Damit die ökologische Transformation gerecht abläuft, braucht es eine breite gesellschaftliche Akzeptanz der dazu erforderlichen Klimapolitik. Wie wir das erreichen, haben Kommunikationsexperte Johannes Hillje und Jenny Simon vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter der Moderation von Strategie- und Kommunikations-Beraterin Sabrina Schulz auf dem zweiten Fachtag des Sozial-Klimarats diskutiert.
Petra Krömer ist 53 Jahre alt und wohnt am Rand einer mittelgroßen Stadt. Sie hat eine Kaufkraft von etwa 3.000 Euro, besitzt und bewohnt ein modernes Haus mit geringem Energiebedarf und kann sich den Umstieg auf E-Mobilität leisten. So wie ihr geht es 4 Prozent der deutschen Bevölkerung. 15 Prozent der Menschen hierzulande geht es wie Magda Meyer: Sie ist 79 Jahre alt, wohnt in einem Eigenheim mit veraltetem Energiestandard auf dem Land. An einen Umstieg auf nachhaltige Energieversorgung oder grüne Verkehrsmittel ist für die Rentnerin aus finanziellen Gründen nicht zu denken.
Klimapolitik betrifft jede:n anders
Unterschiedliche Personas sind also unterschiedlich stark von klimapolitischen Maßnahmen betroffen. Wie also ermöglichen wir eine sozial-gerechte Teilhabe an der ökologischen Transformation, die eine breite Akzeptanz und Beteiligung seitens der Bürger:innen mit einschließt – und für alle möglich ist? Beim Sozial-Klimarat in Berlin setzten sich umweltpolitische Initiativen, NGOs, Ministeriumsmitarbeiter:innen, und Aktivistinnen und Aktivisten mit dieser Frage auseinander.
„Soziale Gerechtigkeit ist ein signifikanter Erfolgsfaktor für die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen“, so Politik- und Kommunikationsexperte Johannes Hillje. Er stellte im Rahmen der Tagung Lehren aus der Anfang 2023 sehr emotional geführten öffentlichen und medialen Debatte um das Heizungsgesetz vor; ein Beispiel für ein klimapolitisches Instrument, das für Unmut und Ablehnung in der Bevölkerung sorgte – nicht zuletzt wegen zum Teil irreführender medialer Berichterstattung am linken und rechten Rand des medialen Spektrums, die durch politische Versäumnisse möglich wurde.
Akzeptanzfaktoren mitdenken
Darum, so Hillje, bedürfen klimapolitische Vorhaben einer Konzeption und Kommunikation, die den Menschen vermittelt, dass es fair zugeht. Strategisch sei dieses Ziel zu erreichen, indem der Mensch und seine Agency – also seine Handlungsfähigkeit – in einer sich wandelnden Welt von der Politik mitgedacht werden. So müsse beispielsweise zuerst konzipiert werden, wie eine finanzielle Förderung klimaneutraler Maßnahmen wie der Wärmepumpe aussehen soll, bevor die Forderung verlautet wird. Auch eine langfristige Kostenperspektive könne helfen, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu sichern.
Hinsichtlich der strategischen Kommunikation müsse eine Deutungshoheit über das geplante Gesetz seitens der Politik stets gesichert sein (präemptives Framing) – schürten solche Maßnahmen doch gerade wegen ihrer Nähe zur Lebensrealität der Menschen vermehrt Emotionen. Um eine stark emotionalisierte Debatte zu verhindern, die Hand in Hand geht mit populistischen Narrativen, empfiehlt Hillje, Falschbehauptungen durch das rechtzeitige Antizipieren möglicher Desinformationen vorzubeugen.
Das Ökologische über das Ökonomische lösen
Welche Erzählung aber würde Menschen wie Magda Meyer davon überzeugen, dass wir die Jahrhundertaufgabe der ökologischen Transformation nicht ohne sie schaffen? Hillje zufolge gelinge dies vor allem über positive Botschaften – zum Beispiel solche, die Klimaschutz und wirtschaftliche Modernisierung zusammenbringen und mit Aspekten der Traditionalität alá „Made in Germany“ kombinieren.
Auch funktionierten Aussagen gut, die vermitteln, dass steigende Kosten durch eine Klimaschutzmaßnahme verhindert würden und Wohlstand geschützt werde. Einen ebenso positiven Einfluss auf die Einstellungen zum Klimaschutz hätten Narrative der Fairness, insbesondere gegenüber hart arbeitenden Mitgliedern der Gesellschaft. Der Kommunikationsexperte schlussfolgert: „In Zeiten der materiellen Unsicherheit sollte Klimapolitik anders erzählt werden: Das Ökologische ist über das Ökonomische zu lösen.“
Klimapolitik ist Sozialpolitik
Wie diese Erkenntnis in politische Maßnahmen übersetzt werden kann? Das konkretisiert Jenny Simon, Leiterin der Abteilung „Soziale Dimensionen der Klima- und Umweltpolitik“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales in ihrem anschließenden Impuls. Klimapolitik müsse ins Detail gehen und die Fragen klären: Wer zahlt wo, wie viel? Dafür brauche es wissenschaftliche Analysen, die diese Fragen datenbasiert ausarbeiten und der Politik zur Verfügung stehen – etwa ein „Sozial-Monitoring Klimaschutz“, das die Frage gerechter Verteilung in den Blick nimmt und konkret Kosten und Folgen klimapolitischer Instrumente abschätzt. Die Herausforderung, ein solches Instrument verbindlich zu institutionalisieren, sei aber nicht zu unterschätzen.
Bezugnehmend auf die Impulse Johannes Hilljes’ zur strategischen Kommunikation setzt auch Jenny Simon auf die Anerkennung der Lebensrealitäten der Menschen: „Wir sollten mehr Erzählungen schaffen, die auf Co-Benefits von Klimaschutzmaßnahmen wie Selbstwirksamkeit, Luftreinhaltung und Entlastung setzen.“ Für Simon ist eine der größten Lehren vergangener Versäumnisse eine grundlegende: „Wir können Klimapolitik nicht ohne sozialpolitische Flankierung umsetzen. Klimapolitik ist Sozialpolitik“.
Bei Klimapolitik muss es fair zugehen
Damit bringt sie die übergreifende Botschaft des nun halbjährlich stattfindenden Sozial-Klimarats auf den Punkt. Und auch die Moderatorinnen und Moderatoren der einzelnen Sessions betonen zum Abschluss nochmals die Quintessenz des Fachtags: Do no harm! Der Verteilungskampf um (Rest-)Ressourcen, der der ökologischen Transformation inhärent ist, dürfe nicht zu Lasten der sozial-ökonomisch Schwächeren ausfallen. Gerade sie gelte es in Zeiten des politischen Vertrauensverlustes im Rahmen einer guten Klimapolitik finanziell zu entlasten, sie an ihr teilhaben zu lassen und sie mit positiven Botschaften zu erreichen.