Um die Einsamkeit junger Menschen zu bekämpfen, braucht es eine gesetzliche Pflicht für Bildungseinrichtungen, psychologische Hilfsangebote bereitzustellen oder zu vermitteln. Das ist eine von 15 Forderungen, die 22 Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren im Rahmen eines Projekts des Berliner Thinktanks „Progressives Zentrum“ gesammelt haben (zum Download). Die Fragestellung war, was die Politik gegen die Einsamkeit von Jugendlichen und für eine Stärkung von Teilhabe und Demokratie junger Menschen unternehmen sollte.
Vorbild für die verpflichtenden Angebote könnte laut dem Papier Österreich sein. Seit 2019 muss dort jede Region in ihrer Bildungsdirektion einen schulpsychologischen Dienst einrichten, der Beratungsangebote für Schulen anbietet und koordiniert. In den Schulgesetzen der deutschen Bundesländer steht eine einheitliche Verankerung bislang aus.
Mit den Mental Health Coaches gibt es in Deutschland zwar bereits geschultes Personal, das reicht den Jugendlichen zufolge aber nicht aus. Deutschlandweit sind seit September 2023 rund 80 Mental Health Coaches an insgesamt etwa 100 Schulen tätig. Das Bundesfamilienministerium hatte kürzlich mitgeteilt, dass die Finanzierung des Modellprojekts nach Stand der aktuellen Haushaltsverhandlungen noch bis zu den Sommerferien 2025 sichergestellt sei.
Volkshochschulen als „Lebenskompetenzzentren“
Daneben sprachen sich die Jugendlichen unter anderem für öffentlich geförderte „Lebenskompetenzzentren“ in jedem Landkreis aus. Diese sollen Jugendliche für den Umgang mit Umbrüchen rüsten, um Einsamkeit präventiv zu begegnen. In den westdeutschen Bundesländern eignen sich laut dem Forderungskatalog Volkshochschulen am besten, weil sie flächendeckend vorhanden sind. Im Osten müsste man teilweise separate Zentren eröffnen.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Christine Streichert-Clivot sprach sich bei der Vorstellung der Forderungen am Dienstagabend dafür aus, Kinder schon in der Kita über ihren Alltag mitbestimmen zu lassen. Außerdem müssten Schulen und Jugendzentren bei künftigen Krisen geöffnet bleiben. „Die Coronamaßnahmen waren staatlich verordnete Einsamkeitspolitik für Jugendliche“, sagte sie.
Fast jeder zweite junge Mensch fühlt sich einsam, das zeigte im Sommer eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Besonders betroffen sind Jugendliche zwischen 19 und 22 Jahren. Schulen könnten hier helfen, frühzeitig zu sensibilisieren. Und, das zeigte eine Studie des Progressiven Zentrums: Maßnahmen gegen Einsamkeit helfen dabei, die Demokratie zu stärken. Denn einsame Jugendliche sind empfänglicher für antidemokratische Einstellungen und Verschwörungstheorien. Insofern, heißt es im nun erschienenen Forderungskatalog, sei Einsamkeit „kein individuelles, sondern ein kollektives und sogar demokratisches Problem“.
Der Artikel „Einsamkeit: Was Jugendliche von der Politik fordern” wurde von Torben Bennink verfasst und ist am 09. Oktober 2024 auf Table.Media erschienen.