Wie gestalten wir unsere Einwanderungsgesellschaft? Dieser Frage nachgegangen sind im Rahmen der gemeinsamen Roundtable-Reihe “Challenging Democracy” von Das Progressive Zentrum und Zentrum Liberale Moderne die freie Journalistin Düzen Tekkal, Katarina Niewiedzial, Integrationsbeauftragte Berlin-Pankow sowie Vorstandsmitglied von Das Progressive Zentrum, und Ali Can, Gründer der “Hotline für besorgte Bürger”. Moderiert wurde das Mittagsgespräch von Marieluise Beck, Direktorin des Zentrum Liberale Moderne und ehemalige Ausländerbeauftragte der Bundesregierung.
Insbesondere durch die #MeTwo- und #GermanDream-Debatte, die jeweils von Ali Can und Düzen Tekkal ausgelöst wurde, ergibt sich die Frage: Wie weit fortgeschritten sind wir im Prozess des gesellschaftlichen Zusammenwachsens – und werden Konflikte nicht gerade dadurch stellenweise sichtbar, da Integration an anderer Stelle zunehmend gelingt?
Der Prozess des Zusammenwachsens hat sich nicht nur in eine positive Richtung entwickelt.
Katarina Niewiedzial stellte zu Beginn die für sie zentralen Fragen: Für wen ist der Staat da und wer beteiligt sich eigentlich am Staat? Niewiedzial attestiert unserer Gesellschaft eine Repräsentationslücke in staatlichen Einrichtungen und Behörden: “An den Tischen fehlen immer die gleichen Menschen.” Gerade die Behörden spielen aber im alltäglichen Leben der Menschen eine wichtige Rolle. Das macht Repräsentation und Beteiligung zu einer zentralen Aufgabe. Insgesamt zeichnet Niewiedzial ein positives Zukunftsbild, denn auch wenn in der Vergangenheit viel versäumt wurde, verbesserten sich Ankunftsstrukturen im Vergleich zur ersten Einwanderungsgeneration.
Ob Fragen der Identität in den letzten Jahren dringender wurden, bejahte Düzen Tekkal. Der Prozess des Zusammenwachsens hat sich nicht nur in eine positive Richtung entwickelt. “In der Vergangenheit wurde bei dem Thema Integration zu wenig um die Herzen gekämpft“. Um die liberale Demokratie zu stärken, ist dies aber zentral. Auch heikle Themen sollten von DemokratInnen in Angriff genommen werden, da mit diesen Kontroversen sonst Politik gemacht werde. Düzen Tekkal war es wichtig, mit dem #GermanDream einen positiven und zukunftsorientierten Beitrag zur Integrationsdebatte zu leisten.
Ali Can stellte die Frage, wie eine konstruktive Debatte aussehen kann. Mit seiner “Hotline für besorgte Bürger” möchte er ein Gesprächsangebot schaffen, um die Meinungen seiner AnruferInnen erst einmal durch Fragen zu entschärfen, anstatt sie unmittelbar vom Gegenteil überzeugen zu wollen. “Die entscheidende Aufgabe besteht darin, unseren Wertekonsens in Rückbezug auf das Grundgesetz zu erklären und zu übersetzen”. Ali Can hat #MeTwo nicht nur initiiert, sondern sich auch mit der Auswertung beschäftigt. Eine erste Erkenntnis: Viele Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen, über die in entsprechenden Tweets berichtet wurde, fanden an Schulen statt. Rassismus und Ausgrenzungserfahrungen beginnen demnach nicht nur frühzeitig, sondern sind zudem strukturell verankert.
Zusammenwachsen kann nur als Prozess gesehen werden und dabei entstehen natürlich auch Wachstumsschmerzen.
In der Diskussion mit den Gästen wurde deutlich: Es gibt erstens sehr unterschiedliche Einschätzungen, wo wir uns derzeit im Prozess des Zusammenwachsens befinden. Und zweitens unterschiedliche Meinungen, was unter Integration verstanden wird. Die Gäste und ImpulsgeberInnen waren sich jedoch einig, dass Repräsentation, sichtbarer Aufstieg und Partizipation für unsere Gesellschaft wichtig sind und dass hierfür strukturelle Änderungen stattfinden müssen. Nach dieser konstruktiven, aber auch kontroversen Diskussionsrunde wurde der Wunsch geäußert, erneut zusammenzukommen und gemeinsam darüber zu diskutieren, wie wir unsere Einwanderungsgesellschaft gestalten.