Strategische Lehren aus dem Bundestagswahlkampf 2017

Dieses Papier durchleuchtet die strategischen Schlüsselaspekte der Konzipierung und Durchführung des Wahlkampfs von SPD und CDU/CSU

Zusammenfassung

Schlechtes Timing, fehlende Flexibilität, undefinierte Zielgruppen und die neue Koalitionsoffenheit der Parteien erklären, warum SPD und Union in der Bundestagswahl 2017 weit unter ihren Möglichkeiten blieben. Der Parteien- und Demokratieforscher Elmar Wiesendahl erklärt welche strategischen Lehren die Volksparteien aus dem Bundeswahlkampf mitnehmen sollten, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden.

Die Bundestagswahl 2017 verursachte tektonische Verschiebungen in der Parteienlandschaft, die tradierte Mehrheitsverhältnisse und Machtkonstellationen im nunmehr auf sechs Fraktionen erweiterten Bundestag fundamental veränderten. Neben dem Einzug der AfD in den Bundestag (siehe  vorheriges Discussion Paper) sorgten vor allem die schlechten Ergebnisse von Union und SPD für Aufsehen.

Das Wahldebakel der Volksparteien verlangt nach einer Erklärung. Die meisten Wahlanalysen beschränken sich jedoch auf demoskopische Erhebungen von Wählerpräferenzen und ignorieren damit die politischen Akteure als gewichtigen Faktor. Eine strategische Wahlkampfanalyse muss aber auch die Seite der Parteien untersuchen.

Dieses Papier durchleuchtet daher die strategischen Schlüsselaspekte der Konzipierung und Durchführung des Wahlkampfs von SPD und CDU/CSU. Was ist – aus strategischer Sicht – gut und was ist schlecht gelaufen? Welche Lehren können daraus gezogen werden, um ähnliche Fehler zukünftig zu vermeiden?

Executive Summary

Wahlkämpfe sind Bewährungsproben durchdachter Strategiebildung. Sie sind dann erfolgreich, wenn Parteien zunächst klare, realistische Ziele formulieren und anschließend ihre Inhalte und ihr Personal darauf ausrichten. Eine Schlüsselfrage lautet dabei, welche Zielgruppen die jeweilige Partei ansprechen will.

Das dramatisch schlechte Ergebnis der SPD bei der Bundestagswahl 2017 geht auf eine Verkettung falscher strategischer Entscheidungen zurück. Dazu zählen u.a. die Mobilisierungspause vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, eine unklare Zielgruppen-Definition und die zu starke Anpassung des Spitzenkandidaten an die Vorgaben der Programmpartei SPD. Auch schaltete Martin Schulz zu spät und kaum vorbereitet auf persönliche Attacken gegen die Kanzlerin um. Ähnlich große Defizite wies die Strategie der Union im Bundestagswahlkampf 2017 auf. Ihre Wohlfühlkampagne passte nicht zu dem Unmut in der Bevölkerung, der sich im Zuge der Flüchtlingskrise angestaut hatte.

CDU/CSU stecken in einer Modernisierungsfalle: Sie haben das konservative Stammklientel preisgegeben, ohne hinreichend in das rot-grüne Milieu eingedrungen zu sein. Insgesamt waren beide Kampagnen – die der SPD wie die der Union – zu starr und vom Scheitern bedroht. Ein besonderes Charakteristikum des Wahlkampfs bestand darin, dass die Parteien auf Koalitionsaussagen verzichteten. Die strategischen Implikationen, die sich aus dieser neuen Situation ergaben, wurden nur unzureichend verstanden.

Um diese vielen Fehler abzustellen, sollten die Parteien künftig weniger auf den Rat kommerzieller Meinungsforscher hören und stattdessen an ihrer langfristigen Strategiefähigkeit arbeiten.

Autor

Elmar Wiesendahl

Agentur für Politische Strategie
Elmar Wiesendahl beschäftigt sich seit 2010 als Mitgesellschafter der Agentur für Politische Strategie (APOS) mit Fragen der Strategiebefähigung von politischen Parteien und der Verbesserung von Strategiebildungsprozessen unter den Bedingungen wachsender Wettbewerbsintensität.
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Elmar Wiesendahl

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