Die heilige Kuh des deutschen Steuerrechts

Wie sich das verzerrte Bild von der Entfernungspauschale korrigieren ließe

Zusammenfassung

Die Entfernungspauschale ist beliebt als Instrument zur Senkung der eigenen Steuerlast. Dabei ist sie doppelt problematisch: Sie verstärkt die Verteilungsungleichheit und wirkt sich negativ auf Umwelt und Klima aus. Die Studie zeigt, dass diese Zusammenhänge häufig nicht richtig wahrgenommen werden. Erhalten Bürger:innen jedoch Informationen über die Verteilungs- und Umweltwirkungen, so erhöht dies ihre Zustimmung zu Vorschlägen für eine Reform der Pauschale. Eine solche Wahrnehmungskorrektur könnte ein Hebel sein, um die Unterstützung für Reformen zu erhöhen und die Entfernungspauschale sozial wie ökologisch nachhaltiger zu gestalten.

Wahrnehmungen: Wem nützt die Entfernungspauschale?

Im Rahmen der Studie wurde die Wahrnehmung der Auswirkungen der Pendlerpauschale in der Bevölkerung erhoben. Dabei zeigte sich, dass die Befragten recht unsicher sind hinsichtlich der Verteilungswirkungen. Eine Mehrheit rechnet sogar mit steigender Ungleichheit bei Abschaffung der Pauschale. Bezüglich der ökologischen Auswirkungen der Pendlerpauschale scheint es kein klares Meinungsbild in der Bevölkerung zu geben, nur eine Minderheit ist jedoch der Überzeugung, dass die Abschaffung positive Folgen für die Umwelt hätte. (Siehe Abb. 1)

Wie Informationen über die Wirkungen der Entfernungspauschale die Zustimmung zu einer Reform beeinflussen

In einem Experiment mit den Befragten wurde geprüft, ob die öffentliche Unterstützung für die aktuelle Regelung der Pendlerpauschale sinkt, wenn in der Bevölkerung ein besseres Verständnis der tatsächlichen Effekte der Pauschale verbreitet wäre. Hierbei zeigt sich, dass die Bereitstellung von bestimmten Informationen einen deutlichen Effekt auf die Zustimmung zu unterschiedlichen Reformoptionen hat. Wenn die Befragten beispielsweise über die Verteilungswirkung der Pendlerpauschale informiert werden, sind sie eher für die Einführung eines einkommensunabhängigen „Mobilitätsgeldes“. Dieser Vorschlag würde die unteren Einkommensklassen im Vergleich zur aktuellen Regelung bevorzugen. Wenn sie gut informiert sind, möchten die Befragten die negativen Auswirkungen der aktuellen Pendlerpauschale auf die Einkommensverteilung also tendenziell umdrehen. Auch Informationen zu den Umweltwirkungen der Pendlerpauschale gehen teilweise mit einer veränderten Einschätzung verschiedener Reformoptionen einher.

Handlungsempfehlungen

Die Informations- und Kommunikationspolitik zu den tatsächlichen Auswirkungen der aktuellen Regelung verbessern.

Die Fehlwahrnehmungen zu den Folgewirkungen der Pauschale können nur dann korrigiert werden, wenn solide Evidenz für die tatsächlichen Wirkungen vorliegt. Insbesondere wäre die Bereitstellung von Informationen zur Verteilungswirkung der Pendlerpauschale ein effektiver Hebel. Gleichzeitig ist – wie andere Studien zeigen – die allgemeine Unterstützung für umverteilende Politik, die auf eine Verringerung der Ungleichheit abzielt, in der Bevölkerung groß.

Den Diskussionsraum für Alternativen zur aktuellen Pendlerpauschale erweitern.

Flankierend zur genannten Informations- und Kommunikationspolitik sollte versucht werden, den Diskussionsraum für mögliche Alternativen zur Pendlerpauschale zu erweitern. Die Ergänzung der Entfernungspauschale durch die sogenannte Mobilitätsprämie, die einige Geringverdiener:innen seit 2021 nutzen können, zeigt, dass die finanzielle Kompensation von berufsbedingter Mobilität Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit stärker berücksichtigen kann. Um den problematischen Wirkungen der Entfernungspauschale effektiv entgegenzuwirken, bedarf es allerdings weiter gehender Reformen.

Autor:innen

Adrian Rinscheid

Universität Konstanz
Dr. Adrian Rinscheid ist Assistenzprofessor für Umweltpolitik an der Radboud University in Nijmegen (Niederlande) und Gastforscher am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz.

Prof. Dr. Marius Busemeyer

Wissenschaftlicher Beirat
Marius R. Busemeyer ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Vergleichende Politische Ökonomie an der Universität Konstanz und Sprecher des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“.
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Autoren

Adrian Rinscheid

Universität Konstanz

Prof. Dr. Marius Busemeyer

Wissenschaftlicher Beirat

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