Querdenker:innen glauben grundlegend anderen Informationen

Menschen im Milieu von Querdenken bewerten die Glaubwürdigkeit von Informationen grundlegend anders, zeigt die Studie vom Progressiven Zentrum gemeinsam mit der Uni Konstanz.

Zusammenfassung

Menschen aus dem Milieu in und um die Querdenken-Szene bewerten die Glaubwürdigkeit von journalistischen Texten grundlegend anders als die Mehrheitsgesellschaft. Befragte aus dem Querdenken-Milieu bewerteten diejenigen Texte als am glaubwürdigsten, denen Befragte aus der Merheitsgesellschaft am wenigsten Glauben schenkten. Zudem spielten Qualitätskriterien wie Quellenangaben im Umfeld der Querdenker bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Textes eine deutlich geringere Rolle.

Die Autor:innen der Studie sehen das Ergebnis als deutliches Signal, dass zwischen Querdenken-Milieu und Mehrheitsgesellschaft eine erhebliche Polarisierung vorliegt, die allein durch die Bereitstellung qualitativer Informationen nicht überwunden werden kann.

Variierende Textbausteine, variierende Autor:innen

Für die Untersuchung wurde Teilnehmer:innen ein fiktiver Medieninhalt präsentiert, in dem es um die Gefahrenbewertung der Omikron-Variante des Coronavirus ging. Für das Experiment wurden Textbausteine neu variiert und so unterschiedliche Aussagen erzeugt. Die Leseproben wurden zudem mit variierender Autorenschaft und Datengrundlage vorgelegt. So wurde der Eindruck vermittelt, unterschiedliche Text stammten entweder von einem Blog, seien von Journalist:innen, oder Professor:innen verfasst worden.

Studienteilnehmer:innen, die der Mehrheitsgesellschaft zugeordnet wurden, bewerteten dabei Textbeispiele, die ihrer eigenen Ideologie entsprechen, mit Werten um 7 auf einer Skala von 1 bis 10 am glaubwürdigsten. Mittelstark ideologisch aufgeladene Texte landeten knapp darunter. Texte mit einer ausgeprägten Nähe zum Querdenken-Milieu wurden mit Werten um 4 als am deutlichsten unglaubwürdig bewertet. Die Einschätzung der Glaubwürdigkeit durch Studienteilnehmer:innen der Mehrheitsgesellschaft hing also stark von der Nähe zur eigenen Ideologie ab. Bei der Autorenschaft zeigten sich hinsichtlich der Glaubwürdigkeit nur wenig Unterschiede. Einen kleinen Schub erhielten Texte, die nah an der eigenen Ideologie liegen und von einem Professor oder einer Professorin verfasst wurden. 

Übliche Qualitätskriterien kaum relevant

Bei Studienteilnehmer:innen, die dem Querdenken-Mileu zugeordnet wurden, war das Bild genau umgekehrt. Sie bewerteten Texte, die ihrer Ideologie am nächsten stehen als am glaubwürdigsten. Texte, die Gefahren betonten, die von dem Virus ausgehen, sowie die Wirkung von Masken und Impfungen auf das Infektionsgeschehen positiv darstellten, wurden auf der Glaubwürdigkeitsskala ganz unten eingeordnet. 

Bemerkenswert im Milieu der Querdenker:innen ist, dass übliche Qualitätskriterien eines Textes für die Einschätzung der Glaubwürdigkeit kaum relevant waren. So wurden Beiträge ohne Nennung von Quellen teils deutlich höher bewertet als solche, die eine Studie oder gar eine Studie mit konkreten Zahlen nannten. Auch bezüglich der Autor:innenschaft zeigte sich ein uneinheitliches Muster bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit. So wurden ideologisch passende Texte von Professor:innen zwar höher als jene von Journalist:innen und Blogger:innen eingeordnet. Bei ideologiefernen Texten jedoch wurden Beiträge von Professor:innen als am unglaubwürdigsten eingeordnet, sogar niedriger als Texte von Blogger:innen.

An der Umfrage nahmen im April 2022 deutschlandweit 1.178 Personen teil. Für die Auswertung wurden die Befragten anhand mehrerer Fragen in die Kategorien “Querdenken-nah” und “Mehrheitsgesellschaft” aufgeteilt.


Autoren

Dr. Sandra Walzenbach ist Postdoktorandin am Fachbereich Soziologie der Universität Konstanz. Ihre Forschungsinteressen gelten den Methoden der Empirischen Sozialforschung und der Befragungsmethodologie – insbesondere Befragungsexperimenten zu heiklen Fragen und sozialer Erwünschtheit – sowie den Einflüssen der Interviewer*innen und verschiedener Befragungstechniken auf die Ergebnisse solcher Studien.
Prof. Dr. Thomas Hinz ist Professor für Empirische Sozialforschung mit Schwerpunkt Surveyforschung an der Universität Konstanz und Principal Investigator am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“. Er beschäftigt sich in seiner Forschung mit Befragungsexperimenten, Arbeitsmarktsoziologie, Sozialstrukturanalyse sowie Organisations- und Wirtschaftssoziologie.

Dieses Policy Paper wurde in Kooperation mit dem Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ der Universität Konstanz  veröffentlicht.

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