500 Milliarden Euro zur Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik, weitreichende Möglichkeiten zur Steigerung der Verteidigungsausgaben jenseits der Schuldenbremse und ein zusätzlicher Verschuldungsspielraum für die Bundesländer in Höhe von 0,35 Prozent: Dies haben Union und SPD bereits vor den Koalitionsverhandlungen und der Regierungsbildung, noch mit den alten Mehrheiten im Bundestag, beschlossen. Eine weitergehende Modernisierung der Schuldenbremse zur dauerhaften Stärkung von Investitionen soll auf Basis der Empfehlungen einer Expertenkommission im neuen Bundestag bis Ende 2025 beschlossen werden.
Über die Bewertung der Vorschläge und darüber, wie kurzfristige Maßnahmen zur Steigerung der Investitionen mit der langfristigen Modernisierung der Schuldenbremse kombiniert werden können, haben wir am 7. März 2025 mit führenden Ökonom:innen diskutiert. Einführende Impulse zu den Implikationen der überraschenden Einigung von Union und SPD, ein Sondervermögen für Infrastruktur zu schaffen und Verteidigungsausgaben über 1 Prozent des BIP von der Schuldenbremse auszunehmen, gaben der saarländische Finanzminister Jakob von Weizsäcker und sein baden-württembergischer Kollege Danyal Bayaz.
Zielgenauigkeit, Geschwindigkeit und Zuversicht
Breite Einigkeit herrschte unter den Diskutant:innen über die Dimension der anstehenden Herausforderungen in der kommenden Legislaturperiode und darüber hinaus – innenpolitisch etwa bei Sozialversicherungen, Fachkräftemangel und Verwaltungsmodernisierung, außenpolitisch in der Europa- und Verteidigungspolitik. Mit dem neuen Sondervermögen und dem Aussetzen der Schuldenbremse adressiere der Bund zentrale Strukturprobleme mit nennenswerten finanziellen Mitteln und schaffe angemessene haushalterische Möglichkeiten, auf eine völlig neue geopolitische Lage zu reagieren. Abzuwarten bleibt den Teilnehmer:innen der Veranstaltung zufolge jedoch, ob die neuen fiskalischen Spielräume auch durch ausreichende Prioritätensetzung optimal genutzt werden können, da die Projekte der neuen Bundesregierung erst noch detailliert werden müssen. Hier wurden Zweifel angemeldet.
Insgesamt müssten die Mittel zielgerichtet und zügig, aber nicht überhastet eingesetzt werden, um Wirkung zu entfalten und inflationäre Effekte zu vermeiden. Dies sei jedoch keineswegs trivial, da der Druck auf konsumtive Ausgaben steigen werde. Um echte Superadditionalität zu erreichen – also einen echten Mehrwert anstatt bloßer Umverteilungen –, dürfe es nicht zu bloßen Zuschichtungen im Kernhaushalt kommen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass durch die neuen Mittel lediglich bestehende Verpflichtungen finanziert werden, anstatt neue Impulse zu setzen. Solche haushalterischen „Verschiebebahnhöfe“ müssten unbedingt vermieden werden.
Herausforderungen bei der Mittelverteilung, Klimafokus und Verteidigungsausgaben
Nach Einschätzung der Teilnehmenden besteht das Risiko von Preissteigerungen durch ein überstürztes Vorgehen. Die größere Gefahr liege jedoch nicht in einer inflationsbedingten Überhitzung, sondern vielmehr in einer zu langsamen Umsetzung, die dringend notwendige Effekte verpuffen ließe. Ein Teilnehmer äußerte zudem die Enttäuschung, dass die Länder nur 20 Prozent der zusätzlichen Mittel erhalten sollen, was nicht die reale Verteilung von Investitionen und Bedarfen zwischen Bund, Ländern und Kommunen widerspiegele. Wichtig sei insbesondere die stärkere Einbindung der Kommunen, auf deren Umsetzungskompetenz es nun besonders ankäme.
Kritisiert wurde die geringe klimapolitische Orientierung der Vorschläge. Die Ausgaben müssten auch Klima- und Sozialzielen dienen – insbesondere im Hinblick auf die angestrebte und verfassungsrechtlich gebotene Klimaneutralität bis 2045. Auch die neue Regelung zur Verteidigungsausnahme wurde langfristig kritisch gesehen, da die Kosten für die Instandhaltung neu angeschaffter Rüstungsgüter eine langfristige und schwer kalkulierbare Belastung des Haushalts mit sich brächten, ohne nennenswerte Effekte auf Wachstum und Beschäftigung zu entfalten.
Fazit und Ausblick
Insgesamt sahen die Teilnehmenden große Chancen für die neue Bundesregierung, mit Blick auf die bereits vor den Koalitionsverhandlungen und der Regierungsbildung verabschiedeten Finanzpakete, sowohl Wachstum als auch soziale Entlastung zu fördern – mit einer möglichen politischen Stabilisierung. Wirkungen für die Bevölkerung werden jedoch erst ab 2026 spürbar sein.
Wichtig sei nun ein breiter gesellschaftlicher Wille zur Veränderung – getragen von Regierung, Opposition und Verbänden. Letztlich gehe es auch um ein Signal der Zuversicht: Zusätzlichkeit, Zielgenauigkeit und eine angemessene Zügigkeit seien entscheidend, um mit den neuen finanziellen Spielräumen echten Fortschritt zu erzielen.