Man sah ihm die Müdigkeit an. Nur vier Stunden habe er geschlafen, gestand Lars Klingbeil, als er die Bühne des Amplifier in Berlin betrat, um über die Vorstellung der SPD von sozial gerechter Klimapolitik zu sprechen. Damit war Klingbeil wohl nicht allein. Vielen der Teilnehmenden des Klimasozialrats steckte die US-Wahl in der Nacht zuvor und ihr deutliches Ergebnis noch sichtbar in den Knochen. Ein Ergebnis, das die so dringend benötigte internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz ab Januar 2025 deutlich erschweren wird.
Doch gerade deshalb dürfe man nun nicht „wackeln“. Gerade jetzt müsse man bei sozial gerechtem Klimaschutz vorangehen, gab der SPD-Vorsitzende die Parole für seine Partei aus. Allerdings sei die Verbindung des Sozialen mit dem Ökologischen der Ampelregierung zu selten gelungen, merkte Ricarda Lang an. Die zu diesem Zeitpunkt noch kommissarische Bundesvorsitzende von Bündnis 90/die Grünen war ebenso zu Gast im Amplifier, um darüber zu diskutieren, wie es besser geht.
Wie kann eine sozial gerechte Klimapolitik konkret aussehen? Welche Maßnahmen sind geeignet, um Teilhabe und Akzeptanz an der Transformation in allen Bevölkerungsschichten sicherzustellen – insbesondere bei einkommensschwachen Gruppen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des dritten Sozialklimarats, der erneut Vertreter:innen von Umwelt-, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, NGOs, Think Tanks und Aktivist:innen zusammenbrachte. Nachdem es in den vorangegangenen Treffen vor allem um die Problembeschreibung gegangen war, standen dieses Mal die Lösungen im Fokus.
Gerechtigkeit als Akzeptanzfaktor
Antworten lieferte ein vom Progressiven Zentrum organisiertes Fachgespräch zu klimapolitischen Akzeptanzfaktoren mit Impulsen von Jenny Simon, Leiterin der Abteilung „Soziale Dimensionen der Klima- und Umweltpolitik“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, und Dirk Heyen, Senior Researcher beim Öko-Institut. Johanna Siebert, Projektmanagerin im Bereich „Green New Deal“ beim Progressiven Zentrum moderierte das Gespräch.
Dirk Heyen stellte in seinem Vortrag die zentrale Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit für die Akzeptanz von Klimapolitik heraus. Diese werde vor allem über Bezahlbarkeit vermittelt. Am Ende entscheide über die Zustimmung zu klimapolitischen Maßnahmen bei vielen Menschen weniger, wie viel Klimaschutz sie bringen, sondern was sie für den eigenen Geldbeutel bedeuten. Denn viele Menschen sorgten sich nicht so sehr um die vom Klimawandel verursachten Schäden als vielmehr um die Kosten der Transformation. Dementsprechend seien Preisinstrumente, wie etwa eine CO₂-Steuer, die unbeliebtesten klimapolitischen Instrumente. All das, was das Leben der Menschen teurer mache, stoße mehrheitlich auf Ablehnung. Grundsätzlich gelte: Je eingriffsintensiver eine Maßnahme, desto unbeliebter sei sie. So erkläre sich auch, dass ordnungsrechtliche Maßnahme, wie etwa Verbote, weniger akzeptiert seien als Förderungen.
Wie sich Akzeptanz steigern lässt
Dennoch gebe es Ansatzpunkte für die Politik, so Heyen, um Klimaschutz zu mehr Akzeptanz zu verhelfen. An erster Stelle stehe ein ausgewogener Instrumentenmix, der Preisinstrumente mit Förderungen kombiniere, um soziale Härten auszugleichen. Außerdem sei das richtige Framing in der Außenkommunikation elementar. Insbesondere die Betonung von Co-Benefits von Klimaschutz (etwa bessere Gesundheit durch saubere Luft oder geringere Energiekosten durch günstigeren Strom), habe sich als akzeptanzsteigernd erwiesen. Zusätzlich könnten Kommunikationsallianzen helfen, in Zielgruppen vorzudringen, die die etablierte Politik nicht (mehr) erreiche. Auch das Timing einer Maßnahme könne relevant sein. Nach Naturkatastrophen, die in Zusammenhang mit der Klimakrise gebracht werden können, würden sich Gelegenheitsfenster für ambitionierteren Klimaschutz öffnen. Zudem könne man sich zunutze machen, dass selbst eingriffsintensive Maßnahmen, wie etwa weitreichende Verbote, nach ihrer Einführung mit der Zeit höhere Zustimmung erfahren. Ein gutes Beispiel sei hier das Rauchverbot, welches in vielen Bundesländern für Kneipen und Restaurants gilt. Dementsprechend können man umstrittene Maßnahmen erst testweise einführen, um sie dann, falls die Zustimmung über den Probezeitraum ansteigt, zu entfristen.
Was Hoffnung macht
Dass gerade die soziale Gerechtigkeit der wichtigste Akzeptanzfaktor ist, stimme sie hoffnungsfroh, so Jenny Simon. Denn dies lasse sich beeinflussen. Ihre feste Überzeugung sei es, dass Klimaschutz zu mehr Verteilungsgerechtigkeit beitragen kann. Allerdings müsse Klimapolitik dafür grundlegend anders gemacht werden, als dies momentan der Fall sei.
Warum der CO₂-Preis kein Allheilmittel ist
Aktuell setze die Politik vor allem auf die Lenkungswirkung des CO₂-Preises. Jedoch sei Markteffizienz nicht notwendigerweise verteilungsgerecht. Dabei spiele insbesondere der Lock-in-Effekt am unteren Einkommensende eine Rolle: Viele Menschen seien nicht in der Lage, dem fossilen Konsum auszuweichen, weil ihnen das Geld für den Umsteig fehle. Man könne aber nicht einfach hinnehmen, dass Menschen mit wenig Einkommen mehr für Energie, Wärme und Mobilität zahlen müssen. Hier brauche es fossilfreie Alternativen, die auf kollektive Art und Weise bereitgestellt werden. Der Schlüssel sei eine neue Art der öffentlichen Daseinsvorsorge, die allen Gesellschaftsschichten zur Verfügung gestellt wird.
Auf den richtigen Mix kommt es an
Zudem brauche es den richtigen Instrumentenmix. Grundsätzlich könne jede Art von Klimaschutzmaßnahme sozial gerecht sein – sofern sie richtig ausgestaltet sei, zeigt sich Simon überzeugt. Beispielsweise komme dem Ordnungsrecht eine wichtige Funktion bei der Steuerung des Marktmechanismus zu. Es brauche klare Teuerungspfade und verbindliche Zwischenziele. Auch müsse verhindert werden, dass sich Gruppen im oberen Einkommensende von Maßnahmen „freikaufen“. Progressive Klimapolitik brauche sich nicht vor dem Markt scheuen – wenn dieser vernünftig reguliert sei. Darüber hinaus brauche es gezielte Förderungen und Ausgleichsmechanismen zur Abfederung sozialer Härten. Allerdings seien soziale Ungleichheiten ein fundamentales soziales Problem, das über die Klimafrage hinaus gehe. Daher sei insgesamt eine bessere Sozialpolitik und ein stärkeres Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit und Umverteilung nötig.
Am Ende stehe und falle soziale Gerechtigkeit jedoch mit der Finanzierung, betonte Simon. Um diese zu gewährleisten, plädiert sie u. a. für einen pragmatischen Umgang mit neuen Staatsschulden. Diese würden zu häufig als Einschränkung der Handlungsfreiheit betrachtet. Was dabei jedoch übersehen werde, sei, dass ausbleibender Klimaschutz die Handlungsfreiheit noch deutlich mehr einschränke.
Wie es weitergeht
Mit diesen und vielen weiteren Anregungen arbeitet der Sozialklimarat nun seine Handlungsempfehlungen an die Politik aus – für einen Klimaschutz, der nicht nur ökologisch wirksam, sondern auch sozial gerecht ist und so die nötige gesellschaftliche Akzeptanz herstellen kann. Diesen umzusetzen, ist dann Aufgabe der nächsten Bundesregierung(en). Bis es so weit ist, stehen den politischen Akteur:innen in Berlin allerdings noch einige schlaflose Nächte bevor.
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