POV: Wahlkampf

Unsere Studie untersucht, welche Kommunikationsstile, Themen und Tonalitäten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs 2025 auf Social Media im Mittelpunkt standen.

Im Bundestagswahlkampf 2025 hatten Kurzvideos auf Social-Media-Plattformen eine außerordentliche Bedeutung für die Ansprache junger Wähler:innen. Instagram und TikTok standen dabei besonders im Zentrum der Kommunikationskampagnen. Denn junge Menschen nutzen die Kurzvideos der beiden Plattformen immer intensiver für ihre politische Meinungsbildung.

Doch während die Parteien und Politiker:innen in Deutschland sich mehr denn je den Herausforderungen des Wahlkampfs auf Social Media stellen, fehlt es bislang an umfassenden Analysen zu politischen Inhalten und Kommunikationsweisen auf den beiden Plattformen. Unsere Studie möchte dies ändern und untersucht, welche Kommunikationsstile, Ansprachen, Themen sowie Tonalitäten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs 2025 auf Social Media im Mittelpunkt standen und welche parteispezifischen Besonderheiten dabei zu beobachten waren.

Ergebnisse

Für die Studie wurden insgesamt 18.270 Kurzvideos (13.669 Instagram-Reels und 4.601 TikToks) von 668 Instagram- und 252 TikTok-Accounts der Parteien und Politiker:innen des 20. Deutschen Bundestags zwischen dem 1. Januar und dem 23. Februar 2025 analysiert.

Stil und Ansprache

  • Plattformspezifische Affordanzen: Parteien und Politiker:innen verwendeten typische Funktionen wie den Selfie-Mode (am häufigsten bei der AfD) und Infografiken (besonders bei der Linken). Allerdings fiel die Nutzung der Affordanzen insgesamt relativ zurückhaltend aus.
  • Jugendbezug und direkte Ansprache: Über die Hälfte der Beiträge (53 %) stellte einen Bezug zu jungen Menschen und zukünftigen Generationen her; 76 % der Videos setzten auf altersunabhängige direkte Anrede („du“, „ihr“). Die Grünen und Die Linke adressierten Jugendthemen am häufigsten, die AfD am wenigsten.
  • Mobilisierung durch Calls to Action: Wahlaufrufe dominierten die Formen politischer Mobilisierung in Kurzvideos auf Social Media. Rund 50 % aller Beiträge forderten zur Wahlbeteiligung auf. Auch digitale Mobilisierungsaufrufe wie zum Teilen oder Liken von Inhalten wurden vergleichsweise häufig genutzt.

Themen & Tonalität

  • Thematische Schwerpunkte: Die Wahl selbst war mit Abstand das häufigste Thema aller Kurzvideos (41 %). Ohne konkreten Wahlbezug folgten die Themen Migration (7 %) und Wirtschaft (6 %). 
  • Tonalität: Insgesamt überwog positive Darstellung der eigenen Parteipolitik (64 % der Beiträge). Inhalte auf TikTok waren jedoch konfrontativer als auf Instagram: Angriffe auf politische Gegner:innen kamen dort fast 12 Prozentpunkte mehr vor. Moderat-demokratische Parteien (CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP, Linke) setzten stärker auf positive Inhalte, während AfD und BSW gezielt auf Polarisierung und Angriffe setzten. Nach dem Beschluss des Entschließungsantrags zur Migrationspolitik verschärfte sich der Ton aller Parteien kurzfristig, kehrte zum Wahlkampfende jedoch zu positiverer selbst-fokussierter Kommunikation zurück.

Unsere Analyse verdeutlicht, dass Parteien und Politiker:innen im Bundestagswahlkampf 2025 Instagram und TikTok nutzten, um junge Zielgruppen systematisch anzusprechen und zu mobilisieren. Trotz starker Entwicklungen in Anzahl und Ausgestaltung der Kurzvideos – etwa in der Nutzung direkter Ansprache und mobilisierender Formate – bleibt für die Anpassung an plattformspezifische Kommunikationsstile bei zukünftigen Wahlkämpfen noch viel Luft nach oben. Migration erwies sich erneut als zentrales und polarisierendes Thema, das zu einer Verschärfung des Kommunikationsstils – auch unter moderat-demokratischen Akteur:innen – beitrug. Insgesamt legen die Studienergebnisse nahe, dass eine professionellere, kreativere und konstruktivere Nutzung von Social Media entscheidend für den künftigen Erfolg politischer Kommunikation bei jungen Zielgruppen sein wird.

Partner

Die Studie „POV: Wahlkampf“ ist ein Gemeinschaftswerk, entstanden in einer intensiven Kooperation zwischen der Bertelsmann Stiftung und dem Progressiven Zentrum. Neben den Autor:innen waren bei der Datenerhebung und/oder -auswertung Sibylle Gröbel, Amber Jensen, Kira Schrödel und Hannah Fecher von der Bertelsmann Stiftung, Yannick Winkler von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie Carla Agha Ebrahim und Jan Kjell Lange auf Seiten des Progressiven Zentrums beteiligt.

Die Studie steht im Kontext des Projekts How to Sell Democracy Online (Fast) des Progressiven Zentrums in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung und unterstützt von der Stiftung Mercator.

Autor:innen

Dr. Pablo Jost ist Kommunikationswissenschaftler am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, wo er 2022 zu “Popularitätsindikatoren in der politischen Kommunikationsforschung” promovierte. Aktuell forscht und lehrt er als Gastprofessor am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung an der Hochschule für Musik Theater und Medien in Hannover.
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Stellvertretende Geschäftsführerin und Leitung | Resiliente Demokratie
Paulina Fröhlich ist stellvertretende Geschäftsführerin und verantwortet den Schwerpunkt „Resiliente Demokratie“ des Berliner Think Tanks Das Progressive Zentrum. Dort entwirft sie Dialog- und Diskursräume, leitet die europäische Demokratiekonferenz „Innocracy“ und ist Co-Autorin von Studien und Discussion Papers.
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