Wie kann Europa digitalpolitisch selbstbestimmt agieren? Und wie befähigt man Bürger:innen, den digitalen Wandel mitzugestalten? Diese und weitere Fragen wurden am 19. Mai 2022 beim Paper-Launch “Digitale Souveränität – Ein Narrativ des Fortschritts” diskutiert.
Bei diesem Studienlaunch wurden Impulse diskutiert, wie der Digitalisierung in Deutschland und Europa eine neue Richtung gegeben werden kann. Mit ihren Denkanstößen zur digitalen Souveränität präsentieren Wolfgang Schroeder und Svenja Falk in ihrem Papier ein positives Leitbild, das die Chancen der digitalen Transformation hervorhebt. In der Debatte mit Franziska Brantner zeigte sich einerseits, wie weit der Weg zu europäischer Souveränität im Digitalbereich noch ist. Zugleich wurden viele Positivbeispiele diskutiert und man war sich einig – die digitale Transformation kann nur mit demokratischer Einbettung gelingen.
Digitalpolitik als demokratische Praxis
Wolfgang Schroeder forderte, Bürger:innen als Citoyens zu begreifen, die eigene Entscheidungen treffen und Digitalisierung auch im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt gestalten können. Denn dieser ist etwa durch Polarisierung und Desinformation auf Social Media gefährdet. Es gelte, kritisches Denken und Medienkompetenzen im Bildungssystem zu verankern und zu befähigen, die vielen Möglichkeiten des digitalen Wandels zu nutzen.
Es geht darum, die wirtschaftlich-technologische Verengung der Digitalisierungsdebatte zu überwinden.
Wolfgang Schroeder
Franziska Brantner machte deutlich, dass Europa zugleich zum Schutz des demokratischen Diskurses internationale Standards für die konsequente Regulierung von Social Media Plattformen setzen muss. Mit der vorläufigen Einigung zum Digital Services Act wurden dabei wichtige Schritte gemacht.
Teil des Schutzes der Demokratie ist die Regulierung der Digitalisierung.
Franziska Brantner
Sie verwies dabei auch auf die zentrale Rolle von Schule und Ausbildung, um als Bürger:in nicht nur Daten zu liefern, sondern diese auch selbst nutzen zu können. Ein Ausgangspunkt ist der Digitalpakt Schule, der digitale Lernplattformen und Kompetenzzentren für digitales Unterrichten fördert.
Europa kann mehr als nur Regulierung
Bei der Diskussion zu Europas digitalpolitischer Rolle betonte Franziska Brantner, dass die EU sich nicht allein auf Regulierung konzentrieren dürfe. Digitale Innovation in Europa sei wichtig, um nicht abgehängt zu werden und langfristig das technische Know-How zur Steuerung der Digitalisierung zu erhalten.
Svenja Falk betonte die Schlüsselposition Europas im Digitalbereich. Deutschland sei “Ausrüster der Welt” bei Hard- und Software für die Industrie. Wettbewerbsvorteile bei der vernetzten, datenbasierten Steuerung industrieller Abläufe sollten nach Svenja Falk gezielt ausgebaut werden.
Die ganzen Konzepte zu Industrie 4.0 kommen aus Deutschland.
Svenja Falk
Franziska Brantner verwies zudem auf die Rolle von Konsortien, die gemeinsam Großprojekte stemmen und damit auch mit chinesischen oder US-Technologieriesen konkurrieren können.
Eine Vision des digitalen Aufbruchs
Abgerundet wurde die Debatte mit einer hoffnungsvollen Vision für ein digitales Europa im Jahr 2025: Ein breiter gesellschaftlicher Dialog führt zu einem gemeinsamen positiven Leitbild und einem klaren Wertegerüst für die Digitalisierung. Kurzum, die Kombination von Bildung und digitalen Rechten ermöglicht individuelle Souveränität über die eigenen Daten. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur garantiert schnelles Internet für alle, auch auf dem Land. Und eine Landschaft von miteinander vernetzten Datenräumen ist entstanden.
Alle diese Bestandteile eines digital souveränen Europas sind bereits im Entstehen – nun geht es an die Umsetzung.