Im Neuköllner IL-Kino präsentierten und diskutierten wir den Dokumentarfilm über Donald Trumps ehemaligen Chef-Strategen mit den ExpertInnen Carina Book und Alexander Sängerlaub.
Erinnern Sie sich an Steve Bannon? Der Mann, der Donald Trump zum US-Präsidenten gemacht und seinen menschenfeindlichen „muslim ban“ entworfen haben soll? Genau, Steve Bannon! Der Mann, der vor den Europawahlen mit der großspurigen Ankündigung Furore machte, eine europäische Internationale der RechtspopulistInnen („The Movement“) aufzubauen – und um den es seitdem ganz schön still wurde. Im September zeigte Das Progressive Zentrum im Neuköllner IL-Kino den Dokumentarfilm “The Brink”. Der Film folgt Bannon bei den Bemühungen, seine illiberale Allianz aufzubauen. Er hilft, Trumps ehemaligen Chef-Strategen besser einzuordnen – sowie vor allem die Mechanismen, die ihn berühmt machen.
Steve Bannon – ein Phänomen der Medien und des Kapitals
Steve Bannon – das wird deutlich – jagt seit dem Trump-Triumph 2016 seinem eigenen Mythos hinterher. Dieser lautet: Wäre er, der vormalige Herausgeber des rechten Propagandaportals „Breitbart“, nicht zum entscheidenden Zeitpunkt in die Trump-Kampagne eingestiegen, hätte der republikanische Kandidat niemals die Präsidentschaftswahl gewonnen. Bannon selbst ist davon, auch nach seinem Rauswurf durch Trump, mindestens so überzeugt wie die Personen und Netzwerke, die ihn hofieren und finanzieren. Die US-amerikanische Regisseurin Alison Klayman folgt ihm auf seinen Privatjet-Trips, von Fernsehauftritten über Wahlkampfveranstaltungen bis hin zu Beratungstreffen mit Kongress-KandidatInnen und europäischen Rechtsradikalen wie Nigel Farage. Wo immer Bannon auftaucht, scheint ihn eine unhinterfragte Aura des Machbaren zu umgeben. Im Gespräch mit einem exil-chinesischen Milliardär wird sogar kurz ein Umsturz der Kommunistischen Staatspartei angedacht.
Gleichzeitig bröckelt Bannons Mythos zunehmend: Seine zur Unterstützung auserwählten Midterm-KandidatInnen scheitern, die populistische Welle bei den Europawahlen bleibt aus. So beliebig die Ideologiebausteine „Volk“, „Establishment“ und „Fremde“ sind, so verschieden sind eben auch die Kontexte, auf die Bannon und seine Jünger sie erfolglos zu übertragen versuchen. Bannon, der im Film behauptet, er habe jede Sekunde im Weißen Haus gehasst, inszeniert sich davon ungeachtet als strategisches Mastermind. Der Film spielt dabei eine nicht unwichtige Rolle – denn Bannon braucht und genießt das Spiel mit den Medien und weiß, dass widersprüchliche Fakten ihm nur wenig anhaben können. Als er nach einem Auftritt vor „einfachen Leuten“ im 5-Sterne-Hotel eincheckt, sagt er belustigt Kamera: „I’m gonna get so crushed in this film.“ In solchen Momenten hat Bannon die Ausstrahlung eines gealterten Lausbubens, der sich selbst darüber wundert, dass er mit all seinen Streichen so weit gekommen ist.
Was können wir von Steve Bannon lernen?
In der Diskussion danach wollten wir wissen: Was können wir von diesem Steve Bannon lernen? Von einem zynischen Nihilisten, einem ultra-libertären Demokratiefeind, einem größenwahnsinnigen Hochstapler mit scheinbar unerschöpflichen Ressourcen? Von einem Mann also, der im Publikum zwar Schaudern auslöst, der aber offensichtlich ziemlich effektiv zu kommunizieren weiß. Es wurde schnell klar, dass es darauf keine einfache Antwort geben kann.
Carina Book, Politikwissenschaftlerin und Referentin in der politischen Bildung, forscht zu Kommunikationsstrategien der Neuen Rechten. Sie hob zunächst das Narrativ des “Großen Austauschs” in Bannons Ideologie hervor und verwies auf die zentrale Rolle, die diese Verschwörungstheorie im Denken der globalen Rechten einnimmt. PolitikerInnen der AfD berufen sich genauso darauf wie die sogenannte „Identitäre Bewegung“ und die rechtsterroristischen Attentäter von Christchurch und Halle.
Alexander Sängerlaub, Projektleiter “Stärkung digitaler Öffentlichkeit” bei der Stiftung Neue Verantwortung, sprach über die veränderten Bedingungen, unter denen sich politische Kommunikation heute entfalten und behaupten müsse. Um in der gegenwärtigen Medien- und Kommunikationskultur liberal-demokratische Inhalte diskutieren und vermitteln zu können, so Sängerlaub, brauche es auch strukturelle Änderungen und neue Formate.
Außerhalb der Think-Tank-Wände denken
Das Gespräch entwickelte sich zu einem intensiven Austausch von Beobachtungen und Ideen über den aktuellen und zukünftigen Kurs progressiver Kräfte. In Bezug auf das Feld der Klimapolitik wurde bemerkt, dass sich die rechtspopulistische Kommunikation derzeit wandle – weg von einer Botschaft der Angst („Flüchtlingskrise“) und hin zu einer Botschaft der Erlösung: der angeblich nicht von Menschen gemachte und daher auch nicht aufhaltbare Klimawandel. Einig waren sich auch die meisten, dass Kommunikation alleine nicht ausreicht, sondern vor allem politisches Handeln sich ändern müsse, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Das gelte insbesondere, so Carina Book, für den Fall einer drohenden neuen Wirtschaftskrise – auf den sich die Neue Rechte bereits strategisch vorbereite.
An einem der letzten Berliner Sommerabende setzten sich die Gespräche noch lange auf der Straße fort. Smartphones empfingen die Eilmeldung, dass die Demokratische Partei den lang erwarteten Impeachment-Prozess gegen Donald Trump beginne. Und wir waren uns einig, in Zukunft noch häufiger außerhalb der eigenen vier Think-Tank-Wände über die politische Gegenwart nachdenken zu wollen.