Hundert-Tage-Update: Handlungsempfehlungen für den Umgang mit der AfD im Bundestag

Aktualisiertes Discussion Paper von Policy Fellow Fedor Ruhose

Zusammenfassung

Die Alternative für Deutschland (AfD) sitzt seit 2014 in Landesparlamenten und seit Oktober 2017 im Bundestag. Ihre Arbeit dort hat Policy Fellow Fedor Ruhose analysiert und schlägt 15 Strategieansätze für den Umgang mit der AfD im Bundestag vor.

Mit dem Einzug der Alternative für Deutschland (AfD) ist erstmals eine klar rechtspopulistische bis völkisch-rechtsextreme Fraktion im Bundestag vertreten. Dies stellt andere Fraktionen und Abgeordnete vor neue Herausforderungen im parlamentarischen Alltag.

Nach 100 Tagen AfD im Bundestag und Präsenz in fast allen Landtagen zeichnen sich jedoch Verhaltensmuster ab, die eine kluge Reaktion und Konterchancen ermöglichen. Dieses Papier liefert daher 15 Handlungsempfehlungen für den Umgang mit der AfD im Bundestag.

Wie die anderen Fraktionen mit der AfD im Bundestag umgehen sollten

Auszug aus dem aktualisierten Discussion Paper mit insgesamt fünf Beobachtungen und 15 Empfehlungen

Keine gemeinsamen Initiativen!

Es wird in den Bundestagsdebatten dazu kommen, dass die AfD Initiativen unterstützt oder in der Diskussion applaudiert. Abgeordnete sollten sich davon nicht durcheinander bringen lassen. Stattdessen sollten sie klarmachen: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD in inhaltlichen Fragen! Anträge sollten nicht durch Alternativanträge aufgewertet werden und nicht jede Initiative sollte durch Resonanz aller anderen Fraktionen im Parlament geadelt werden. Statt wie die CSU die Agenda und Denkfiguren der AfD kritiklos zu übernehmen und sie so stark zu machen, müssen progressive Kräfte dieser Tendenz mit einer „Diskurs-Erhitzung“ (Volker Weiß) entgegentreten, um so rechtsextreme Erzählungen aus der gesellschaftlichen Mitte zurückzudrängen.

Stellt die AfD in Alltagsfragen und gewährt ihr keine neuen Politikfelder!

Der Bundestagswahlkampf hat es gezeigt und auch die Erfahrungen in den Landesparlamenten legen es nahe: Die diskursive Ausgrenzung der AfD ist gescheitert. Die anderen Fraktionen müssen sich mit den Inhalten und Personen auseinandersetzen, statt die Wählerinnen und Wähler der AfD anzufeinden. Frank Decker, Cas Mudde und andere renommierte Populismusforscher haben dargelegt, dass Populisten oft die durchaus richtigen gesellschaftlichen Fragen aufwerfen. Progressive Politik muss diese beantworten, die schlechten Antworten der AfD widerlegen und sich mit ihr im parlamentarischen Alltag sachpolitisch auseinandersetzen.

Progressive sind dann erfolgreich, wenn sie gute eigene Antworten geben und so die Nachfrage der Wählerinnen und Wähler nach populistischer Politik klein halten. Eng damit verknüpft ist, dass man der AfD keine neuen Profilierungsfelder einräumen darf. In den Landesparlamenten ist zu beobachten, dass die AfD genau dies anstrebt. Gezielt werden kritische regionale oder Landesthemen aufgenommen und in der Plenarsitzung genutzt, um die AfD von einer anderen Seite zu zeigen.

Auch die Bestrebungen der AfD durch eine kleine Gewerkschaft in den Betrieben Fuß zu fassen, muss beobachtet werden. Damit wollen die Rechtspopulisten ihren Markenkern ergänzen. Seid achtsam! Erledigt die Dinge und kümmert Euch um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger!

Zeigt mehr Präsenz!

Die AfD-Bundestagsfraktion hat in den ersten Sitzungen eine enorme Präsenz an den Tag gelegt. Dies wird sie zwar schwer durchhalten können, wenn der Bundestag nach einer Regierungsbildung seine Arbeit wirklich aufnimmt. Wenn der Abgeordnete Pohl die leeren Bänke der anderen Bundestagsfraktionen fotografiert, führt er diese vor und suggeriert, nur die AfD würde „für das Volk“ arbeiten. Auch wenn diese Aktion nach hinten losging, da er das Foto vor Beginn der Sitzung veröffentlichte, zeigt sich hier die Strategie der AfD. Sie sieht das Plenum als Hauptaktionsfeld und negiert, dass Deutschland ein Arbeitsparlament hat, dessen Ausschüsse oftmals gleichzeitig zu Plenarsitzungen stattfinden.

Präsenz vor Ort ist für die etablierten Parteien und ihre Fraktionen ein wesentlicher Bestandteil im Umgang mit dem Rechtspopulismus. Damit das Vertrauen der Bevölkerung durch Präsenz zurückgewonnen werden kann, muss über andere Formen der Wahlkreisarbeit nachgedacht werden. Angelehnt an der Quartiersarbeit sollten dort neue Initiativen ausprobiert werden, wo politische und gesellschaftliche Beteiligung niedrig und die sozioökonomischen Strukturen schwach sind.

Progressive Abgeordnete und Fraktionen sollten ihre lokalen Büros als physische Zeichen gegen die gefühlte Repräsentationslücke begreifen. Wenn sich Bundestagsabgeordnete und ihre Büros wieder als Andockstelle für zivilgesellschaftliches Engagement verstehen und die Bürgerinnen und Bürger vor Ort in gesellschaftliches Zusammenleben einbinden, kann verlorenes Vertrauen durch konkrete Aktion zurückgewonnen werden. Dafür müssen Abgeordnete aber erst einmal wieder in den betroffenen Regionen vertreten sein. Die teilweise erschütternden Wahlergebnisse und die niedrige Zahl von Parteimitgliedern in diesen Regionen zeigen, wie schwer dieser Weg sein wird. Deswegen bedarf es neuer Bündnisse und auch Änderungen der Parteistrukturen, um diese Aufgabe zu bewältigen.

Autor

Fedor Ruhose

Policy Fellow
Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz.
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