Konferenzsetting mit Round Table und Publikum

Deutschlands Rolle bei der Gestaltung der technologischen und industriellen Souveränität Europas

Zum Auftakt einer Eventstrecke zu “Staatsmodernisierung” und zum Innovations- und Industriestandort Deutschland in der neuen geopolitischen Gesamtlage gaben Markus Richter, Staatssekretär im neuen Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS), sowie Max Neufeind, Leiter Gesellschaftlicher Dialog im Bundeskanzleramt, prägnante Kurzimpulse. Beide machten eindrucksvoll deutlich: Die politische Kontrolle über technologische Entwicklungen gehört zu den zentralen Herausforderungen, denen sich Deutschland und Europa in den kommenden Jahren stellen müssen. Um den gewaltigen geopolitischen Spannungen und Dynamiken geschlossen begegnen zu können, braucht es eine breite, sektorübergreifende Koalition aller relevanten gesellschaftlichen Kräfte.

Wie eine solche Koalition gelingen kann – und welche konkreten Schritte dafür notwendig sind – stand im Zentrum der anschließenden Diskussionsrunde. Den Auftakt dazu machte Francesca Bria, Innovationsökonomin und Co-Autorin von „EuroStack“, es sprachen zudem Ansgar Baums, Senior Fellow beim Stimson Center, Sicco Lehmann-Brauns, Lead of Digital Policy Germany bei Siemens, Guido Brinkel, Head of Government Affairs bei Microsoft Deutschland, Carmen-Valentina Ciocoi, Director Public Sector Consulting von Capgemini Invent, Stephan Muschick, Geschäftsführer der E.ON Stiftung, Jakob von Weizsäcker, Finanzminister des Saarlandes sowie viele Gäste aus dem Publikum. Die Veranstaltung wurde von Anke Hassel, Professorin für Public Policy an der Hertie School und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats von Das Progressive Zentrum & Co-Direktorin Jaques Delors Centre, moderiert.

Ist der “EuroStack” die Lösung für Europas Abhängigkeit?

Ausgangspunkt der Diskussion war die Diagnose einer wachsenden Verwundbarkeit Europas durch die starke Abhängigkeit bei Cloud-Infrastrukturen, Plattformen oder digitalen Dienstleistungen. Die vor diesem Hintergrund erarbeitete EuroStack-Initiative, die den Aufbau eines europäischen „Digital Stack“ anstrebt, wurde als wichtiger Meilenstein gewürdigt: eine digitale Infrastruktur auf Basis gemeinsamer Standards, souveräner Plattformen und europäischer Werte. Ziel sei es, Europas Handlungsfähigkeit in einer zunehmend fragmentierten digitalen Welt zu sichern, ohne sich von internationalen Partnerschaften abzukoppeln.

Im Zentrum der Debatte standen grundlegende Fragen: (Wie weit) Kann und soll Europa digitale Eigenständigkeit anstreben? Wie lässt sich strategische Souveränität erreichen, ohne in wirtschaftlichen Nationalismus zu verfallen? Und welche Rolle spielen dabei öffentliche Beschaffung, Investitionen und der Binnenmarkt? Während einige Stimmen betonten, dass Europa in zentralen Schlüsseltechnologien wie Halbleitern, Quantentechnologie oder Photonik gezielt aufholen müsse, warnten andere vor einem Übermaß an Autonomiepolitik und damit verbundener negativer Folgen für den Standort. Statt paralleler Strukturen wurde dabei u.a. ein Modell „kontrollierter Interdependenz“ diskutiert, das strategische Partnerschaften fördert, ohne kritische Abhängigkeiten zu ignorieren.

Resilienz in Zeiten geopolitischer Spannungen

Besondere Aufmerksamkeit erhielt auch die sicherheitspolitische Dimension digitaler Souveränität: Der Aufbau sicherer, eigenständiger Systeme wurde als Voraussetzung für Resilienz in Zeiten geopolitischer Spannungen und zunehmender Digitalisierung kritischer Infrastrukturen gewertet – etwa im Energie- oder Verteidigungsbereich. Gleichzeitig wurde auf die Notwendigkeit klarer regulatorischer Rahmenbedingungen verwiesen, die Rechtssicherheit schaffen und Innovation ermöglichen, auch unter Einbeziehung nicht-europäischer Anbieter. Mehrere Diskutierende mahnten, Souveränität nicht als ideologisches Gegenmodell zur Globalisierung zu verstehen, sondern als strategisch gestaltbaren Rahmen für Wettbewerbsfähigkeit und demokratische Kontrolle.

Ausblick

Im Ausblick wurde deutlich: Europa steht unter Handlungsdruck. Zwar gibt es politisches Interesse und industriellen Ehrgeiz, doch vielerorts dominiert noch Zurückhaltung – insbesondere in der öffentlichen Debatte. Angesichts der dominanten Marktstellung außereuropäischer Anbieter sei eine strategisch ausgerichtete öffentliche Nachfrage – etwa nach souveränen Cloud-Diensten – entscheidend, um privaten Investitionen den Weg zu ebnen. Beispiele wie die europäische Gigafactory-Strategie zeigen, dass industrieller Aufbau und digitale Souveränität miteinander verknüpft werden können. Die Veranstaltung endete mit dem Appell, Europas digitale Infrastruktur nicht länger als nachgelagertes Thema zu behandeln: In einer Welt wachsender Abhängigkeiten ist technologische Souveränität eine Voraussetzung für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, demokratische Resilienz und politische Gestaltungsfähigkeit.

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