Aufgeheizte Debatte? 

Eine Analyse der Berichterstattung über das Heizungsgesetz – und was wir politisch daraus lernen können

Am 28. Februar 2023 prangte auf der Titelseite der Bild-Zeitung in weißen Lettern auf schwarzem Grund: „Habeck will Öl- und Gasheizungen verbieten“ – ergänzt um den Hinweis: „Schon ab 2024!“. Dieser Artikel, in dem aus einem bis dato unveröffentlichten und geleakten Entwurf für die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zitiert wurde, markierte den Startpunkt einer äußerst emotionalen und bis heute nachwirkenden Debatte über das Gesetz im Speziellen und Klimapolitik im Allgemeinen. 

Es folgten ein monatelanger Streit in der Regierung, eine zugespitzte Kampagne der Opposition, Verunsicherung bei den Bürger:innen, eine erfolgreiche Klage der Opposition gegen die Abstimmung des Gesetzes und schließlich dessen Verabschiedung durch den Bundestag im September 2023. Für die Verunsicherung in der Bevölkerung und die sinkende Zustimmung zur Klimapolitik wurde wahlweise eine mediale Kampagne oder schlechte Kommunikation der Regierung verantwortlich gemacht. Weder die Berichterstattung der Medien über das GEG, noch das Agieren der Politik wurden jedoch bisher einer ausführlichen Analyse unterzogen. Diese Lücke soll mit der vorliegenden Studie geschlossen werden.

Im ersten Teil der Publikation präsentieren die Wissenschaftler vom Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Dr. Pablo Jost und Matthias Mack, die Ergebnisse einer quantitativen Inhaltsanalyse von 2.036 Beiträgen 19 deutscher Medien. Im Fokus steht dabei die Frage, wie vielfältig und ausgewogen deutsche Nachrichtenmedien im Jahresverlauf 2023 über das GEG berichtet haben.

Aufbauend auf den Studienergebnissen der Universität Mainz schlägt Politik- und Kommunikationsberater Dr. Johannes Hillje im zweiten Teil der Publikation Lehren aus der Debatte für Politik und Medien vor.

Dr. Pablo Jost und Matthias Mack: Analyse der Berichterstattung über das Gebäudeenergiegesetz

Im Rahmen einer quantitativen Inhaltsanalyse wurden 2.036 zwischen Januar und Oktober 2023 veröffentlichte Beiträge aus insgesamt 19 regionalen und überregionalen Medien auf Vielfalt, Ausgewogenheit und faktische Richtigkeit untersucht. Die Ergebnisse, die im ersten Kapitel der Veröffentlichung dargelegt werden, verweisen auf eine relativ hohe thematische Vielfalt der Medienberichterstattung. Der Fokus liegt auf dem Gesetzesinhalt, den politischen Prozessen und der technologischen Umsetzbarkeit. 

Abb. 2: Thematische Schwerpunkte der Berichterstattung (Anteil an Themennennungen in Prozent)

Das GEG wird in der Medienberichterstattung in allen Aspekten überwiegend negativ bewertet. Insbesondere wird eine mangelnde Vermittlung und geringe Akzeptanz des Gesetzes kritisiert; aber auch die Auswirkungen auf Wirtschaft und Klimaschutz werden einseitig negativ eingeschätzt. Besonders kritisch wird das GEG in Medien am rechten Rand des publizistischen Spektrums (auch Extremmedien) und der Bild behandelt, die entsprechende Begriffe in ihrer Berichterstattung verwenden (u. a. „Heizhammer“, „Heizverbot“) und damit die öffentliche Debatte zusätzlich aufheizten. 

Abb. 5: Bewertung des Gesetzes nach Medien (Saldo Bewertungen in Prozent)

Die Berichterstattung konzentriert sich weitestgehend auf politische Akteurinnen und Akteure, was bereits aus früheren Studien bekannt ist. Bürger:innen spielen dagegen kaum eine Rolle. Regierungsparteien – insbesondere Bündnis 90/Die Grünen – stehen im Mittelpunkt der Debatte über das GEG; kleine Oppositionsparteien finden kaum Beachtung. Die Berichterstattung ist insoweit ausgewogen, als dass alle Parteien negativ bewertet werden. Die SPD erfährt vergleichsweise wenig Kritik. Weniger ausgewogen ist die Berichterstattung einzelner Medien. So werden die Grünen in den untersuchten Lokalmedien im Vergleich zu den anderen Parteien weniger negativ, von der Bild und rechten Publikationen hingegen fast ausschließlich negativ dargestellt.

Die Medien berichten insgesamt deutlich mehr richtige als irreführende oder falsche Informationen zum Austausch bzw. Weiterbetrieb alter Heizungssysteme. Lediglich die Bild und linke Extremmedien vermitteln in relevantem Maße, rechte Extremmedien sogar überwiegend irreführende bzw. falsche Informationen.

Artikel von rechten Extremmedien und der Bild werden besonders stark auf Facebook verlinkt und durch Interaktionen mit Nutzenden viral verbreitet. Das ist insofern problematisch, als dass diese Medien nicht nur besonders negativ berichten, sondern auch den höchsten Anteil an  irreführenden bzw. falschen Informationen aufweisen.

Abb. 8: Aussagen zum Heizungstausch nach Medien (Anteil in Prozent)

Insgesamt zeichnen die Ergebnisse der Analyse ein differenziertes Bild der Berichterstattung der deutschen Medien zum GEG – mit einer hohen thematischen Vielfalt und überwiegend korrekten Informationen. Allerdings kann die überwiegend negative Darstellung des Gesetzes und der dafür verantwortlichen politischen Akteur:innen und Akteure langfristig das Vertrauen in demokratische Prozesse schwächen. 

Dr. Johannes Hillje: Lehren aus der Debatte für Politik und Medien 

Das GEG gehört zu den unbeliebtesten Projekten der Bundesregierung. Dieses Akzeptanzdefizit bei einem der bedeutendsten Klimaschutzvorhaben der 20. Legislaturperiode muss sich die Bundesregierung in erster Linie selbst ankreiden. Insgesamt ist das GEG ein Beispiel dafür, wie man eine anspruchsvolle Klimaschutzmaßnahme als Regierung nicht konzipieren und kommunizieren sollte. Auch die demokratische Opposition wurde ihrer Verantwortung für einen faktenbasierten Diskurs nicht immer gerecht.

Bis heute stellt sich die Frage, welche Lehren sich aus der GEG-Debatte für zukünftige Maßnahmen ziehen lassen, die zur Klimaneutralität bis 2045 beitragen sollen. Das zweite Studienkapitel leistet einen Beitrag zu dieser Aufarbeitung und schlägt erste Ableitungen für die politische Konzeption und Kommunikation sowie den Journalismus vor:

  • Politische Konzeption: Erkenntnisse aus der Forschung zu Akzeptanzfaktoren sollten stärker in die Entwicklung von Klimaschutzpolitik integriert werden. Soziale Gerechtigkeit etwa gilt als wichtigster Einzelfaktor für die Akzeptanz. Die Verantwortlichen hätten die soziale Abfederung beim GEG also deutlich früher berücksichtigen müssen (Förderung vor Forderung). Die hohen, kurzfristigen Kosten von Klimaschutz sind ein weiterer negativer Akzeptanzfaktor, weswegen eine gesetzlich verankerte langfristige Kostenperspektive (z. B. Lebenszykluskosten eines Heizsystems) hilfreich sein kann, wie internationale Beispiele zeigen. Individuumsbezogene Maßnahmen stoßen generell auf weniger Akzeptanz, daher sollten infrastrukturelle Veränderungen vorangestellt werden (Infrastruktur vor Individuum).
  • Politische Kommunikation: Aufgrund des Leaks des GEG-Entwurfs erlangte das Wirtschaftsministerium zu keinem Zeitpunkt Deutungshoheit über das eigene Gesetz. Bei kontroversen und interessenbehafteten Klimavorhaben sollte ein Ministerium – bevor das Gesetz das Haus verlässt – in der Öffentlichkeit den ersten Frame setzen (Frame-Setting). Auch sollte im Zuge einer frühzeitigen Kommunikation mit den zentralen Fakten und der Sensibilisierung für mögliche Desinformationen präventiv gegen Mythenbildung vorgebaut werden. Mit glaub- und vertrauenswürdigen Stimmen aus der Lebenswelt der Menschen (z. B. Handwerk, Energieberatung, Stadtwerke) sollte im Sinne einer Diskursallianz kooperiert werden.
  • Journalismus: Eine sachliche und ausgewogene Berichterstattung über komplexe klimapolitische Maßnahmen erfordert von Redaktionen eine erhöhte Transformationskompetenz über konkrete Instrumente der Dekarbonisierung, den kritischen Umgang mit Verzögerungstaktiken (z. B. die fehlenden Voraussetzungen für H2-ready-Heizungen) sowie eine langfristige Perspektive bei der Ausübung der Kontroll- und Kritikfunktion.


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Die Studie in der Presse

Pressekontakt

Maria Menzel-Meyer

Leitung Strategische Kommunikation
Dr. Pablo Jost ist Kommunikationswissenschaftler am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, wo er 2022 zu “Popularitätsindikatoren in der politischen Kommunikationsforschung” promovierte. Aktuell vertritt er die Professur für Medienrezeption und Medienwirkungen am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München.
Matthias Mack ist Kommunikationswissenschaftler am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er arbeitet im DFG Projekt “Konstruktiver Journalismus. Empirische Analysen zum Wirkungspotenzial einer neuen Journalismusform” sowie im vom BMWK geförderten Projekt ENVIKO “Partizipative Energiewende-Visualisierung und Kommunikation”.
Dr. Johannes Hillje ist Politik- und Kommunikationsberater in Berlin und Brüssel. Er berät Institutionen, Parteien, Politiker, Unternehmen und NGOs. Zur Europawahl 2014 arbeitete er als Wahlkampfmanager der Europäischen Grünen Partei. Zuvor war er im Kommunikationsbereich der UN in New York und in der heute.de-Redaktion des ZDF tätig.
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