Staatsmodernisierung 2025 ff.: Neues Kapitel im Verhältnis zwischen Staat und Bürger:innen?

Zum Auftakt einer Eventstrecke zu “Staatsmodernisierung” und zum Innovations- und Industriestandort Deutschland in der neuen geopolitischen Gesamtlage gaben Markus Richter, Staatssekretär im neuen Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS), sowie Max Neufeind, Leiter Gesellschaftlicher Dialog im Bundeskanzleramt, prägnante Kurzimpulse. Beide machten eindrucksvoll deutlich: Die politische Kontrolle über technologische Entwicklungen gehört zu den zentralen Herausforderungen, denen sich Deutschland und Europa in den kommenden Jahren stellen müssen. Um den gewaltigen geopolitischen Spannungen und Dynamiken geschlossen begegnen zu können, braucht es eine breite, sektorübergreifende Koalition aller relevanten gesellschaftlichen Kräfte.

Wie eine solche Koalition gelingen kann – und welche konkreten Schritte dafür notwendig sind – stand im Zentrum der anschließenden Diskussionsrunde. Dabei sprachen u. a. Brigitte Zypries, Bundesministerin a. D., Henning Tillmann, Mitglied im Beirat Digitalstrategie Deutschland (2021-25), Claudia Straub vom Aufbaustab des Bundesministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung, Timo Graf von Koenigsmarck, Vice President, Head of Public Sector von Capgemini Invent, Judith Klose, Vice President Media bei Civey sowie Antje vom Berg, Projektmanagerin bei der E.ON Stiftung. Die Veranstaltung wurde von Daniela Blaschke, Policy Fellow des Progressiven Zentrums, moderiert.

Wie steht es um die Vertrauenskrise in der Bevölkerung und Digitalisierung?

Das Meinungsforschungsinstitut Civey und die E.ON-Stiftung präsentierten zu Beginn der Session neue Umfragedaten zur Akzeptanz von KI-Systemen und Prinzipien der Digitalisierung. Die Ergebnisse machten eindrücklich deutlich: Die Vertrauenskrise des Staates trübt die Hoffnungen der Bevölkerung auf moderne, digitale Verwaltung tiefgreifend. Zwar setzt ein Großteil der Befragten große Erwartungen in die Digitalisierung staatlicher Leistungen – insbesondere im Hinblick auf schnellere Verfahren, bessere Erreichbarkeit und föderale Vereinheitlichung. Zugleich aber zeigt sich, dass dieses Vertrauen fragil ist: Scheitert der Staat an dieser zentralen Reformaufgabe, droht weiterer Vertrauensverlust – auch in der politischen Mitte.

Ausgehend von dieser Diagnose diskutierten die Teilnehmenden die zukünftige Rolle des Staates und sein Verhältnis zu den Bürger:innen. Dabei wurde deutlich, dass sich die politische Stimmungslage derzeit polarisiert: Einerseits wächst der Zuspruch für populistische und systemkritische Parteien, andererseits gibt es in der politischen Mitte eine neue Bereitschaft, in die Handlungsfähigkeit des Staates zu investieren. Die Entscheidung der Bundesregierung, ein eigenständiges Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS) zu schaffen, wurde von vielen als positives Signal für eine kohärente Reformpolitik gewertet – auch von jenen, die der Zentralisierung des Querschnittsthemas Digitalisierung zunächst kritisch gegenüberstanden.

Leitbilder und Zweck von Staatsmodernisierung

Im Zentrum der Diskussion stand die Frage nach einem tragfähigen Leitbild für die Modernisierung staatlicher Institutionen. Digitalisierung, so der einhellige Tenor, dürfe kein Selbstzweck sein, sondern müsse zu spürbaren Verbesserungen im Alltag führen. Gefordert wurde ein neuer Gestaltungsansatz, der nicht bloß analoge Prozesse digitalisiert, sondern von Anfang an digital denkt – etwa durch dezentrale technische Strukturen, vereinfachte Verfahren und proaktive Verwaltungsangebote. Als Hindernis identifizierten mehrere Diskutant:innen die weitverbreitete „Projektitis“ auf Bundesebene: Statt vieler parallel laufender Einzelinitiativen brauche es eine klare Priorisierung und konsequente Umsetzung – idealerweise über sichtbare Leuchtturmprojekte, die Bürger:innen unmittelbar erreichen.

Die Rolle des BMDS wurde dabei unterschiedlich bewertet. Während einige Stimmen für einen zunächst zurückhaltenden, auf interne Konsolidierung gerichteten Kurs plädierten, forderten andere ein entschlosseneres Auftreten nach außen. Beteiligung sei dabei keine Bremse, sondern Voraussetzung für tragfähige Lösungen – das habe nicht zuletzt das Beispiel der elektronischen Patientenakte gezeigt, deren Probleme auch auf mangelnde gesellschaftliche Einbindung zurückgeführt wurde. Deutlich wurde zudem, dass das Ministerium seine Rolle im föderalen System aktiv klären müsse – ob als Koordinator, Entscheider oder Ermöglicher.

Ausblick

Im Ausblick wurde erneut die zentrale Bedeutung von Vertrauen betont – nicht nur in Technologien, sondern in staatliches Handeln insgesamt. Transparenz, verständliche Regeln, frühe Beteiligung und konkrete Alltagserfahrungen wurden als entscheidende Voraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Transformation genannt. Die Digitalisierung dürfe nicht zu mehr Bürokratie führen, sondern müsse Bürger:innen entlasten – etwa durch automatische Fristenhinweise oder digitale Informationsangebote zu staatlichen Leistungen.

Die abschließenden Statements betonten die Notwendigkeit eines neuen Narrativs: Der Staat müsse als verlässlicher, wirksamer Akteur sichtbar werden – nicht nur durch Deregulierung, sondern durch gestaltende Präsenz im Alltag, etwa im Verbraucherschutz. Die digitale Transformation wurde dabei als Chance begriffen, demokratische Strukturen zu stärken. Im Mittelpunkt standen Bürgernähe, Vertrauen, einfache Kommunikation und praktikable Lösungen. Der Rückzug in ein abgeschottetes Behördenverständnis wurde klar abgelehnt – stattdessen warben die Teilnehmenden für eine kooperative, mutige und transparente Reformagenda, die den digitalen Staat als Partner der Gesellschaft begreift.

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