Zusammenfassung
Was haben Kardinal Reinhard Marx, Luisa Neubauer und Siegfried Russwurm gemeinsam? Was sich anhört wie der Anfang eines schlechten Witzes, ist in Wirklichkeit eine gute Frage. Denn komplexe gesellschaftliche Herausforderungen lassen sich nur bewältigen, wenn sich unterschiedliche Akteur:innen für gemeinsame Ziele zusammenschließen. Wir haben mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gesprochen, die schon heute in Allianzen zusammenarbeiten und gefragt: Wie gelingt erfolgreiche Bündnisarbeit?
Unsere Demokratie ist plural, unser Zusammenleben stark differenziert und die Probleme, mit denen wir uns konfrontiert sehen werden zunehmend komplexer. Um gegenwärtige Herausforderungen angehen und die Zukunft gerecht gestalten zu können, bedarf es konstruktive, lager- und sektorübergreifende Kooperation.
Auf der Basis von zwölf semistandardisierten Expert:inneninterviews mit Vertreter:innen verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen und Bewegungen geht die Studie den Fragen nach: Was sind zivilgesellschafltiche Allianzen und wie funktionieren sie? Wie kommen sie zustande, wie werden sie am Laufen gehalten und wie entfalten sie Wirkung? Vor allem stellt die Studie aber Faktoren heraus, die für das Gelingen und Scheitern von zivilgesellschaftlichen Bündnissen zentral sind.
Relevanz zivilgesellschaftlicher Allianzen
Strategische Zusammenarbeit ist nicht nur für Unternehmen und Politik sondern auch für zivilgesellschaftliche Akteure ein wichtiges Instrument, um kooperativ auf ein gemeinsames Ziel hinzuwirken und so den eigenen Einfluss zu erhöhen. Aus Organisationslogik ist die Funktion von Allianzen entsprechend klar. Doch welche gesellschaftlichen Funktionen können Allianzen erfüllen?
Allianzen bündeln Interessen. Sie ermöglichen, dass Akteur:innen zusammenkommen, die unterschiedliche Werte und Handlungslogiken, aber eben gleiche oder zumindest überlappende oder kompatible Ziele und Interessen haben. Indem sie unterschiedliche Menschen und Organisationen für eine gemeinsame Problemlösung zusammenbringen, entwickeln sie eine integrative Kraft und helfen bei der Suche nach dem Gemeinsamen.
Allianzen verbinden Kompetenzen. In Bündnissen kommen Organisationen zusammen, die unterschiedliches Wissen mitbringen und aus verschiedenen Perspektiven auf die Gesellschaft blicken. Sie helfen den verschiedenen Akteur:innen so dabei, ein umfassenderes Verständnis von gemeinsamen Problemlagen zu entwickeln um dann, nicht nur nebeneinanderher, sondern miteinander, an deren Lösung zu arbeiten.
Allianzen wirken stärker. Mit der Formierung von Allianzen können zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Kräfte bündeln, gemeinsam mit einer lauteren Stimme sprechen und sich so im politischen Raum Gehör verschaffen. Allianzen sind darüber hinaus ein entscheidendes strategisches Instrument, um politischen Handlungsspielraum zu erweitern, Interessen sichtbar zu machen und Legitimation für politische Entscheidungen zu generieren.
Autor:innen
Ergebnisse der Studie: Herausforderungen und Erfolgsfaktoren zivilgesellschaftlicher Allianzarbeit
Die Ergebnisse aus den Expert:inneninterviews lassen sich entlang drei chronologischer Dimensionen erzählen: die Formierung, die Zusammenarbeit und die Wirkung (bzw. die Auflösung).
In der Phase der Formierung einer Allianz werden elementare Grundbausteine gelegt, auf welche die Partner:innen in Zukunft gemeinsam bauen sollen. Relevante Akteur:innen zu identifizieren, Grundwerte zeitlich begrenzt und strukturiert zu diskutieren, einen gemeinsamen Nenner zu finden, klare Ziele kollektiv zu formulieren sowie eine gute Umgangsform zu etablieren, ist hier von besonderer Bedeutung.
Man braucht ein großes Thema. Eins, das wirklich mobilisiert und zusammenbringt und wo man sich auch einig ist. Ich glaube, wenn man schon anfängt, daran zu diskutieren, wird es schwierig. Also in den Details kann man bestimmt diskutieren, aber es braucht so diesen einen Anlass, der eben zusammenbringt.
neue deutsche organisationen
In der Phase der Zusammenarbeit ist es besonders hilfreich, wenn Grundregeln und Strukturen der Zusammenarbeit zeitig festgelegt, Ressourcen eingeplant und verteilt und Lösungsstrategien für Konflikte vorbereitet werden.
Es muss einfach in so einem Bündnis schon auch einen Moment geben, wo man mal bespricht, wie man zusammenarbeitet. Also ob es meinetwegen einen Trägerkreis gibt, ob es eine Koordinationsgruppe gibt. Wer schreibt die Pressemitteilung, wer gibt die Pressemitteilung frei? Wer entscheidet darüber, welche Aktionen stattfinden? Was ist mit dem Geld und so weiter und so fort.
Mehr Demokratie e. V.
Aber auch das Verstehen und Nutzen von Intersektionalität und die klare Definition des Verhältnisses zu Politik und Parteien kann für eine gut funktionierende Arbeit in Bündnissen förderlich sein. Wohl am wichtigsten ist aber, sich als Person oder Ogranisation dem(den) gemeinsamen Ziel(en) unterzuordnen.
In einem Bündnis muss man aber in der Lage sein, Organisationswertvorstellungen auch mal zurückstellen zu können. Nicht verleugnen, aber zurückstellen. Um einfach ein gutes Level der Zusammenarbeit zu finden und zu sagen: Okay, das geht jetzt nicht hierum und hierum. Es geht eben um das hier oben, um das Gemeinsame, das Zusammenarbeiten.
Mehr Demokratie e. V.
Zuletzt, in der Phase der Wirkung einer Allianz, kommt es darauf an, die eigene Wirkmacht so gut es geht auf ein politisches Ziel hin zu erweitern. Um den Einfluss zu vergrößern, hilft es, wenn Bündnisse neue, belastbare und verständliche Informationen verbreiten und es schaffen, die Relevanz ihrer Anliegen zu verdeutlichen. Die Wirkung eines Bündnisses ist umso stärker, je heterogener das Feld an Mitstreiter:innen ist.
Für Politik ist es überall da richtig interessant, wo deutlich wird, hier formiert sich eine Allianz deutlich über eine oder zwei bestimmte Partikularinteressen heraus. Deswegen ist die Heterogenität solcher Allianzen so wichtig […], damit sie politisch und gesellschaftlich wirklich wirkungsvoll sind.
Stiftung Mercator
Bei vielen Allianzen ist die Entfernung zum angestrebten gesellschaftlichen Ziel noch sehr groß (z.B. eine diskriminierungsfreie Gesellschaft). Gerade bei solchen Bündnissen hilft es, die reine Zusammenarbeit auch als Teil des Ziels und den thematischen Austausch bereits als Sinn und Zweck zu begreifen.
Eine Studie von Paulina Fröhlich und Paul Jürgensen mit einem Vorwort von Alina Fuchs, Referentin für Demokratie, Gesellschaft & Innovation bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Die Studie ist ein Projekt der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit dem Progressiven Zentrum.
Autor:innen
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