Die Alternative für Deutschland (AfD) hat bei der Bundestagswahl 2025 im Vergleich zu 2021 einen erheblichen Stimmenzuwachs erlebt und landete mit insgesamt 20,8 Prozent auf dem zweiten Rang hinter der Union. Die Wähler:innenschaft der Partei ist jünger und weiblicher geworden. Ein Blick auf die Altersgruppen verrät, dass die AfD den größten Stimmenzuwachs unter den 18- bis 24-Jährigen verzeichnen konnte, gefolgt von den 25- bis 34-Jährigen.
Dieses weitere Erstarken der AfD und die Diversifizierung ihrer Wähler:innenschaft sind relevant für die Demokratie, weil die Partei – erst kürzlich durch das Bundesamt für Verfassungsschutz entsprechend eingestuft – bundesweit als rechtsextremistisch gilt und diese Ideologie ihre politischen Ziele leitet. Ein zunehmender politischer Einfluss könnte daher erhebliche Veränderungen für die Bundesrepublik bedeuten und die Demokratie ernsthaft gefährden.
Die Wähler:innenbindung unter AfD-Unterstützenden ist signifikant höher als die anderer Parteien. Das bedeutet: AfD-Wähler:innen können sich in der Regel deutlich seltener als etwa SPD- oder CDU-Wähler:innen vorstellen, auch eine andere Partei zu wählen. Gleichzeitig gilt die Wahlentscheidung junger Menschen als volatil und noch nicht eindeutig festgelegt.
In Anbetracht dessen und des großen Erfolgs der AfD unter jungen Menschen 2025 stellen sich für uns daher folgende Fragen, die wir im Rahmen einer Fokusgruppen-Analyse untersucht haben:
- Warum haben sich viele junge Menschen bei der Bundestagswahl 2025 entschieden, der AfD ihre Stimme zu geben, während sie es bei Wahlen zuvor nicht taten?
- Wie festgelegt sind sie in ihrer Wahlentscheidung?
- Was macht es wahrscheinlicher, oder unwahrscheinlicher, dass diese jungen Wähler:innen zu festgelegten AfD-Wähler:innen werden?
Zusammenfassung
Um den oben genannten Leitfragen nachzugehen, wurden Gespräche in vier moderierten Fokusgruppen mit insgesamt 26 Menschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren geführt. Alle Teilnehmenden haben bei der Bundestagswahl 2025 erstmals der AfD ihre Stimme gegeben und hatten bei vorherigen Wahlen eine andere Partei oder gar nicht gewählt. Wir bezeichnen die Teilnehmer:innen in der vorliegenden Analyse als „die Neuen“.
Die Auswertung der Gespräche erfolgte mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse, die wie folgt zusammengefasst werden kann.
Wahrnehmung der Lage
Die Neuen verbindet ein spezifischer Pessimismus. Einige haben eine idealisierte Vorstellung eines früheren Deutschlands, das in der Welt stets Anerkennung gefunden und ein verlässliches Aufstiegsversprechen für alle Bürger:innen bereitgehalten habe. Andere sind der Meinung, es ginge hier schon seit Jahrzehnten unfair und prekär zu. Während sie sich in ihrer historischen Lesart unterscheiden, so verbindet sie doch die Beurteilung von Gegenwart und Zukunft: Sie nehmen den Zustand des Landes als durch und durch negativ wahr. Spätestens seit der Coronapandemie gebe es Misstrauen in den Staat; die Gesellschaft sehen sie als entzweit. Die Neuen können nichts nennen, was derzeit gut liefe im Land. Sie fühlen sich stark verunsichert in Bezug auf die nahe Zukunftserwartung und orientierungslos im Weltgeschehen.
Werte und Einstellungen
Die politischen Einstellungen der Neuen lassen sich nicht eindeutig auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Während der eigene Lebensentwurf der meisten klassisch-konservativ wirkt, sind viele Neue von progressiven Positionen – zum Beispiel in Bezug auf Energiepolitik oder das Abtreibungsrecht – überzeugt. Das für sie mit Abstand wichtigste Thema ist jedoch Migration, bei dem sie eine deutlich restriktivere Haltung einnehmen – insbesondere in Bezug auf Zuwanderung und Integration. Gefühlte Fairness scheint bei unterschiedlichen Themen ein wichtiger Gradmesser für sie zu sein. Leistung in Form von Arbeit steht im Mittelpunkt ihrer Anerkennungslogik. Die Neuen lehnen Extremismus ab, können aber kaum benennen, was diesen auszeichnet und problematisch macht. Der auch durch den Verfassungsschutz dokumentierte Rechtsextremismus der AfD wird kaum als solcher wahrgenommen oder als lästiger, für die Partei untypischer Einzelfall verstanden. Ihr Blick auf Demokratie ist bei vielen der Neuen durch ein teils naives, teils klar majoritäres Politikverständnis geprägt.
Wortbruch der Alten
Den sogenannten etablierten Parteien wird ein Versagen bei der Gestaltung zentraler Politikfelder vorgeworfen. Erfolge vergangener Regierungen werden kaum anerkannt. Die Neuen haben zwar Respekt vor den historischen Leistungen von Union und SPD, halten die Parteien aber nicht mehr für agil genug, um heute Deutschland zu regieren. Bei den Themen, die sie umtreiben (Migration, sozialer Aufstieg, Rente, Sicherheit) gelten sie gar als „Versprechensbrecher”. Das Nichteinhalten von (Wahl-)Versprechen ist ein zentraler Aspekt der Entfremdung der Neuen von beiden Parteien. Das kurz nach der Wahl noch vom alten Bundestag verabschiedete Sondervermögen für Bundeswehr und Infrastruktur wird als besonders eklatantes Beispiel für diese „Unaufrichtigkeit“ angeführt und insbesondere Friedrich Merz angelastet.
Wechsel durch Sicherheit
Das Wahlverhalten junger Menschen ist volatil. Auch die Neuen sind offen, beim nächsten Mal eine andere Partei zu wählen. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich mit ihrem Blick auf die Gegenwart und starken Wunsch nach Sicherheit in der Zukunft gesehen fühlen. Sie honorieren, was sie als klare, verlässliche Haltungen wahrnehmen, ebenso wie schnelle Kommunikation und hohe Responsivität. Sie wünschen sich Kontakt in Form von Bürgernähe und sichtbare Tatkraft sowie eine gewisse Radikalität im Sinne der staatlichen Handlungsfähigkeit bzw. einen Pragmatismus in der Sache. Wenn die Neuen hingegen den Eindruck gewinnen, dass ihre Stimme für die AfD als Proteststimme wirkt, indem andere Parteien scheinbar unter Druck geraten und deshalb Positionen der AfD übernehmen, fühlen sie sich wahrscheinlich in ihrer Wahlentscheidung bestätigt und würden sich vermutlich erneut für die AfD entscheiden.
Partner
„Wer sind die Neuen? Warum junge Menschen bei der Bundestagswahl 2025 erstmalig AfD gewählt haben. Eine Fokusgruppen-Analyse“ ist eine Veröffentlichung in Kooperation von TTRex, einem Thinktank von Campact, und Das Progressive Zentrum. Die Rekrutierung und Moderation der Fokusgruppen erfolgte über die Agentur für Wahl- und Meinungsforschung pollytix.
Autorin
POV: Wahlkampf
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