Tag Archive for Weiterbildung

Die Coronakrise erfordert ein Umdenken in der Arbeitspolitik. Doch wie kann man einen Struktur- und Wertewandel so organisieren, dass individuelle und gesellschaftliche Kosten begrenzt bleiben?

Arbeitswelt 4.0, Auflösung traditioneller Arbeitsverhältnisse, Digitalisierung, Veränderung der Geschlechterrollen, Prekarisierung, Crowdworking – die Veränderungen in der Arbeitswelt sind unübersehbar. Viel wird darüber diskutiert, aber noch ist unklar, wie aus einer sozialpolitischen Perspektive mit diesem Umwälzungen umgegangen werden soll. Der DenkraumArbeit versucht hier neue Wege im Nachdenken über Lösungen zu gehen und macht konkrete Vorschläge, wie eine solidarische Politik für die Arbeitswelt in Zukunft aussehen könnte.

Die Gestaltung von Arbeitszeit ist ein entscheidendes Element moderner Gesellschaftspolitik. Die meisten Menschen wünschen sich mehr Zeit für Familie, Freunde, Hobbys und mehr Flexibilität in der Gestaltung ihres Alltags. Gerade im Rahmen der Digitalisierungsdebatte wird Arbeitszeitgestaltung immer wichtiger. Arbeitszeit wird vielfältiger und komplexer diskutiert als noch in den 1980iger Jahren. Wo es früher um eine 35-Stunden-Woche und „Samstags gehört Vati mir“ ging, stehen nun Fragen von Geschlechtergerechtigkeit, Lebensqualität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Zeit für Weiterbildung und Pflege, Gesunderhaltung und Selbstbestimmung im Vordergrund. Kurzum: die neue arbeitszeitpolitische Debatte umfasst eine ganze Gesellschaft, mit unterschiedlichen Zeitanforderungen an verschiedene Lebensphasen.

Seit rund 20 Jahren hören wir von OECD, EU, nationalen Regierungen, vielen Parteien und Wirtschaftsverbänden einmütig eine nahezu identische Erzählung: »In Europa ist die wissensbasierten Gesellschaft und Wirtschaft entstanden. Mehr als jemals zuvor sind der Zugang zu aktuellen Informationen und Wissen sowie die Motivation und Befähigung zur intelligenten Nutzung dieser Ressourcen – zum eigenen Wohl und zu dem der Gemeinschaft – der Schlüssel zur Stärkung von Europas Wettbewerbsfähigkeit und zur Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte« (EU-Memorandum zum lebenslangen Lernen 2000, S. 5).

Die Digitalisierung bringt nicht nur neue Formen der Wertschöpfung und völlig neue Geschäftsmodelle hervor, sondern ändert letztlich unser Wirtschaftssystem sowie unsere Arbeits- und Lebenswelt grundlegend. Auf der Veranstaltung des Landesbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutierten am 18. Februar 2016 Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, und Birgit Hesse, Landesministerin für Arbeit und Soziales in MV. Rund 100 geladene Gäste tauschten sich im Schloss Schwerin über Herausforderungen und Chancen von Arbeit 4.0 aus. Moderiert wurde die Runde von Dominic Schwickert, Geschäftsführer des Progressiven Zentrums und Mitinitiator des Dialogprozesses „DenkraumArbeit“.

Was unverständlich ist, bleibt denen vorbehalten, die sich Hilfe leisten können oder sich aufgrund ihrer Qualifikation dennoch zurecht finden. Das gilt für das Steuersystem ebenso wie für die Weiterbildung.

Unsere Arbeitswelt wandelt sich beständig und rasant. Änderungen in der Arbeitsorganisation, technologische Innovationen, die Digitalisierung, aber auch das Bedürfnis, Arbeit und Privatleben besser miteinander vereinbaren zu können, erfordern neue politische Antworten. Diesen Wandel müssen wir gestalten. Es geht darum, den Fortschritt am Arbeitsmarkt im Interesse von Beschäftigten und Wirtschaft zu nutzen.
Über diesen Wandel haben mehr als 100 Expertinnen und Experten anderthalb Jahre im „DenkraumArbeit“ beraten, organisiert vom Progressiven Zentrum und der Friedrich-Ebert-Stiftung. Ein Resultat dieses strukturierten Nachdenkprozesses sind die 10 Müggelseer Thesen, die die Kernideen und Forderungen des DenkraumArbeit zusammenfassen. Erklärtes gemeinsames Ziel der Beteiligten ist es, die progressive Agenda nachhaltig zu beeinflussen.
Im Debattenmagazin Berliner Republik dokumentieren sie ihre Arbeit. Den Artikel können Sie hier (PDF) lesen.

„Flexibilität muss auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dienen“, forderte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig am 17. November auf der Podiumsdiskussion anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse des DenkraumArbeit – eines von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Progressiven Zentrum organisierten Dialogprozesses mit mehr als 100 ehrenamtlichen Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft.

Detlef Wetzel: Welchen Stellenwert hat das Thema Weiterbildung für eine Politik, die Deutschland für die zukünftigen Herausforderungen rüsten soll? Wie wird Weiterbildung in der Bundesrepublik generell bewertet?
Bernd Käpplinger: Britische Kolleginnen von mir haben kürzlich die Metapher der Cinderella für die Weiterbildung gewählt. Das fand ich sehr passend. Weiterbildung darf gern die „schmutzige Arbeit“ machen. Sie soll die erreichen, die nach zig Jahren aus der Schule kommen und nicht ausreichend schreiben und lesen können oder einfach keine ausreichende berufliche Qualifizierung haben. Und was ist der Dank dafür? Viel Häme und Spott unter anderem in den Medien über die vermeintlich mangelnde Qualität, während die Stiefschwestern Schule und Hochschule im Rampenlicht die prächtigen Kleider tragen dürfen.

Vom 19. bis 20. Juni 2015 fand die Sommerklausur des DenkraumArbeit am Pichelssee in Berlin statt. Aufbauend auf der Auftaktklausur im Mai 2014 am Müggelsee sowie auf der Fachtagung „Arbeit 2017plus“ im Dezember 2014 war es das Ziel, die bisherigen Ergebnisse der vier Arbeitsgruppen zu diskutieren und zusammenzuführen:
Die Autoren stehen stellvertretend für rund 100 Personen, die seit mehr als einem Jahr ein gerechtes und zeitgemäßes progressives Leitbild von Arbeit diskutieren. Als Initiatoren des „DenkraumArbeit“ sehen sie die Notwendigkeit eines besonderen Fokus auf die Heldinnen und Helden des Alltags, die mit einem zunehmend verdichteten Leben konfrontiert sind.

Der digitale Darwinismus erfordert eine echte Bildungsrevolution. Menschen konkurrieren zunehmend mit künstlichen-intelligenten Systemen um Arbeitsplätze und –aufgaben. Bildung und soziale Kompetenzen werden entscheiden, wie das „race against the machine“ ausgeht.

Am 22. April traf sich die Arbeitsgruppe Weiterbildung und Qualifizierung des DenkraumArbeit – eines vom Progressiven Zentrum und der Friedrich-Ebert-Stiftung initiierten Dialogprozesses – und diskutierte mit Antje Draheim vom Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern und Josef Mikschl von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Schleswig-Holstein.