Zusammenfassung
Die rassistisch motivierten, mörderischen Anschläge in Hanau vom Februar 2020, die erschütternden Ereignisse von Halle im Herbst 2019, und der Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke im Sommer 2019 zeigen die Dringlichkeit eines Fahrplans im Kampf gegen Rechtspopulismus. Doch die Bundesregierung zögert, ein entsprechendes Demokratiefördergesetz vorzulegen. Ein neues Gutachten von Prof. Dr. Möllers räumt verfassungsrechtliche Unklarheiten aus dem Weg und zeigt, warum eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich ist
Ein Demokratiefördergesetz des Bundes
Aktuell darf der Bund zivilgesellschaftliche Initiativen in der Demokratiearbeit nicht dauerhaft fördern, sondern kann lediglich Gelder für explizit innovative Projekte („Leuchtturm- Charakter“) bereitstellen – und dies auch nur befristet. Unzählige zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich in der Demokratieförderung engagieren, können deshalb nicht langfristig planen. Bei den im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien und in der organisierten Zivilgesellschaft hat sich mehrheitlich die Position durchgesetzt, dass strukturelle Verbesserungen überfällig sind. Das vorliegende Gutachten untersucht einer der profiliertesten Verfassungsrechtler des Landes, Prof. Dr. Möllers, wie ein entsprechendes Demokratie verfassungskonform auf Bundesebene ausgestaltet werden kann. In dem Gutachten heißt es: “Auch der Bund muss verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht hilflos gegenüberstehen, sondern darf sich daran beteiligen, schon deren Entstehung zu verhindern.”
Gutachten identifiziert Gesetzgebungskompetenz auf Bundesebene
Bislang beziehen sich die Befürworter eines Demokratiefördergesetzes vor allem auf ein vor einigen Jahren erstelltes Rechtsgutachten von Prof. Dr. Ulrich Battis im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Prof. Dr. Christoph Möllers schließt daran an, kommt aber bei der verfassungsrechtlichen Herleitung der Bundeskompetenz zu dem Ergebnis, dass sich die Kompetenz des Bundes weniger aus der „Staatsleitungsfunktion“ des Bundes oder der „Natur der Sache“ ergibt, als vielmehr aus der Gesetzgebungskompetenz für die „öffentliche Fürsorge“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 Grundgesetz).
Dies scheint der Bewertung von Prof. Möllers zufolge nach eine gangbare, wenn nicht die verfassungsrechtliche Lösungsantwort auf die zu klärende Kompetenzfrage zu sein. Möllers schlussfolgert unter anderem, dass dem Bund mit dem Erlass eines Demokratiefördergesetzes auch eine entsprechende Aufgabenkompetenz zusteht, die nicht auf die Förderung von Modellprojekten beschränkt sein muss.
Echo auf das Demokratiefördergesetz-Gutachten
Bernhard Wessels ist kommissarischer Direktor der Abteilung „Demokratie und Demokratisierung“ am WZB und Professor für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. In seiner Bewertung hält er fest, dass „das Gutachten von Prof. Möllers eine neue verfassungsrechtliche Perspektive in die Diskussion bringt: die Erhaltung der Demokratie als Fürsorgepflicht des Staates.“
Die Journalistin Swaantje Marten stellt in der F.A.Z. die Frage: „Darf der Bund die deutsche Demokratie fördern?“ und fasst im Artikel die Debatte um das Demokratiefördergesetz zusammen. Dabei geht sie auch auf die Kernergebnisse des Gutachtens ein.
Unter dem Titel „SPD will mehr Demokratie – per Gesetz“ legt Ann-Katrin Müller im SPIEGEL den aktuellen, politischen Diskurs um ein Demokratiefördergesetz dar und verweist auf das Gutachten von Prof. Möllers.
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