Foto vom Reichstagsgebäude

Die Lehren für Progressive aus der Bundestagswahl

Analyse von Ergebnissen und Fehlern des progressiven Lagers sowie Blick auf die zentrale Herausforderung nach der Wahl

Im Rückblick auf die Bundestagswahl analysieren wir die Ergebnisse und die Dynamik des Wahlkampfs, zeigen Fehler des progressiven Lagers auf und untersuchen die zentrale Herausforderung für Progressive nach der Wahl: ein Gleichgewicht zwischen verantwortungsvoller Regierungsführung und programmatischer Erneuerung.

I. Das Setting: Kampagne mit starkem Gegenwind

Wichtige Themen: Im Fokus der Wählerschaft standen die Themen Frieden und Sicherheit, Wirtschaft/Rezession, Lebenshaltungskosten, soziale Sicherheit, Migration und Klimaschutz. Die drei wichtigsten Themen – Frieden und Sicherheit, Wirtschaft und Lebenshaltungskosten – rangierten durchweg an erster Stelle und sind traditionell keine Politikbereiche, in denen progressive Parteien stark vertreten sind.

Die Kandidaten: Die drei Spitzenkandidaten – Olaf Scholz von der SPD, Robert Habeck von den Grünen und Friedrich Merz von der CDU – hatten alle mit niedrigen Popularitätswerten zu kämpfen. Merz wurde sogar zum unbeliebtesten Kandidaten, der jemals eine Bundestagswahl gewonnen hat.

Öffentliche Stimmung: Die öffentliche Stimmung vor der Wahl könnte man als angespannte Resignation beschreiben, gepaart mit einer zerbrechlichen Hoffnung auf Stabilität. Dies spiegelt die weit verbreitete Wahrnehmung der Ampelkoalition als eine der am wenigsten effektiven Regierungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wider. Die Kombination aus wirtschaftlicher Besorgnis, politischer Unzufriedenheit und der Sehnsucht nach Stabilität unterstreicht die Herausforderungen, denen sich Deutschland auf dem Weg in eine unsichere sicherheitspolitische und wirtschaftliche Zukunft gegenübersieht.

Erfolgsbilanz der Ampelkoalition: Kurz vor ihrem Scheitern hatte die Ampelkoalition (SPD, Grüne und FDP) mit extrem niedrigen Zufriedenheitswerten zu kämpfen: 85 Prozent der Bürger:innen waren unzufrieden mit der Regierung, nur 14 Prozent zeigten sich zufrieden. Das war zwar kein historischer Tiefstwert, aber immerhin der fünftschlechteste Wert für eine Bundesregierung. Der Trend ist eindeutig: Seit Februar 2022 sinkt die Zufriedenheit der Bürger:innen mit der Ampelkoalition kontinuierlich.

Migration: Obwohl Migration in der Schlussphase des Wahlkampfs zu einem beherrschenden Thema wurde – insbesondere nach einem verheerenden Messerangriff in einem bayerischen Park und dem Vorstoß von Friedrich Merz für eine strengere Migrationspolitik mit Unterstützung der rechtsextremen AfD – schaffte es das Thema mit Blick auf die Gesamtwähler:innenschaft nicht unter die drei wichtigsten Anliegen, sondern war lediglich unter den AfD-Wähler:innen das dringlichste Anliegen.

II. Das Ergebnis: Die wichtigsten Fakten und Interpretationen zur geschwächten Mitte

Erschütterung der Mitte: Die Ergebnisse der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 sprechen die Sprache einer zerklüfteten politischen Landschaft, in der die Mitte geschwächt ist und die Ränder gestärkt sind. Ein Viertel der Wähler:innen stimmte für regressive Kräfte (AfD & BSW), ein Drittel entschied sich für konservative oder marktliberale Parteien (CDU & FDP) und 40 Prozent unterstützten progressive Parteien (SPD, Grüne und Linkspartei). Diese Zersplitterung unterstreicht die Erosion der politischen Mitte, die nur noch eine einzige Koalitionsoption zulässt und keine Möglichkeit einer Zweidrittelmehrheit bietet. Die Schwächung der Mitte hat die Randparteien gestärkt – auf der rechten Seite die rechtsextreme AfD und auf der linken Seite die demokratische Linkspartei, wobei abzuwarten bleibt, wie konstruktiv letztere sein wird. Wichtig ist, dass das Wahlergebnis ein Zeichen für eine sich rasch wandelnde politische Landschaft ist.

Rekordbeteiligung und Aufstieg der AfD: Bei der Bundestagswahl 2025 verzeichnete Deutschland die höchste Wahlbeteiligung seit der Wiedervereinigung – ein Zeichen für eine gesteigerte Politisierung. Als größter Nutznießer vormaliger Nichtwähler:innen erwies sich mit einem Zuwachs von 1,8 Millionen aus dieser Gruppe jedoch die AfD – so viele wie alle anderen Parteien zusammen. Dies offenbart einen alarmierenden Trend: Obwohl die CDU und die Regierungsparteien (SPD und Grüne) eine härtere Gangart in der Migrationsfrage eingeschlagen haben, war es die AfD, die die größten Gewinne erzielte. Dies deutet darauf hin, dass eine scharfe Rhetorik in puncto Migration die progressiven und etablierten Parteien kaum stärkt und stattdessen die Unterstützung für die extreme Rechte fördert.

III. Die Fehler der Progressiven

SPD und Grüne, die traditionellen Säulen des progressiven Lagers, haben die Erwartungen der Wählerschaft nicht erfüllt.

  • Die SPD verzeichnete ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte und verlor auf breiter Front an Unterstützung und an die AfD – insbesondere bei Arbeitnehmer:innen, jungen Wähler:innen und Stadtbewohner:innen. Die programmatische Stagnation der Partei und das Fehlen einer kohärenten Vision für die Zukunft der Wirtschaft, Europas und mit Blick auf das Thema Einwanderung haben ihre Basis und andere potenzielle Wähler:innen verprellt.
  • Die Grünen erzielten zwar ihr zweitbestes Ergebnis aller Zeiten, blieben aber hinter ihrem Potenzial zurück (das Umfragen zufolge bei bis zu 18 Prozent lag). Robert Habecks Wahlkampfstrategie, liberale CDU-Wähler:innen anzusprechen (die sogenannte „Merkel-Lücke“), ging nach hinten los und der Fokus der Partei auf den Klimawandel kam zu spät, um die Stammwähler:innen zu mobilisieren. In städtischen Gebieten mussten die Grünen erhebliche Verluste gegenüber der Linkspartei hinnehmen, insbesondere in Berlin. 
  • Die Linkspartei erzielte ein starkes Ergebnis und profitierte von der Übernahme der AfD-Rhetorik in Bezug auf Migration durch Friedrich Merz, einer ausgeklügelten Haustürkampagne und einer Mischung aus etablierten Persönlichkeiten („Silberlocken“) und neuen Gesichtern. Allerdings ging ein Großteil des Erfolges auf Kosten der SPD und der Grünen – hier sind teilweise Parallel zum Aufstieg linker Kräfte in Frankreich bei der Wahl 2024 festzustellen.
  • Die CDU wurde zwar stärkste Partei, erreichte jedoch nicht die anvisierten 30 Prozent der Stimmen und verfügt damit über keinen starken Regierungsauftrag. Der sprunghafte Führungsstil von Friedrich Merz erschwert die Aussichten der Partei zusätzlich und macht sie zu einem schwierigen Partner für die SPD in einer möglichen Koalition.
  • Die AfD hat ihren Stimmenanteil verdoppelt und ihre Position als etablierte politische Kraft gefestigt. Die Partei wird zwar in der Opposition bleiben, ihr Einfluss ist aber nicht mehr auf den Osten beschränkt, sondern ein bundesweites Phänomen. Der Erfolg der AfD ist jedoch weniger ihren eigenen Anstrengungen zu verdanken als vielmehr den Schwächen und Fehltritten der Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) und der Union.

Koalitionsaussichten und schwindendes Vertrauen: Das wahrscheinlichste Ergebnis ist eine Zweiparteienkoalition zwischen der CDU und der SPD, die nur aufgrund des deutschen Wahlrechts möglich ist, das nur den Einzug von Parteien in den Bundestag vorsieht, die mindestestens 5 Prozent der Wähler:innen-Stimmen oder drei Direktmandate erreichen. 7-8 Millionen Wähler:innen (einschließlich der FDP- und BSW-Anhänger) sind darum im 21. Bundestag nicht repräsentiert. Die Verhandlungen zwischen Union und SPD sind im Gange und das Parlament soll ein Gesetz verabschieden, das umfangreiche Investitionen in die Sicherheit und die Infrastruktur ermöglicht.

Angesichts der schwachen Wirtschaftslage und der unmittelbaren Bedrohung der europäischen Sicherheitsarchitektur durch die Trump-Administration wird es für dieses Bündnis eine große Herausforderung sein, effektiv zu regieren. Abgesehen von den unmittelbaren politischen Auswirkungen spiegelt die Wahl eine breitere gesellschaftspolitische Vertrauenskrise wider. Seit der Pandemie glauben immer weniger Menschen, dass die Politik große Herausforderungen lösen kann. Diese Desillusionierung, gepaart mit der Fragmentierung der politischen Landschaft, stellt eine tiefgreifende Bedrohung für die demokratische Widerstandsfähigkeit Deutschlands dar.

IV. Die Herausforderungen: Ein Balanceakt zwischen verantwortungsvollem Regieren und programmatischer Erneuerung

Nach der Wahl 2025 stehen die progressiven Parteien in Deutschland – SPD und Grüne – vor einer gewaltigen doppelten Herausforderung: Für die SPD heißt es, verantwortungsvoll zu regieren und sich gleichzeitig programmatisches zu erneuern. Das bedeutet, dass sie den Spagat zwischen Stabilität und Fortschritt meistern muss. Für die Grünen geht es darum, das Vertrauen ihrer Kernwähler:innenschaft wiederzugewinnen und ihre Rolle in einer sich rasch verändernden politischen Landschaft neu zu definieren. In der Zwischenzeit muss die Linkspartei zeigen, wie sie zu einem glaubwürdigen Partner für eine mögliche Linkskoalition werden kann.

Das Dilemma der SPD: Fortschritt vs. Stabilität 

Die Aufgabe der SPD ist geradezu monumental. Die Partei muss ihre programmatische Vision erneuern und gleichzeitig die Verantwortung für das Regieren in einer fragilen Koalition übernehmen. Der Erfolg von Olaf Scholz im Jahr 2021 könnte sich eher als Ausreißer denn als Blaupause für die Zukunft erweisen. Die Kernidentität der SPD ist in Fortschritt und Modernisierung verwurzelt, aber ihre jüngsten Wahlverluste – vor allem bei Arbeitnehmer:innen, jungen Wähler:innen und Stadtbewohner:innen – deuten auf eine Diskrepanz hin zwischen den Errungenschaften der Partei und ihrer Fähigkeit, diese für sich zu beanspruchen. Die Herausforderung für die SPD ist eine vierfache. Erstens muss sie eine kohärente und überzeugende Vision für die Zukunft der deutschen Wirtschaft, ihre Rolle in Europa und ihre Haltung zur Einwanderung formulieren. Dies ist ein dringendes Problem, das angegangen werden muss, um das Vertrauen junger Wähler:innen zurückzugewinnen, von denen viele die Linkspartei und die AfD unterstützt haben.

Zweitens muss sichergestellt werden, dass ihre Leistungen in der Regierung klar mit ihrer politischen Marke verbunden sind. Gelingt der SPD dies nicht, läuft sie Gefahr, als Partei des Status quo und nicht als Motor des Fortschritts wahrgenommen zu werden. Drittens hat die SPD erhebliche Verluste bei den Arbeiter:innen erlitten. Ihre Unterstützung liegt jetzt bei nur noch 12 Prozent (zuvor 26 Prozent), womit sie hinter der AfD (38 Prozent) und der CDU (22 Prozent) liegt. Dieser Rückgang verdeutlicht eine entscheidende Herausforderung für die Sozialdemokraten: Sie müssen ihre Rolle als Partei der Modernisierung mit ihrem traditionellen Auftrag, die Arbeitnehmer:innen zu vertreten und für sie einzutreten, in Einklang bringen. Um Vertrauen und Relevanz zurückzugewinnen, muss die SPD eine klare Vision formulieren, die auch die wirtschaftlichen Ängste der Arbeiterklasse aufgreift und gleichzeitig eine fortschrittliche Politik verfolgt, die den Anforderungen einer modernen, integrativen Gesellschaft und der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Erneuerung gerecht wird. Gelingt es ihr nicht, diese Kluft zu überbrücken, riskiert sie eine weitere Erosion ihrer Basis.

Die Grünen: Vertrauen wiederherstellen und Führung neu definieren

Die Grünen stehen trotz ihres zweitbesten Ergebnisses vor großen internen und externen Herausforderungen. Mit dem Rückzug von Robert Habeck und Annalena Baerbock aus der Führungsriege steht die Partei vor großen strukturellen Veränderungen. Die Grünen müssen sich nun auf das „Projekt 2029“ konzentrieren, eine langfristige Strategie zur Wiederherstellung des Vertrauens und zur Rückgewinnung von Wähler:innen, die den von der Partei vorgeschlagenen Lösungen für dringende Probleme wie Klimawandel und wirtschaftliche Ungleichheit zunehmend skeptisch gegenüberstehen.

Die jüngsten Verluste der Grünen in städtischen Gebieten an die Linkspartei verdeutlichen die Notwendigkeit eines pragmatischeren Ansatzes und die Rückbesinnung auf die ursprüngliche Mission der Partei, die dringende ökologische Krise anzugehen und das Vertrauen ihrer Wähler:innenschaft wiederzuerlangen. Auch wenn der die Bekämpfung des Klimawandels nach wie vor die zentrale Stärke der Partei ist, muss sie ihre Anziehungskraft ausweiten und zeigen, dass ihre Politik allen Teilen der Gesellschaft greifbare Vorteile bringen kann. Dies erfordert nicht nur die Verfolgung innovativer Ideen, sondern auch ein erneutes Engagement für Transparenz und Verlässlichkeit.

Die Linkspartei: Ein Test der Glaubwürdigkeit

Die Linkspartei hat sich durch ihr starkes Wahlergebnis als potenzielle Königsmacherin in künftigen Koalitionen positioniert. Allerdings steht die Partei vor einer Zerreißprobe: Sie muss eine verantwortungsvolle und glaubwürdige außen- und sicherheitspolitische Position entwickeln, die mit SPD und Grünen abgestimmt ist – sonst bleibt die Aussicht auf eine rot-rot-grüne Koalition unerreichbar. Der Erfolg der Linkspartei, Stimmen von SPD und Grünen abzuziehen, zeigt ihr Potenzial, desillusionierte progressive Wähler:innen anzusprechen. Um jedoch ein brauchbarer Regierungspartner zu werden, muss sie über ihre traditionelle Oppositionsrolle hinausgehen und zeigen, dass sie konstruktive und pragmatische Lösungen für Deutschlands sicherheits- und außenpolitische Herausforderungen anbieten kann.

Herausforderungen für die neue Regierung und die progressiven Kräfte

Die neue deutsche Regierung und die progressiven Kräfte stehen vor einer Reihe von tiefgreifenden Herausforderungen, die die Zukunft des Landes bestimmen werden. Von der Wahrung der Demokratie über die Reform des Wirtschaftsmodells bis hin zur Neudefinition der Rolle Deutschlands in Europa: Die vor uns liegenden Aufgaben sind immens. Hier ein genauerer Blick auf die Schlüsselbereiche, die dringend Aufmerksamkeit erfordern:

  1. Demokratie – Brandmauern bauen und die Mitte zurückerobern: Der Aufstieg der rechtsextremen AfD und die Erosion des Vertrauens in demokratische Institutionen stellen eine existenzielle Bedrohung für die politische Stabilität Deutschlands dar. In Anlehnung an Timothy Snyder ist Deutschland aufgrund seines Bekenntnisses zu demokratischen Werten, Rechtsstaatlichkeit und seinem historischen Gedächtnis in einer starken Position, um die Brandmauer gegen autoritäre Kräfte aufrechtzuerhalten. Das Narrativ des unausweichlichen Aufstiegs der AfD muss dazu infrage gestellt werden; es handelt sich nicht um eine lineare Entwicklung und die Geschichte zeigt, dass rechtsextreme Parteien mit den richtigen Strategien marginalisiert werden können. Auch die politische Mitte muss ihre Relevanz zurückgewinnen. Der dystopischen Erzählung von der „letzten Kugel für die Demokratie“ muss mit verantwortungsvollem Regierungshandeln begegnet und durch eine Vision der Hoffnung und Widerstandsfähigkeit ersetzt werden. Die Progressiven müssen eine überzeugende Alternative zur spaltenden Rhetorik der AfD formulieren, die auf die legitimen Beschwerden der Wähler:innen eingeht, ohne demokratische Werte zu gefährden.
  2. Das deutsche Wirtschaftsmodell reformieren – In die Zukunft investieren: Das deutsche Wirtschaftsmodell steht am Scheideweg. Jahrzehntelange Unterinvestitionen haben das Land hinter den europäischen Durchschnitt zurückfallen lassen und die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ist zu einer Wachstumsbremse geworden. Anstatt sich auf kurzfristige Lösungen wie Sonderfonds für Sicherheit, Verteidigung und Infrastruktur zu verlassen, muss die Regierung die Schuldenbremse direkt angehen und sich für eine breitere Reform einsetzen, die nachhaltige Investitionen in Infrastruktur, Innovation und grüne Technologien ermöglicht. Der ökologische Umbau muss weiterhin Priorität haben. Der industrielle Wandel in Deutschland muss neu gestaltet werden – und zwar so, dass wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden. Dies ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein wirtschaftliches Gebot, da die globalen Märkte zunehmend grüne Lösungen verlangen.
  3. Soziale Gerechtigkeit – Bekämpfung von Ungleichheit und Generationenkonflikten: Die demografische Entwicklung in Deutschland, die explodierenden Mieten und der Druck in puncto Sozialausgaben haben vor allem bei jungen Menschen ein Gefühl der Ungerechtigkeit hervorgerufen. Viele haben das Gefühl, dass sie die finanzielle Last der älteren Generationen tragen müssen, ohne dass sie angemessene Investitionen in ihre Zukunft sehen. Die Kampagnen boten nur wenige Lösungen für diese Herausforderungen und hinterließen eine Lücke, die die neue Regierung schließen muss. Eine Politik, die erschwinglichen Wohnraum, einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen fördert, ist für die Wiederherstellung des Vertrauens und die Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts unerlässlich.
  4. Europa, Außenpolitik und Sicherheit: Eine neue Herangehensweise: Die Rolle Deutschlands in Europa und auf der Weltbühne muss neu gedacht werden. Eine „Politik der Klugheit“ erfordert eine Abkehr von den Fehltritten der Ära Scholz auf europäischer und internationaler Ebene. Die Stärkung der europäischen Achse – insbesondere die Partnerschaft zwischen Frankreich, Deutschland und Polen mit Blick auf die Wiedereinbindung Großbritanniens – ist entscheidend. Ohne eine starke EU oder eine „Koalition der Willigen“ können die grundlegenden Herausforderungen der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, der Verteidigung und des Klimawandels nicht gelöst werden.

Technologische Souveränität ist ein weiteres drängendes Thema. Deutschland und Europa müssen ihre Abhängigkeit von China und den USA verringern, Innovationen fördern und Lieferketten in Schlüsselindustrien sichern. Darüber hinaus muss die Führungsrolle Europas im Bereich der Sicherheit Priorität haben, insbesondere angesichts der wachsenden globalen Instabilität. Der neuen Regierung fehlt es jedoch an einem klaren Mandat für die Außen- und Sicherheitspolitik. Während des Wahlkampfs gab es kaum Debatten zu diesen Themen und die kontroversen Äußerungen der Trump-Administration kamen erst in der Schlussphase ans Licht, als es zu spät war, um einen substanziellen Diskurs zu führen. Dieses Vakuum muss nun mit einer kohärenten und zukunftsorientierten Strategie gefüllt werden.

Autoren

Florian Ranft

Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter | Green New Deal
Florian Ranft ist Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortet den Schwerpunkt „Green New Deal“ des Progressiven Zentrums.

Dominic Schwickert

Geschäftsführer des Progressiven Zentrums
Dominic Schwickert ist seit Ende 2012 Geschäftsführer des Progressiven Zentrums. Er hat langjährige Erfahrung in der Politik- und Strategieberatung (u.a. Stiftung Wissenschaft und Politik, Bertelsmann Stiftung, IFOK GmbH, Stiftung Neue Verantwortung, Deutscher Bundestag, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie).

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