Am Mittwoch Abend des 16. Oktober 2019 trafen führende Köpfe aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft aufeinander um über die Herausforderungen der Zukunft der Arbeit zu diskutieren.
1. Studienpräsentation:
Oft wird die Debatte zur digitalen Transformation und Zukunft der Arbeit unter den Stichworten der Automatisierung von Jobs oder der ‘gig economy’ geführt. Jedoch ist der Einfluss von neuen Technologien auf die Arbeitswelt vielschichtiger und komplexer.
Die digitale Transformation verändert die Grundzüge des Wirtschaftens, die Organisation und Funktionslogik von Unternehmen und die Arbeitswelt des Einzelnen fundamental. Um ebendiese Komplexität erfassen zu können, präsentierte Florian Ranft (Programmleiter des Bereichs Strukturwandel bei Das Progressive Zentrum) zu Beginn der Abendveranstaltung die neue Studie “Measuring tomorrow’s work and economy”. Als Co-Autor gab er Einblicke zur gesellschaftspolitischen Debatte, wie die drei größten Volkswirtschaften Europas – Deutschland, Großbritannien und Frankreich – den ökonomischen Wandel und die daraus resultierenden Veränderungen für die ArbeitnehmerInnen und Unternehmen gestalten können.
Zu diesen Herausforderungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hat er in Zusammenarbeit mit Barry Colfer (Head of Publications bei Policy Network) mit 50 ExpertInnen in den drei Ländern und zusätzlich, für die europäische Perspektive, in Brüssel gesprochen. Basierend auf diesen Hintergrundgesprächen entwirft die Studie ein Konzept für eine inklusive digitale Transformation.
2. Debatte auf dem Podium:
Im Anschluss an die Präsentation diskutierten Markus Albers (Unternehmer, Autor und Journalist), Anke Hassel (Professorin für Public Policy an der Hertie School of Governance) und Thomas Sattelberger MdB (Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Innovation, Bildung und Forschung) zu den Inhalten der Studie. Zentrale Herausforderungen für Wirtschaft und Politik wurden identifiziert:
Verlust individueller Autonomie
Durch den verstärkten Einsatz digitaler tools, die einerseits mehr Vernetzung und Kooperation ermöglichen, erleben ArbeitnehmerInnen andererseits einen Anstieg von Koordinations- und Administrationsarbeit sowie eine Verwischung von Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit bis hin zu einem gefühlten Verlust von Autonomie. Markus Albers fordert deshalb, das Emanzipationsversprechen des technologischen Wandels endlich einzulösen: kreativere und zufriedenere MitarbeiterInnen, produktivere Unternehmen bei gleichzeitig kürzerer Arbeitszeit und mehr Freizeit. Leider münde der technologische Wandel oft in digitaler Erschöpfung wie Studien zu Burnout und anderen stressbedingten Krankheiten zeigen. In der Verantwortung sieht er hier vor allem die Unternehmensleitung selbst, diese Transformation positiv zu gestalten.
Tatsächliche Potentiale von neuen Technologien erkennen
Geteilte Wahrnehmung ist, dass nur begrenztes Wissen darüber vorherrscht, was Künstliche Intelligenz eigentlich leisten kann und wie die Potentiale wirklich für den gesellschaftlichen Fortschritt genutzt werden können. Diese Potentiale erfordern neue gesetzliche und ethische Rahmenbedingungen sowie neue Formen der Mitbestimmung am Arbeitsplatz. Anke Hassel und Thomas Sattelberger betonen: Unternehmensführung muss neu gedacht werden und nicht alles, was sich durch neue Technologien wandeln lässt, sollte sich auch wandeln.
Vielmehr entsteht Hitze durch Reibung und entsprechend Innovation durch Interaktion. ArbeitnehmerInnen, die im ständigen, persönlichen und kollaborativen Austausch miteinander stünden, seien eher in der Lage, fortschrittliche Ideen zu generieren. „Ganz dicht beisammen“ sollten die Kollegen und Kolleginnen in geteilten Büroräumen sitzen, findet Thomas Sattelberger. Dadurch sei die bestmögliche Atmosphäre geschaffen, für das Erfinden und die Umsetzung neuer Ideen.
Wandelndes Skill-Set
Zentrales Problem im Bereich Kompetenzen am Arbeitsplatz sei die zu frühe Spezialisierung im deutschen Bildungssystem sowie später die mangelnde Durchlässigkeit, betont Thomas Sattelberger. Anke Hassel ergänzt, dass die Durchlässigkeit im Bildungssystem stärker gefördert werden müsse, da sonst das deutsche Bildungssystem nicht geeignet sei für einen zufriedenstellenden Transformationsprozess. Der jetzige Stand würde zu mehr Polarisierung auf dem Arbeitsmarkt führen und Gewinner und Verlierer produzieren.
Aus der Debatte geht hervor, dass der der Staat grundsätzlich überdenken sollte, wie gerade Berufsausbildung und soziale Mobilität nach oben gefördert werden können. In der Diskussion um die Automatisierung von Arbeit sollte demnach nicht nur über die Quantität, sondern vielmehr über die Qualität von Arbeit diskutiert werden.
Neue Arbeit kann schlecht in alten Geschäftsmodellen entstehen
Weiter betonten die DiskutantInnen, dass gute und lohnenswerte Arbeit im digitalen Zeitalter fundamental von dem Innovationsniveau und der Produktivität einer Volkswirtschaft abhängt. Hier wurden klare Defizite im deutschen Wertschöpfungsmodell herausgearbeitet (von der unzureichenden Innovationsfähigkeit traditioneller Dax-Unternehmen bis zu mangelnder Innovations-, Forschungs- und Regionalpolitik), die wir bei Das Progressive Zentrum gemeinsam mit unseren PartnerInnen an anderer Stelle fortführen möchten.
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