Warum Armin Laschet als Kanzlerkandidat der Union gescheitert ist

Laschet war ein Kandidat ohne Kanzlerformat

Unter Armin Laschet als Kanzlerkandidat hat die Union mit 24,6 Prozent der Stimmen eine Erdrutschliederlage erlitten. Nach dem Ende der Ära Merkel ist damit die Union als Hegemonialpartei des bürgerlichen Lagers und als geborene Kanzlerpartei Geschichte. An diesem Epochenbruch trägt Armin Laschet eine Mitschuld, aber auch die Kanzlerin.

Armin Laschet und mit ihm die Union ist der eindeutige Verlierer der Bundestagswahlen 2021. Was sind die Gründe dafür – war Laschet schlichtweg der falsche Kandidat? Konnte er im Personalplebiszit gegen einen starken SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz einfach nicht reüssieren? Oder sind weitere Ursachen heranzuziehen, die erklären, warum die Kanzlerkandidatur von Laschet in einem Wahldesaster für die Union endete?

Ein vielleicht naheliegender Erklärungsstrang ist von vorneherein auszuschließen. Folgt man nämlich dem Umfragetrend, ist Laschet nicht der Kanzlerkandidat, der nach einem fulminanten Aufstieg in nicht minder rasanter Talfahrt wieder abstürzt (dieser Verlauf entspricht eher dem Popularitätszyklus von Annalena Baerbock). Laschet hat es auf Bundesebene nie auf die vorderen Plätze der Spitzenpolitiker:innen gebracht. In Sachen Sympathie, Kompetenz und Überzeugungskraft blieben seine Umfragewerte chronisch inakzeptabel. Seine miserablen Umfragewerte wollten sich nach Ablauf von drei abendfüllenden TV-Triellen nicht zum Besseren wenden – im Gegenteil: Eine Woche vor den Wahlen bildete er beim Top-Ten-Ranking des Politbarometers das Schlusslicht. Ohne je abzuheben ist also der CDU-Vorsitzende und CDU/CSU-Kanzlerkandidat regelrecht am Boden hängen geblieben. Sein chronisches Popularitätsdefizit muss also vom grundsätzlich fehlenden Auftrieb und Rückenwind seiner Kanzlerkandidatur erklärt werden. Warum kam er aber aus seinem Popularitätstief nicht heraus? Verfügte er für die Nachfolge von Angela Merkel nicht über genügend Eignung? Kurzum, wie lässt sich seine nicht zünden wollende Kandidaten-Performanz erklären?

Wer ist Armin Laschet?

Armin Laschet ist zunächst ein mit allen Wassern gewaschener, robuster Machtpolitiker, der Kanzler werden wollte. Hierfür braucht ein Aspirant erkennbare Leadership-Qualitäten. Der Aspirant wird auf den Schild des Kanzlerkandidaten gehoben, weil er mit seiner Kompetenz und seiner persönlichen Ausstrahlung aus der Masse der Gefolgsleute hervorragt und elektoral Zugkraft entwickelt. Hieran gemessen verfügt Laschet über die Popularität als NRW-Regierungschef, und sein jovialer, leutseliger rheinländischer Habitus lässt ihn zu einem sympathischen Unionsspitzenmann werden. Als Führungsperson wird Armin Laschet, anders als Olaf Scholz, kein herrisches und selbstgerechtes Gehabe nachgesagt. Wenn er mal attackiert, echauffiert er sich und kanzelt nicht von oben herab ab. Gegen ihn gerichtete Angriffe lässt er abperlen. Ihm geht ein offen zur Schau getragenes Machtexzentrik und Kampfgeist ab, was Zweifel aufkommen lässt, ob er überhaupt ein aus „hartem Holz geschnitzter Siegertyp“ ist.

Die Gründe hierfür sind nicht in seiner Persönlichkeit allein zu suchen, sondern in Umständen, die ihm zum Schaden gereichten. Denn, wo immer er auch zu einem Karrieresprung ansetzte, stellten sich ihm innerparteilich politische Konkurrenten in den Weg, denen er sich erwehren musste. 2010 verlor er sogar den Kampf um den NRW-Parteivorsitz per Mitgliederentscheid gegen seinen ewigen Rivalen Nobert Röttgen. 2012 fiel ihm der Vorsitz der NRW-CDU allein deshalb zu, weil Röttgen ihm nach seinem Scheitern als Ministerpräsidenten-Kandidat frei machte. Wider Erwarten schlug Laschet dann jedoch bei der darauffolgenden Landtagswahl 2017 die populäre SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft aus dem Feld und wurde Chef einer CDU-FDP-Landesregierung in NRW.

Laschet im Feuer der innerparteilichen Machtkämpfe

Von seiner Ämterfülle her verfügte Laschet zweifelsohne über das politische Gewicht, um sich 2020 nach der überraschenden Abdankung von Annegret Kramp-Karrenbauer aussichtsreich um die Nachfolge als CDU-Parteivorsitzender zu bewerben. Mit seiner Bewerbung wurde er jedoch auch in der Bundespolitik in destruktiver Weise von innerparteilichen Gegenspielern in massive Personalquerelen hineingezogen. So stellten sich Armin Laschet beim Kampf um den CDU-Parteivorsitz Friedrich Merz und Norbert Röttgen in den Weg, so dass sich der Diadochenkampf elend lang bis zum Januar 2021 hinzog. Vor allen Dingen wurde Friedrich Merz als Vertreter des konservativen und wirtschaftsliberalen Flügels der Partei Laschet zur ernsthaften Gefahr.

Umfragen und der Medientenor wiesen Friedrich Merz als Favoriten des Kandidatenwettbewerbs aus, während sich über diese Zeit das Image von Laschet als Vertreter des „politischen Mittelmaßes“ verfestigte. Bei der Online-Mitgliederabstimmung im Januar 2021 konnte sich Laschet erst im zweiten Stichwahlgang gegen Merz knapp mit 52,6 Prozent durchsetzen. Laschet versuchte zunächst seinen unterlegenen Rivalen Merz in der Parteispitze einzubinden, was Merz jedoch lautstark verweigerte. Maßlos wollte dieser seine Niederlage durch einen exekutiven Spitzenposten kompensiert haben. Dadurch, dass Merz nicht bereit war unter Laschet ins Glied zu treten, blieb er ihm als Störenfried erhalten. Zwar hat Merz dann als wirtschaftspolitischer Kompetenzträger an der Seite von Laschet sein Störfeuer irgendwann eingestellt. Doch seine länger öffentlich zelebrierte Illoyalität trug maßgeblich dazu bei, die Autorität von Laschet als „Commander in Chief“ zu untergraben.

Bei dem anschließenden innerparteilichen Ausscheidungskampf um die CDU/CSU-Kanzlerkandidatur im April 2021 wiederholte sich das für Laschet missliche Spiel, weil ihm jetzt der populäre CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder die Stirn bot. Bekanntlich setzte sich Laschet erst in einem dramatischen Kräfteringen mit Hilfe eines umstrittenen Gremienbeschlusses der CDU-Parteispitze gegen seinen Herausforderer Söder durch. Laschet ging nicht als strahlender Sieger aus einer innerparteilichen Feldschlacht hervor, sondern obsiegte, indem Wolfgang Schäuble als „alter CDU-Haudegen“ in einer nächtlichen Überrumpelungsaktion den Vorsitzenden der kleineren Schwesterpartei, Söder, ausbootete.

Laschet fehlt es an robusten Leadership-Qualitäten. Dies ist nicht losgelöst davon zu sehen, wie er sich nach oben gearbeitet hat.

Laschet fiel dadurch die Kanzlerkandidatur ohne Ausscheidungskampf zu und damit ohne seinen Rivalen Söder aus eigener überlegener Kraft niedergerungen zu haben. Diese dubiose Kandidatenkür sollte an ihm wie ein Kainsmal haften bleiben. Söder rächte sich mit seinen Anhängern mit aggressiven Attacken gegen Laschet und sprach ihm unverblümt die Kanzlereignung ab. Im Einklang mit großen Teilen der CDU, den Medien und der Wähler:innenschaft sah sich Söder als zweifelslos populärerer und zugkräftigerer Kanzlerkandidat um seine Chancen gebracht. Erst nachdem die CSU sich selbst in den Abwärtssog der CDU mit hineingezogen sah und sie mit 28 Prozent Zustimmung gesamtdeutsch unter die Fünf-Prozent-Hürde absackte, riss Söder auf dem CSU-Parteitag vom 12. bis 13. September das Ruder herum und bot dem nun kämpferisch auftretenden Gastredner Laschet eine Claqueurer-Kulisse. Erst jetzt ließ Söder davon ab, das Renommee von Laschet als CDU/CSU-Kanzlerkandidat herablassend und abwertend zu beschädigen. Doch da war es zu spät.

Dass es Laschet an robusten Leadership-Qualitäten fehlt, ist also nicht losgelöst davon zu sehen, wie er sich nach oben gearbeitet hat. Es geht um einen Weg, der von Siegen gepflastert ist, die jedoch wie halbe Niederlagen an ihm haften. Gerade aus den eigenen Reihen wurde öffentlich der Eindruck geweckt, dass Laschet dem Kanzleramt nicht gewachsen sei und Friedrich Merz bzw. vor allen Dingen Markus Söder hierfür besser prädestiniert seien. Merz und Söder übten sich dabei nicht gerade in Fair Play. Sie wirkten nicht zuletzt aus Missgunst und egomanischem Ehrgeiz daran mit, die Kanzlerkandidatur von Laschet zu desavouieren. Um dem etwas entgegenzusetzen und als starker Parteiführer aufzutreten fehlte Laschet offenkundig die Machtbasis.

Wie Laschet letztlich an sich selbst scheiterte

Nun bringt Armin Laschet eigentlich als CDU-Parteivorsitzender und NRW-Regierungschef das Rüstzeug mit, um mit diesem Amtsbonus als Kanzlerkandidat genügend Eignung als würdiger Nachfolger von Angela Merkel zugesprochen zu bekommen. Er selbst trug zu seinem Popularitätsverfall jedoch bei, indem er es bei der Bewältigung der Corona-Pandemie und der Unwetterkatastrophe im Juli 2021 an umsichtiger und zupackender Amtsführung als NRW-Ministerpräsident vermissen ließ. Seine Reputation als Kanzlerkandidat ging durch den unentschuldbaren Lacher bei einer Trauerrede von Bundespräsident Steinmeier für die Opfer der Flutkatastrophe im Juni 2021 vollends zu Bruch und verfestigten sein Versager-Image.

Am Scheitern der Kanzlerkandidatur von Laschet trägt aber auch die Kanzlerin Mitschuld. Ihre unverkennbare Aversion, ihn als würdigen Nachfolger und Lordsiegelbewahrer ihrer Ära symbolisch zu inthronisieren, schlug sich für ihn in ein eminentes Reputationsproblem nieder. Kurzum verweigert Merkel ihrem potentiellen Nachfolger die Gunst des Ritterschlags, aus der er als auserkorener Thronprätendent politisches Kapital hätte schlagen können. Erst kurz vor dem Absturz in die Opposition stehend, bequemte sich die Kanzlerin doch noch dazu, ihm punktuell Wahlkampfunterstützung zu leisten. Es bleibt aber für Laschet bei einem dosierten, nicht nachvollziehbaren Maß an kaltherziger Solidarität, die ihm von der Kanzlerin und den den Parteioberen der Union entgegengebracht wurde.

Laschet war ein Kandidat ohne Kanzlerformat.

Bei Armin Laschet kommt erkennbar Einiges zusammen, was ihm das Unternehmen Kanzlerkandidatur vermasselte. Zwar trug er als wahlkämpfender Kanzler in spe bereits die Kapitänsmütze auf dem Kopf. Doch wurde ihm nicht wirklich zugetraut, das Staatsschiff durch stürmische See zu lenken. Im Umgang mit der Coronakrise und der Unwetterkatastrophe verfestigte er selbst dieses Urteil. Noch dazu ging es unter der Offizier-Crew an Bord zu wie bei der Meuterei auf der Bounty. Die Kanzlerin ging derweil von Bord und tat so, als wäre der Wachwechsel zugunsten des CDU/CSU-Kandidaten nicht ihre ureigene Sache.

So blieb Laschet im Wahlkampf ein Kandidat ohne Kanzlerformat und letztlich ohne Erfolg, da sein Eignungsanspruch mit der Schmach eines glanzlosen Siegertyps und der einer inakzeptablen Amtsträgerperformanz dahin ging. Lang vorenthaltene Unterstützung durch Friedrich Merz und durch Kanzlerin Merkel sowie das Kandidaten-Bashing durch den Racheengel Söder nahmen Laschet die Chance, sich als respektabler und unangefochtener Kanzlerkandidat der Union zu entfalten. Die Union trat entgegen ihrem ausgeprägten Machtinstinkt und gegen vielfältige innere Widerstände mit einem Nachfolgekandidaten der Kanzlerin an, den sie von Anfang an mit Zweifeln an seiner Eignung bedachte – und sich ihm gleichzeitig auslieferte.

Autor

Elmar Wiesendahl

Agentur für Politische Strategie
Elmar Wiesendahl beschäftigt sich seit 2010 als Mitgesellschafter der Agentur für Politische Strategie (APOS) mit Fragen der Strategiebefähigung von politischen Parteien und der Verbesserung von Strategiebildungsprozessen unter den Bedingungen wachsender Wettbewerbsintensität.

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