Das 21. Jahrhundert findet bisher im Dauerkrisenmodus statt – und das setzt vor allem jungen Menschen zu: Mehr als die Hälfte aller 14- bis 29-Jährigen empfinden Stress, jede:r Dritte fühlt sich erschöpft, antriebslos und wird von Selbstzweifeln geplagt. Zusätzlich fühlen sich junge Menschen von der Politik nicht berücksichtigt und glauben nicht, sie mitzugestalten oder gar verändern zu können.
Um dem entgegenzuwirken, ist es essentiell, das Vertrauen der jungen Generation zurückzugewinnen, sie mit einzubeziehen, Einsamkeitserfahrungen entgegenzuwirken und ihr demokratisches Mindset zu stärken. Voraussetzung dafür: Jungen Menschen zuhören und ihre Stimmen verstärken.
Genau das haben wir in unserem Projekt Kollekt und beim KOLLEKTive Voices Weekend getan. Die Ergebnisse finden sich in der Publikation „Einsamkeit überwinden – Demokratie stärken. Was junge Menschen von der Politik fordern“.
Das KOLLEKTive Voices Weekend
Im Mai 2024 haben wir im Projekt Kollekt junge Menschen aus ganz Deutschland im Alter von 14 bis 21 Jahren zum KOLLEKTive Voices Weekend nach Berlin eingeladen. In Kooperation mit dem SV-Bildungswerk war das Ziel, mit jungen Menschen zu sprechen, die wenig bis keine Berührungspunkte mit Politik oder politischen Beteiligungsformaten haben und möglichst vielfältige Lebensrealitäten einbringen.
Die insgesamt 15 Forderungen in vier Bereichen haben die 22 Teilnehmenden in intensiver Gruppenarbeit erdacht, diskutiert und ausformuliert. Sie besitzen jeweils eine sehr unterschiedliche Detailtiefe und beziehen sich auf unterschiedliche Politikfelder. Im Nachgang der Ausarbeitung durch die KOLLEKTive Voices hat das Projektteam die Forderungen mit aktuellem Kontext und empirischen Ergebnissen gerahmt.
Die Forderungen im Überblick
Wir, die KOLLEKTive Voices, fordern:
Bildung
- Gezielte Angebote für die praxisnahe Integration in schulisches Lernen.
- Eine konkrete Rechtsgrundlage für die Beteiligung aller Interessengruppen an Bildungseinrichtungen durch ein Stimmrecht.
- Niedrigschwellige, gezielte und integrative Sprachangebote bei gleichzeitiger Würdigung von Mehrsprachigkeit.
- Den Abbau von Vorurteilen und die Förderung von Wissen für alle durch eine TV-Sequenz zur „Prime Time“, in der komplexe gesellschaftliche Inhalte barrierefrei erklärt werden.
Mentale Gesundheit
- Die Bewerbung von bestehenden Hilfsangeboten von Organisationen zur Steigerung der mentalen Gesundheit.
- Eine gesetzliche Regelung, wonach Bildungseinrichtungen psychologische Hilfsangebote bereitstellen bzw. vermitteln müssen.
- Eine erhöhte und langfristig gesicherte staatliche Förderung von kostenfreien und niedrigschwelligen Gruppenaktivitäten von und für Jugendliche und junge Menschen.
Orte
- Die staatliche Förderung von Orten, die inklusiv, altersunabhängig, kostenlos und jederzeit zugänglich für alle Menschen sind und die basisdemokratisch mitgestaltet werden.
- Einen Ausbau an gesicherten Orten, die Unterstützung für Menschen mit Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen bieten.
- In jedem Landkreis Deutschlands öffentlich geförderte Lebenskompetenzzentren mit Räumlichkeiten für Seminare und Kurse.
- Die staatliche Förderung generationenübergreifender Wohngemeinschaften zur wechselseitigen Unterstützung von Jung und Alt.
Demokratie
- Von der Bundesregierung politische Maßnahmen zur Sensibilisierung, Toleranz, Offenheit und Abgrenzung gegen Rechts.
- Einen jährlichen nationalen Aktionstag namens „Tag der Kulturen“ für Empathie und Austausch.
- Eine politische Stärkung der Selbstbestimmung unter anderem durch die Änderung des Konsensbegriffs im Rahmen einer Reform des Strafrechts von „Nein heißt Nein“ zu „Ja heißt Ja“!
- Zugang zu und Aufklärung über niedrigschwellige Teilhabeangebote in Deutschland.
Über das Projekt
Das mehrjährige Projekt Kollekt widmet sich Einsamkeitserfahrungen unter Jugendlichen und geht der Frage auf den Grund, inwiefern sie demokratieentfremdende Tendenzen oder gar extremistische Denkmuster befördern können. Es soll dabei helfen, den Geschichten und Erfahrungswelten von Jugendlichen Gehör zu schenken, sie zu verstehen und mögliche strukturelle Zusammenhänge zur gesellschaftlichen Zugehörigkeit oder Entfremdung herzustellen. In Zusammenarbeit mit einem wissenschaftlichen Netzwerk sowie Partner:innen aus der Jugend- und Präventionsarbeit möchte das Projekt über die Grenzen einzelner Disziplinen hinweg Brücken zwischen Theorie und Praxis, sowie Jugendlichen und Politiker:innen bauen, um sich in der nächsten Phase mit der Entwicklung neuer Präventionsformate zu befassen.
Autorin
Methodenkoffer gegen Einsamkeit
Ansprechperson
Wir entwickeln und debattieren Ideen für den gesellschaftlichen Fortschritt – und bringen diejenigen zusammen, die sie in die Tat umsetzen. Unser Ziel als Think Tank: das Gelingen einer gerechten Transformation. ▸ Mehr erfahren