Am 18. Oktober fand im Rahmen des Democracy Labs des Progressiven Zentrums das zweite “Democratic Innovation Dinner” statt. Ziel dieses wiederkehrenden Veranstaltungsformats ist es, in einem persönlichen Rahmen eine heterogene Gruppe unter Chatham House Rule an einem Tisch zu vereinen und gemeinsam Lösungen für eine konkrete Fragestellung zur Zukunft der Demokratie zu entwickeln.
Die TeilnehmerInnen befassten sich während des zweiten Dinners mit der Frage, welche Fähigkeiten PolitikerInnen brauchen, um den herausfordernden Aufgaben unserer Zeit gerecht werden zu können. Dabei wurde sowohl auf die “inneren” Bedürfnisse und Fähigkeiten geschaut, als auch auf “äußere” Komponenten, z.B. die Größe eines Mitarbeiterstabs. Impuls für das Gespräch lieferte Christian Neuner-Duttenhofer, Leiter der Weiterbildungsakademie für Politik und Management in der Heinrich-Böll-Stiftung “GreenCampus”.
Führung und Selbstführung hängen oft zusammen
Hanno Burmester, Policy Fellow im Progressiven Zentrum, eröffnete das Dinner mit einer kurzen Einführung. In der professionellen Politik gebe es keine Kultur für Entwicklung abseits des Lernens von Skills wie Rhetorik oder Projektmanagement. Wichtiger für einzelne PolitikerInnen und Funktionsträger sei aber die innere Entwicklung. Dazu gehöre die Reflexion der eigenen Werte, Klarheit über wesentliche Parameter der Selbstführung, und die (spirituelle) Selbstverortung. Solche Reflexion sei kein netter Zusatz, sondern wesentliche Voraussetzung, um dauerhaft sinnvolle Wirkung im politischen System entfalten zu können. Ziel müsse es sein, die zahlreichen Entwicklungsangebote auf horizontaler Ebene (Skills und Fähigkeiten) durch intensive Entwicklungsanreize auf vertikaler Ebene zu ergänzen (Selbstreflexion, Selbstführung, Meta-Kompetenzen wie Zuhören, usw.).
Christian Neuner-Duttenhofer erklärte, dass “äußere” Führungskraft auch viel mit innerer Selbstführung zu tun habe. Zu oft noch dominiere in der Politik die Angst vor Schwäche und Fehlbarkeit. Diese Haltung spiegele sich im Führungsstil wider. Doch gerade Haltung, Kampfgeist, Dialogfähigkeit und emotionale Intelligenz seien für Führungskräfte in der Politik wichtig, genauso wie die Fähigkeit, größere Zusammenhänge zu vermitteln. Diese grundlegenden Fähigkeiten könnten durch die mehrheitlich gefragten, klassischen Weiterbildungsseminare nicht abgedeckt werden: Statt Persönlichkeitsentwicklung stünden dort aber meistens Projektmanagement und Skills-Entwicklung im Vordergrund. Neben der grundlegenden Offenheit brauche es deshalb für Selbstführung und Leadership andere Reflexionsräume und Formate.
Welche Lösungsansätze für die Zukunft?
Potenzielle Handlungsansätze wurden im Laufe des Abends diskutiert: PolitikerInnen bräuchten mehr Schutzräume, in denen Feedback erlaubt sei und Fehler gemacht werden könnten. Auch systemische Anreize für mehr Kooperation zwischen KollegInnen wären hilfreich. Zudem seien “Think Tanks” keine “Innovationslabore” für PolitikerInnen – deshalb bräuchte man mehr Weiterbildungsakademien, die direkt mit Führungskräften in der Politik zusammenarbeiten, und somit beispielsweise Coachings zu institutionalisieren. Schließlich bräuchte man “Leuchttürme”, um gesamtgesellschaftliche Veränderung herbeizuführen – PolitikerInnen, die als Vorbilder fungieren. Ziel solle es sein, Führungskräfte in der Politik zu befähigen und ihr eigenes Verständnis von Repräsentation und Demokratie zu stärken. Nach dem Dinner waren sich die aber de Teilnehmenden einig: PolitikerInnen müssen keine Helden sein. Stattdessen brauchen wir ehrliche, verantwortungsvolle RepräsentantInnen, die sich selbst in Frage stellen können und ein Leben lang lernen – und vor allem ihre eigene Selbstwirksamkeit in der Gesellschaft besser einschätzen können.