Welche demokratiepolitischen Forderungen für die nächste Bundesregierung?

Democratic Innovation Dinner im Democracy Lab am 23.08.2017

Am 23. August fand im Democracy Lab des Progressiven Zentrums das erste “Democratic Innovation Dinner” statt. Ziel dieses wiederkehrenden Veranstaltungsformats ist es, in einem persönlichen Rahmen eine heterogene Gruppe unter Chatham House Rules an einem Tisch zu vereinen und gemeinsam Lösungen für eine konkrete Fragestellung zur Zukunft der Demokratie zu entwickeln.

Thema des ersten Dinners war die anstehende Bundestagswahl und die derzeit vielerorts empfundene Krise der Demokratie. Trotz dieses Zusammenhangs und dem zunehmenden Rechtspopulismus in Deutschland sind Ideen und Anregungen zur Zukunft der Demokratie im laufenden Bundestagswahlkampf rar. Bei der Veranstaltung ging es deshalb vor allem darum, das bestehende zivilgesellschaftliche Engagement der Runde und weiterer AkteurInnen in konkrete demokratiepolitische Forderungen an die nächste Bundesregierung zu bündeln.

Welche konkreten Empfehlungen für die Zukunft unserer Demokratie?

Diskutiert wurden potenzielle Veränderungen in politischen Institutionen und in demokratischen Prozessen. Zahlreiche Ideen zur konkreten Verbesserung unserer Demokratie wurden in den Raum geworden: Eine ausgeloste Demokratie, die Begrenzung von Mandaten und eine Flexibilisierung des “Politiker-Berufs” sowie die Vereinfachung der Beantragung der Briefwahl. Auch wurden Änderungen an Parteiengesetzen und Parteienspenden gewünscht, um diese wichtigen Institutionen zu stärken.

Neben diesen konkreten Handlungsempfehlungen wurden Veränderungen in unserer Haltung und Herangehensweise an Demokratie gefordert: Politik müsste mehr aus Prozessen lernen, weniger Papier schaffen und mehr umsetzen. Gleichzeitig sollte man sich genau überlegen, wie viel Beteiligung sich BürgerInnen wünschen und in welchen Bereichen. Auch andere Formen des Engagements und der politischen Bildung sollten in der Gesellschaft gefördert werden. Besonders wichtig sei die Schaffung eines Raums für politisches Engagement. Dafür gäbe es eine Reihe von Instrumenten, die konkret umgesetzt werden könnten, bspw. Lohnersatzleistungen für soziales Engagement, die Förderung von passiv-aktiv Transfers oder Grundfinanzierungen für zivilgesellschaftliche Projekte. Schließlich wurde der Wunsch geäußert, in Deutschland die öffentliche Debatte über Parlamentarismus zu stärken.  

Gibt es noch einen Konsens über unser gesellschaftliches Miteinander?

Neben den konkreten Forderungen wurden auch grundsätzliche Fragen zum gesellschaftlichen Miteinander aufgeworfen, wie beispielsweise der Konsens über unsere gemeinsame Zukunft. Früher habe dieser Konsens aus einem Glauben an Fortschritt und der fortwährenden demokratischen Entwicklung unserer Gesellschaft bestanden. Doch dieses Vertrauen in den materiellen Fortschritt schwinde zunehmend, weil dieser weder wirtschaftlich noch ökologisch nachhaltig sei. Diskutiert wurde über einen politischen Paradigmenwechsel hin zu einem “Well-Being”-Ansatz, der die Frage, wie BürgerInnen in Deutschland in Zukunft ein “gutes, reichhaltiges Leben” führen können, umfassend bearbeitet.

Schließlich drehte sich die Diskussion auch um das Verhältnis zwischen Arbeit und zivilgesellschaftlichem Engagement. Die Individualisierung und der Wertewandel innerhalb unserer Gesellschaft hätten dazu geführt, dass ArbeitnehmerInnen sich nicht mehr in starken Bündnissen organisieren und dadurch Mitbestimmungsrechte innerhalb der Wirtschaftsstrukturen verlören. Durch diese Entwicklung sei eine naheliegende Chance, sich politisch zu engagieren, genommen und damit auch langfristig die Demokratie gefährdet.

Autorin

Sophie Pornschlegel ist Policy Fellow am Progressiven Zentrum und arbeitet derzeit als Senior Policy Analyst am European Policy Centre (EPC) sowie als Projektleiterin für Connecting Europe, eine gemeinsame Initiative des EPC mit der Stiftung Mercator.

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