Wie kann angesichts von Krisen und Konflikten die gerechte Transformation gelingen? Und wie kann unsere Gesellschaft mit Fortschritt aus der Krise herausfinden? Fragen, mit denen sich beim politischen Symposium des Progressiven Zentrums am Dienstagabend hochrangige Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft beschäftigen. Wie aber denkt die deutsche Bevölkerung? Welchen Effekt könnten Krieg und Krisen auf den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft haben? Und welche Hoffnungen werden mit dem Begriff der “Zeitenwende” verknüpft? Antworten liefert eine repräsentative Umfrage von Civey im Auftrag des Progressiven Zentrums.
Die Mehrheit der Deutschen ist überzeugt, dass die aktuellen Krisen und Konflikte die Transformation der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft hin zur Klimaneutralität bremsen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Berliner Think Tanks Das Progressive Zentrum. Demnach glauben 51,2 Prozent der Befragten, dass der Krieg in der Ukraine, Versorgungskrise und Inflation den Übergang zu einer klimaneutralen Gesellschaft behindern. Davon, dass Krisen und Konflikte den klimagerechten Umbau “stark” bremsen, sind sogar 43,3 Prozent überzeugt. Nur 21,8 Prozent glauben, dass die politische Großwetterlage diese Prozesse beschleunigen könne.
In den Bundesländern im Osten ist diese Meinung stärker ausgeprägt. Dort glauben 56 Prozent an eine bremsende Wirkung. Im Westen liegt der Wert mit 49,9 Prozent etwas niedriger. Den größten Optimismus hinsichtlich der Wirkung von Krisen und Konflikten auf die klimaneutrale Transformation der Gesellschaft haben in absteigender Reihenfolge Wähler:innen der Grünen (42,3 Prozent glauben an eine beschleunigende Wirkung), gefolgt von SPD (28,4), CDU/CSU (16,5), FDP (15,1) und Linke (14,0). Nur 8 Prozent der Wähler:innen der AfD glauben an eine beschleunigende Wirkung. Den größten Anteil von Befragten, die angaben, dass sie an eine bremsende Wirkung glauben, gibt es allerdings im Lager der FDP (62,1 Prozent). Dies erklärt sich durch die weiteren Antwortmöglichkeiten (“teils, teils” / “weiß nicht”).
„Zeitenwende“ weckt im Osten weniger Hoffnung
Ein weiterer Aspekt der Umfrage fragte nach Hoffnungen, die die Bevölkerung mit der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine verbinde (Mehrfachantworten möglich). Die Mehrheit der Deutschen erhofft sich demnach, dass die Abhängigkeit von Russland verringert wird (41,4 Prozent). Angaben, die darauf folgen, sind “Stärkung der Verteidigung / des Militärs” (28,9), “Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren” (27,1), “Stärkeres Zusammenwachsen Europas” (26,0) und “Abhängigkeit von China verringern” (25,9). Nur bei 14,7 Prozent der Befragten löst die “Zeitenwende” die Hoffnung aus, die Kluft zwischen Arm und Reich könne verringert werden. 32,3 Prozent gaben an, dass die “Zeitenwende” bei ihnen keine auf der Liste genannte Hoffnung auslöse.
Auch bei dieser Frage ist das unterschiedliche Antwortverhalten in Ost und West bemerkenswert. So haben im Osten nur 21,3 Prozent der Befragten die Hoffnung, dass die Abhängigkeit zu Russland verringert werden könne. Im Westen sind es 47,1 Prozent. Abweichungen gibt es ebenfalls bei dem Verhältnis zu China. Im Westen wünschen sich 30 Prozent mehr Unabhängigkeit von Peking, im Osten nur 11,3 Prozent. Im Westen wünschen sich 30,4 Prozent mehr Investitionen in Erneuerbare Energien, im Osten liegt der Wert bei nur bei 15,5 Prozent. Starke Unterschiede gibt es auch in den Parteilagern. Dass sich die Abhängigkeit von Russland verringere, erhoffen sich bei den Grünen etwa 67,8 Prozent, bei der SPD 56,7 Prozent, bei der FDP 53,8 Prozent und bei der CDU/CSU 39,3 Prozent. Bei Wähler:innen der Linken liegt der Wert bei nur 21,8 Prozent, bei denen der AfD gar nur bei 10,5 Prozent.
Für die Erhebung im Auftrag des Progressiven Zentrums befragte das Meinungsforschungsinstitut Civey im Zeitraum zwischen dem 9. und 10. September 2500 Menschen ab 18 Jahren in Deutschland.