachzwänge so groß sind, dass wir uns als Gesellschaft nicht mehr wirklich frei und demokratisch organisieren können. „Dann regiert hier demnächst das THW zusammen mit der Leopoldina und dem Bundesgrenzschutz“, hat der ZEIT-Journalist Bernd Ulrich mal bildhaft geschrieben.

Kommen wir zu Deiner zweiten These: Die Klimakrise lässt sich nur demokratisch lösen. Ist es belegt, dass Demokratien besser in der Lage sind, der Klimakrise zu begegnen als autokratische Systeme? 

Ich würde umformulieren und sagen: Es ist belegt, dass autokratische Systeme der Klimakrise schlechter begegnen als Demokratien. Aber auch wir sind zu langsam. Kein Land der Welt tut ansatzweise so viel, wie notwendig wäre und wie im Übrigen auch international vereinbart ist. Man kann also nicht sagen, dass Demokratien gut abschneiden. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Demokratien bei der Reduktion von CO2-Emissionen zumindest etwas weniger schlecht abschneiden als Diktaturen. Aber das Bild ist hier nicht ganz eindeutig. Bei Umweltfragen hingegen schon: Meeresausbeutung, Einleitung von Schadstoffen, Abholzung von Wäldern kommen in autokratischen Ländern deutlich häufiger vor. 

Man kann aber vor allem auch theoretisch zeigen, dass Autokratien sich weder um die Freiheit scheren müssen noch die unkontrollierte Ausbeutung der Umwelt stoppen. Brasilien ist ein sehr eindrückliches Beispiel. Die Regenwaldzerstörung hat unter Lula abgenommen, unter Bolsonaro nahm sie rasend schnell zu. Nun scheint Lula die Rodung wieder bremsen zu können.

Mir ist in Deinem Buch häufiger das Wort “alternativlos” aufgefallen. Aus meiner Sicht lebt eine Demokratie davon, dass es Pluralität gibt, dass es Kontingenz gibt. Wenig muss zwingendermaßen so sein, wie es ist. Es besteht immer die Möglichkeit, aus verschiedenen Optionen zu wählen, einen anderen Weg einzuschlagen. Wie siehst du das? Bist du aus naturwissenschaftlichen Überlegungen heraus der Überzeugung, dass es in der Klimapolitik bestimmte Alternativlosigkeiten gibt oder interpretiere ich Dich da falsch?

Auch in der Klimapolitik gibt es eine Alternative zu entschiedenem politischen Handeln. Aber eine Welt jenseits der 2,5 Grad darf keine Alternative sein. Sie würde bedeuten, die Demokratie aufzugeben. Die Klimakrise bringt Zeitdruck, Unumkehrbarkeit und Unausweichlichkeit in die Demokratie. Darüber hinaus glaube ich, dass wir an einem Punkt sind, an dem auch in den Wegen zur Erreichung unserer Klimaziele nicht mehr so viele unterschiedliche Wege denkbar sind , wie ich es mir wünschen würde. Je länger wir das Problem aufschieben, desto drastischer müssen die Maßnahmen werden und desto geringer werden unsere Handlungsspielräume. Zeit ist in der Klimakrise der entscheidende Faktor. Je mehr Zeit wir verstreichen lassen, desto mehr drängen wir uns selbst in eine Logik der Alternativlosigkeit. Die gute Nachricht ist, dass wir durch schnelles Handeln in den wenigen möglichen Pfaden, die uns bleiben, Optionen, Handlungsspielräume und Freiheit in anderen Bereichen sichern können. Wir müssen die Alternativlosigkeit an der einen Stelle also annehmen, um an anderen Stellen Alternativen zu schaffen und zu bewahren. Das ist der Schalter, den wir im Kopf umlegen müssen. Die Welt, in der alles verhandelbar ist, gibt es nicht mehr.  Wir haben sie durch die Emission von Treibhausgasen zerstört. Wir können nicht mehr deliberieren, ob, und wir können auch nur noch begrenzt deliberieren, wie wir gegen die Klimakrise vorgehen. Das bedeutet nicht, dass es gar nichts mehr auszuhandeln gibt. Die Frage, wie wir am besten für sozialen Ausgleich sorgen, müssen wir beispielsweise diskutieren.


Klimaschutz und Demokratie, das passt für viele Menschen nicht zusammen. Den einen geht der Kampf gegen die Klimakrise zu langsam voran, während die anderen sich von einer angeblichen Ökodiktatur bedroht sehen. Das Buch „Demokratie im Feuer“ von Jonas Schaible ermöglicht einen neuen Blick auf Politik in Zeiten der Klimakrise und entwirft eine Zukunftsvision, in der sich Freiheit und Klimaschutz gegenseitig stärken.


Und das ist auch der Punkt in deinem Buch, an dem Du sagst: Hier ändert sich grundlegend das Verständnis von Demokratie. Bisher zeichnet sich Demokratie dadurch aus, dass es keine Instanz gibt, die festlegt, was das Richtige ist. Gleiche und freie Bürger:innen entscheiden gemeinsam, welche Regeln und Entscheidungen allgemein verbindlich gelten sollen. Es ist offen, was dabei am Ende herauskommt und in dieser Offenheit liegt gerade der freiheitliche Wert der Demokratie. Du argumentierst, dass die materielle Realität der Klimakrise das ändert. Wir sollten diese Frage nicht grundlegend dem deliberativen Prozess überlassen, weil a priori feststeht, dass die Lösung der Klimakrise richtig und Voraussetzung für das Fortbestehen der Demokratie ist. Fasse ich das richtig zusammen?

In der Theorie, ja, genau so. In der Praxis ist es etwas komplizierter. Denn wir müssen in der Demokratie natürlich permanent Menschen davon überzeugen, dass die konsequente Einhaltung der Klimaziele der richtige Weg ist. Aber im Grunde geht es darum, die Umwelt- und Klimaschutzpolitik so weit möglich dem politischen Alltagsstreit zu entziehen und die Ziele so zu institutionalisieren, dass wir ihre Erreichung nicht mehr jeden Tag neu erkämpfen müssen.

Wie kann das in der Praxis gelingen? Wie können Mehrheiten davon überzeugt werden, dass Klima- und Umweltschutz notwendige Bedingungen von Demokratie sind und dem politischen Meinungsstreit entzogen werden sollten?

Das ist die große Menschheitsfrage und es gibt keine einfache Antwort darauf. Es gibt mindestens drei sehr starke Gründe, die dafür sprechen, Klimaschutz institutionell so zu verankern, dass er nicht nur eine Option ist, sondern wirklich permanent gemacht wird. Erstens, vor allem, weil wir uns und unseren freiheitlichen Entscheidungsmöglichkeiten schaden, wenn wir die Erderhitzung nicht bremsen. Zweitens, weil wir uns gesellschaftlich in den Kämpfen um Klimaschutzpolitik auch noch erkennbar aufreiben, wodurch sich Identitäten und Lager bilden, was keine erfreuliche Entwicklung ist. Drittens: weil es aus solchen guten Gründen auch in anderen Fragen längst gemacht wird.

Die Schuldenbremse zeigt, dass man bestimmte grundlegende Fragen wie die Höhe der Staatsverschuldung einmal entscheiden und dann institutionell so festlegen kann, dass sie nicht ständig wieder in Frage stehen. Man kann die Schuldenbremse natürlich mit einer entsprechenden Mehrheit wieder antasten, alles andere wäre undemokratisch, aber einstweilen gilt sie, wirkt sie. Einen ähnlichen Weg sollten wir im Klimaschutz einschlagen. Ich hätte mir deshalb bei allen Schwächen und bei aller berechtigen Detailkritik gewünscht, dass der Volksentscheid in Berlin angenommen wird. Nicht weil Berlin dann 2030 klimaneutral geworden wäre, sondern weil es der richtige Ansatz ist, aus politischen Zielen politische Pflichten zu machen. Deshalb ist auch die Aufweichung der Verantwortung einzelner Ministerien für die Einhaltung der Klimaziele problematisch. Wir sollten versuchen, Klimaschutz so weit wie möglich in die Institutionen und politischen Prozesse einzuschreiben, statt weiter jeden Tag aufs Neue die Mehrheiten zu suchen. Das machen wir in der Geldpolitik auch nicht. Da kümmert sich die Zentralbank. Parlament und Regierung können nicht hineinreden. Und da geht es nicht um die Existenz der Demokratie an sich.

Was sind denn deine Lehren aus dem Volksentscheid? Was müsste anders gemacht werden, damit dieser Ansatz funktioniert? 

Es gibt kein einfaches Mittel, man kann den Erfolg nicht erzwingen und nicht herbeizaubern. Wir müssen gute Argumente liefern, Risiken verdeutlichen, Hoffnung machen – und all das an so vielen Stellen wie irgend möglich. Aber das ist schwierig und ich meine aktuell eher eine Schließung zu beobachten, in dem Sinne, dass nur bestimmte politische Lager für Klimaschutz verantwortlich gemacht werden und sich verantwortlich fühlen. Und wenn das so bleibt, werden wir nicht weiterkommen. Deswegen müssen wir Menschen davon überzeugen, dass die Alternativen von Klimaschutz nicht attraktiv sind. In einer Demokratie ist es im Übrigen okay, wenn nicht alle hinter diesem Weg stehen und es ist auch okay, wenn heute eine Mehrheit Dinge festlegt, so lange das später wieder von einer anderen Mehrheit revidiert werden kann.

Kann die Idee, dass man einen Themenkomplex wie die Klimafrage entpolitisiert, indem man ihn aus dem täglich verhandelbaren Bereich herauszieht und beispielsweise in die Verfassung schreibt, nicht auch das Gegenteil der Entpolitisierung hervorrufen, die Du dir erhoffst? Also dazu führen, dass die Grundlagen der Demokratie politisiert werden – wie es aktuell beim Wahlrecht geschieht – und so der Demokratie am Ende Schaden zufügen? 

Die Gefahr ist real. Ich glaube aber nicht, dass diese Meta-Politisierung wirklich eine stärkere Politisierung wäre als die, die wir ohnehin schon erleben. Und eine Änderung der Verfassung ist auch nicht der einzige Hebel, der mir vorschwebt. Andere Möglichkeiten, die zur Schaffung einer wehrhaften Klimademokratie gehören, sind Kapazitätsaufbau in der Verwaltung oder der Versuch, Strukturen zu schaffen, die dafür sorgen, dass bestimmte Lieferketten der demokratischen Kontrolle anheim gestellt werden. Und es geht auch darum, die Bedingungen dafür zu gewährleisten, dass die Klimaziele erreicht werden, zum Beispiel durch Ausbildung und Einwanderung von Arbeitskräften, insbesondere Handwerker:innen.

Du nennst in deinem Buch noch viele weitere Instrumente, z.B. die Aufwertung von Gremien wie den Beirat für nachhaltige Entwicklung, das Wahlrecht im Kontext der Generationenfrage, die Geldpolitik und Zentralbanken, Aktivismus und Bürgerräte. Bei einem weiteren Deiner Vorschläge scheint mir die Macht der Überzeugung, die Du eben angesprochen hast, besonders gefordert zu sein. Denn Du schlägst ein Klimapflichtjahr vor. 

Um das kurz voranzustellen: Das Kapitel, in dem ich diese Vorschläge vorstelle, habe ich bewusst „Die Labore der wehrhaften Klimademokratie“ genannt. Ich sage nicht, so und so müssen wir es machen. Es wäre anmaßend, das Institutionengefüge und einen abschließenden Empfehlungskatalog vorzulegen. Das muss jede demokratische Gesellschaft aushandeln. Demokratie bedeutet immer auch Formenvielfalt, keine zwei wehrhaften Klimademokratien, wenn wir sie bekommen, werden sich gleichen. 

In einem Klimapflichtjahr, das nicht zwingend nur für junge Menschen gelten müsste, könnte man einerseits eine gemeinsame Erfahrung schaffen und andererseits Selbstwirksamkeit bei der Bewältigung einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung stärken. Darüber hinaus spräche natürlich auch der pragmatische Grund des Arbeitskräftemangels für ein Klimapflichtjahr. Die Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder eines Dienstjahres kommt ja immer wieder. Man könnte sie auch so wenden.

Lass uns zum Abschluss noch einmal über das zentrale Konzept in Deinem Buch sprechen: die wehrhafte Klimademokratie. Konsequent zu Ende gedacht, müsste damit doch auch die Europäische Union gemeint sein und nicht nur die Bundesrepublik. Welche Rolle spielt die EU in Deiner Vorstellung einer wehrhaften Klimademokratie? 

Das gedankliche Modell einer wehrhaften Klimademokratie ist zunächst einmal auf alle demokratisch verfassten Systeme anwendbar, also auch auf die EU. In der Landwirtschaftspolitik wird beispielsweise sehr wenig national und sehr viel in Brüssel geregelt. Deshalb ist es wichtig, dieses Modell europäisch zu denken. Aber das ist eine kompliziertere Aufgabe, weil die EU keine klassische Demokratie ist. Darüber müsste wahrscheinlich jemand ein eigenes Buch schreiben.

Meine Abschlussfrage an Dich: Wenn Du Dir wünschen könntest, wer Dein Buch liest und was diese Person daraus mitnimmt, wen würdest Du auswählen? Ursula von der Leyen, Friedrich Merz oder Christian Lindner? 

Wahrscheinlich Friedrich Merz. Denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Klimakrise eine gesamtgesellschaftliche Bedrohung ist und kein Thema eines Milieus, eines Lagers oder einer Partei. Wir werden diese Krise nur lösen können, wenn keine relevanten gesellschaftlichen Kräfte dagegen arbeiten. Der Union kommt vielleicht die größte große Verantwortung zu, weil ihre Stimme bei Unternehmen ein besonderes Gewicht hat, aber auch in Milieus, in denen viele den Klimaschutz immer noch als ideologisches Projekt von links verdächtigen. Gegen die konservativ-bürgerliche Hälfte der Gesellschaft wird es keine erfolgreiche schnelle Transformation geben, nur mit ihr. Ich hoffe und wünsche mir, dass Friedrich Merz die CDU weiter in diese Richtung öffnen kann. Wenn ich mit meinem Buch dazu beitragen könnte, ihn davon zu überzeugen, dann wäre ich ein glücklicher Mann.

Autor:innen

Jonas Schaible

SPIEGEL-Hauptstadtbüro
Jonas Schaible ist Redakteur im SPIEGEL-Hauptstadtbüro. Er studierte Politik- und Medienwissenschaft in Tübingen und Berlin, seine Ausbildung zum Journalisten absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule. Er schreibt unter anderem über die Klimakrise und das politische System.

Paulina Fröhlich

Stellvertretende Geschäftsführerin und Leiterin | Resiliente Demokratie
Paulina Fröhlich ist stellvertretende Geschäftsführerin und verantwortet den Schwerpunkt „Resiliente Demokratie“ des Berliner Think Tanks Das Progressive Zentrum. Dort entwirft sie Dialog- und Diskursräume, leitet die europäische Demokratiekonferenz „Innocracy“ und ist Co-Autorin von Studien und Discussion Papers.

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