Im Zuge der Koalitionsverhandlungen diskutierten Katja Sinko, Stefan Evers und Dr. Peter Ptassek über die Zukunft der deutschen Europapolitik. Welche Akzente soll die neue Bundesregierung setzen und welchen Themen besondere Beachtung schenken?
Let Europe arise!“ Churchills Appell von 1946 ist aktueller denn je. Die Europäische Union ist von innen wie von außen herausgefordert und steht vor einer Zerreißprobe. Abspaltung und Alleingänge bedrohen sie im Inneren, um Reformen in der Eurozone oder der Flüchtlingspolitik wird heftig gerungen und Rechtspopulisten aller Länder schlagen daraus politisches Kapital. Nicht weniger als die Zukunft Europas steht also auf dem Spiel. Und gerade jetzt fällt Deutschland als Impulsgeber und Gestaltungsmacht aus, weil die Berliner Europapolitik angesichts der andauernden Regierungsbildung auf Eis liegt.
Wohin soll die EU sich entwickeln: mehr oder weniger Integration, und auf welchen Handlungsfeldern? Welche Europa-Agenda soll die Bundesregierung im Hinblick auf institutionelle Reformen verfolgen? Welche Kompromisse gibt es für eine gute und gerechte EU-Migrationspolitik?
Diese Fragen wurden am 5. Februar 2018 debattiert. Zusammen richteten die Europäische Akademie Berlin und Das Progressive Zentrum die Diskussionsrunde “Berlin, bitte kommen” im Telefónica Basecamp aus. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Philipp Sälhoff, Programmleiter bei Das Progressive Zentrum und Marina Grigorian, Senior Public Relations Manager des Telefónica Basecamps und Gastgeberin des Abends.
Die anschließende Diskussion moderierte Dr. Andrea Despot, Direktorin der Europäischen Akademie Berlin. Zusammen mit Katja Sinko, Gründerin von The European Moment, Stefan Evers, Generalsekretär der CDU Berlin, und Dr. Peter Ptassek, Beauftragter für EU-Grundsatzfragen, Gemeinschaftspolitik und strategische Koordinierung und Leiter der Brexit Task Force im Auswärtigen Amt, diskutierte Despot welche Schwerpunkte die neue deutsche Bundesregierung in den kommenden vier Jahren in der Europa-Politik setzen sollte.
Dass die Europapolitik für die (wahrscheinliche) neue Bundesregierung einen hohen Stellenwert hat, zeige die prominente Platzierung des Europakapitels im Koalitionsvertrag. Dennoch sind sich die Panelisten einig, dass die Vereinbarung zwischen Union und SPD konkrete Reformen und eine übergreifende Visionen vermissen lässt.
Katja Sinko zeigte sich von vagen Formulierungen enttäuscht und hätte sich konkrete Inhalte für die Verhandlungen gewünschte – vor allem im Bereich Jugend und Transparenz sieht sie noch Ausbaumöglichkeiten.
Dr. Peter Ptassek hingegen sieht die offenen Formulierungen des Vertrags positiv: diese böten der neuen Regierung Handlungsspielraum, da keine roten Linien gezogen wurden.
Stefan Evers machte sich für die Idee der Spitzenkandidaten stark und sprach sich dafür aus, dass europäische Kandidaten zur Europawahl auf den entsprechenden Wahlplakaten abgebildet werden sollten.
Das Publikum konnte sich per Live-Abstimmungen in die Debatte einbringen und stimmte zum Beispiel über die Wichtigkeit bestimmter Themen der Europa-Agenda ab. Demokratische Reformen hatten für das Publikum klare Priorität und sollten daher nach ganz oben auf die Europa-Agenda. Auch die Panelisten hielten dies für einen wichtigen Punkt. Die Reform der Euro-Zone, eine gemeinsame Migrations- und Asylpolitik sowie eine gemeinsame Armee seien Aspekte, die in Abhängigkeit mit demokratischen Entwicklungen stünden und sich sekundär dazu entwickeln müssten.
Die Diskussion endete mit einer Frage an das Publikum: “Europa braucht mehr…” Aus den Ideen der Besucherinnen und Besucher ergab sich eine europäische Wortblase, die den Abend zusammenfasste. Europa brauche vor allem mehr “Solidarität” und “demokratische Reformen” – und eine deutsche Bundesregierung die sich mit einer starken Europa Agenda dafür einsetzt.
Der Tagesspiegel griff die Debatte des Abends in einem Artikel auf.