Klima, AfD, Koalitionen

Was bedeuten die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg aus Sicht unserer Fellows und des Vorsitzenden unseres wissenschaftlichen Beirats? Drei Kurzeinschätzungen zu wichtigen Politikfeldern.

Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen sind entschieden. Die AfD wurde zwar nicht stärkste Kraft, doch progressive Parteien haben trotzdem wenig Grund zum Jubeln. In Sachsen wählte gerade einmal jeder vierte WählerIn eine Partei links der Mitte.

Wir haben unsere ExpertInnen um Ihre erste Einschätzung der Landtagswahlergebnisse gebeten.

Bedeutung für die Klima- und Kohlepolitik

„Die große Mehrzahl der WählerInnen in Brandenburg nannte den Klimawandel an erster Stelle der politischen Herausforderungen vor der Wahl. Für die drei linken Parteien, die jetzt wahrscheinlich die Regierung in Brandenburg bilden werden, ist der Wählerauftrag ein deutlicher: den Strukturwandel in der Lausitz mutig angehen für eine starke wirtschaftliche Basis ohne Braunkohle. Es geht um einen sozial gerechten Ausstieg aus der Kohle, der neue wirtschaftliche Chancen erschließt und den Menschen wieder Vertrauen in progressive demokratische Kräfte gibt.

Herausfordernder wird die Regierungsbildung in Sachsen. Aber auch hier besteht die Hoffnung, dass mit einer voraussichtlichen Regierungsbeteiligung von SPD und Grünen die Wirtschafts- und Energiepolitik klima- und sozial gerecht gestaltet wird. Sachsen ist derzeit Schlusslicht bei den Erneuerbaren Energien – diese sind aber ein Schlüsselfaktor im Strukturwandel. Hier kann eine neue Regierung nachlegen.

Bundespolitisch bedeutet das Ende der Wahlkämpfe in der Lausitz, dass die Große Koalition sich bis Ende des Jahres auf ein glaubwürdiges Klimaschutzpaket und ein Kohleausstiegsgesetz einigen muss. Sonst fällt die Halbzeitbilanz der GroKo im Klimabereich eindeutig negativ aus.“

-Sabrina Schulz

Bedeutung für den künftigen Umgang mit der AfD:

„Die Polarisierung gegen die AfD nutzte am Ende jeweils der Partei, die mit dem amtierenden Regierungschef den prominentesten Wahlkämpfer präsentieren konnte. Diesmal ist es für die etablierten Kräfte SPD und CDU noch einmal gut gegangen. Aber die beiden über Jahrzehnte dominierenden Parteien haben keinen selbstverständlichen gesellschaftlichen Rückhalt mehr – die AfD spätestens nach dieser Wahl in beiden Bundesländern sehr wohl.

Die AfD ist nun etabliert. Trotz direkter Hinweise über Verbindungen ins rechte Milieu bei ihrem Spitzenkandidaten in Brandenburg und der “Flügel”-Zugehörigkeit der Spitze in Sachsen wird sie von einer breiten Wählerbasis getragen. Es gibt eine Stammwählerschaft, der auch rechtsextreme Bezüge egal sind und die dennoch (oder gerade deswegen) AfD wählt.

Die Spannungen innerhalb der AfD auf Bundesebene werden nach der Wahl zunehmen. Vor dem Bundesparteitag Ende November sortiert sich die Machtstruktur um. Die Spitze der Ost-AfD gehört dem “Flügel” an und wird nun einen größeren internen Anspruch stellen, als es der aktuellen Parteispitze, bemüht um einen bürgerlichen Schein, lieb sein kann. Diese weitere Radikalisierung muss der Partei aber nicht unbedingt bei weiteren Wahlen schaden.“

-Fedor Ruhose

Bedeutung für Koalitionsoptionen und die Parteienlandschaft als Ganzes:

„Die Wahlkämpfe liefen auf eine Polarisierung zwischen den Ministerpräsidenten und der AfD hinaus. In beiden Ländern haben sich die Allzeit-Regierungsparteien durchgesetzt. Es ist ihnen aber erst in der Endphase durch ihre Ministerpräsidenten gelungen, die Basis für ihre Spitzenposition zu legen. Diese Polarisierung ging zulasten der etablierten Mitbewerber; zugleich konnten sie damit den Bundestrend ihrer Parteien übertreffen. Bei der sächsischen CDU um zwei Prozent und bei der brandenburgischen SPD um über zehn Prozent.

Die Wahlen offenbaren eine Verschiebung nach rechts, wie wir sie in Deutschland von einer Wahl zur nächsten selten erlebt haben. In Sachsen kommen alle Parteien links der Mitte zusammen genommen nicht einmal mehr auf 30 Prozent. Wesentliche aktuelle Ursache dafür ist die Linkspartei, deren Ergebnis sich fast halbiert hat. Dies wird zu großen Verwerfungen innerhalb der Partei führen. Katja Kippings Kurs steht damit zur Disposition; vermutlich muss sie um ihre Stellung fürchten. Die Wahlen zeigen außerdem, dass das Potenzial der Grünen im Osten beschränkter ist, als von vielen angenommen.

Dreierkoalitionen scheinen zum Normalfall zu werden. Ursächlich dafür ist der Niedergang der Volksparteien, der Aufstieg der AfD und der Grünen. Mit Brandenburg und Sachsen wären es bereits sieben Landesregierungen mit Dreierkoalitionen. Für die WählerInnen bedeutet dies, dass bei der Stimmabgabe immer weniger die Inhalte und immer mehr die Koalitionen im Zentrum der Debatten stehen. Für solche Koalitionen müssen die Parteien, die eh schon angeschlagen sind, robust sein, flexibel reagieren und konstruktiver miteinander arbeiten. Indem sich die BürgerInnen von den Volksparteien abwenden, schaffen sie mehr Vielfalt, Unsicherheit und erschweren das Regieren. Zugleich wird die immer wieder von den Parteien geforderte Profilbildung unter diesen Bedingungen nicht gefördert, sondern erschwert.“

-Prof. Dr. Wolfgang Schroeder

Autor:innen

Dr. Sabrina Schulz

Policy Fellow
Sabrina Schulz arbeitet als Director Germany bei der European Initiative for Energy Security sowie als Beraterin, Analystin und Moderatorin. Zuvor war sie Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, arbeitete als Direktorin des Sustainable Development Solutions Network (SDSN) Germany, leitete das Berliner Büro der KfW Förder- und Entwicklungsbank und war Gründungsdirektorin des Berliner Büros von E3G – Third Generation Environmentalism. Ihre Laufbahn im Klimabereich begann sie als Klimadiplomatin im britischen Außenministerium.

Fedor Rose

Policy Fellow
Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und Policy Fellow beim Progressiven Zentrum.
Prof. Dr. Wolfgang Schroeder ist Vorsitzender des Progressiven Zentrums. Er hat den Lehrstuhl „Politisches System der BRD – Staatlichkeit im Wandel“ an der Universität Kassel inne. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Demokratie, Wandel des Staates und der Infrastruktur sowie Parteien und Verbände.
Vincent Venus war Leiter der Kommunikation des Progressiven Zentrums und somit verantwortlich für die Kommunikationskanäle, die Redaktion und Gremienkoordination.

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