Strategien gegen Rechtspopulismus im Internet und Bundestag

Buchdiskussion mit Autor Johannes Hillje und Renate Künast

Seit vier Jahren sitzt die AfD im Deutschen Bundestag und fällt vor allem durch ihre Kommunikationsstrategien aus der Reihe. Wie man damit umgeht, besprechen Renate Künast und Johannes Hillje im Zuge der neu erschienen Auflage seines Buches “Propaganda 4.0 – Wie rechte Populisten unsere Demokratie angreifen”.

Auf welche Strategien setzen rechtspopulistische Parteien, um potenzielle Wähler:innen von sich zu überzeugen? Und wie sollte dagegen vorgegangen werden?

Dieser und weiteren Fragen widmeten sich Johannes Hillje, Policy Fellow des Progressiven Zentrums, Autor, Politik- und Kommunikationsberater und Renate Künast, Mitglied des Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen und Bundesministerin a.D.. Anlass ist die neu erschienene und umfänglich überarbeitete Auflage von Johannes Hilljes Buch “Propaganda 4.0 – Wie rechte Populisten unsere Demokratie angreifen”.


Im Gespräch analysiert Johannes Hillje Kommunikationsstrategien der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Renate Künast spricht über die AfD als „parlamentrischen Gegener“ sowie „Hass im Netz“. Maria Fiedler, Politikjournalistin und Redakteurin beim Tagesspiegel, moderierte dieses Gespräch. 

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Eine “digitale Propagandapartei”

Johannes Hillje bezeichnet die AfD als “digitale Propagandapartei”, die durch den Einzug in den Bundestag von dessen institutionellen Ressourcen profitiere. Folgende vier Grundelemente der Propaganda ließen sich auch bei der AfD finden: 

  1. Delegitimierung der unabhängigen Medien: Unter dem Schlagwort “Lügenpresse” wirft die AfD den öffentlichen und etablierten Medien die Verbreitung von Falschinformationen vor, um deren Glaubwürdigkeit anzugreifen.
  2. Durch die Schaffung eigener digitaler Medienformate möchte die AfD ihre Anhänger:innen gezielt ansprechen und damit ihre Ansichten und eigenen “Wahrheiten” verbreiten. 
  3. Bei der Bildung eines „digitalen Volkes“ setzt die AfD stark auf das “Wir-Gefühl” ihrer Anhänger:innen, indem sie die vermeintlich gemeinsame Identität in den Mittelpunkt stellt. Dadurch sollen sich AfD-Anhänger:innen als Mitglieder einer Ingroup ansehen und sich von den Gegner:innen der AfD, der Outgroup, absetzen. 
  4. Die AfD setzt auf eine extreme Polarisierung, indem ihr Handeln einem sich immer wiederholenden Kreislauf entspricht: Zu Beginn steht die Grenzüberschreitung, gefolgt von Empörung, Reaktion, Beschwichtigung und Opferhaltung. Diese Opferhaltung ist oft mit einer neuen Attacke verbunden. 

Die AfD und die Medien 

Mittlerweile sei sichtbar, wie sich die Angriffe der AfD auf die Glaubwürdigkeit der Medien auswirken. “Der Effekt des Medienbashings ist ganz klar in der Haltung der Bevölkerung zu Medien nachzuvollziehen“, so Hillje. Demnach hat sich nach einer Umfrage zum Medienvertrauen der deutschen Bevölkerung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz der Anteil der Menschen, der den Medien misstraut, zwischen 2008 und 2019, verdreifacht. Den eigene Medienappart der AfD, welcher auf digitalen Plattformen wie YouTube, Twitter oder Instagram zu finden sei, sehe die Partei dabei als Maßstab für die „Wahrheit“ an. Hier wird nach Hillje auch deutlich, dass es für die AfD keinen Unterschied zwischen Journalismus und Partei-PR gibt.

Hass im Netz 

Renate Künast ist seit 2002 für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied im Deutschen Bundestag. Mit dem Einzug der AfD 2017 habe sich der parlamentarische Betrieb spürbar verändert. Statt Sachargumente auszutauschen, versuche die AfD andere Parteien zu delegitimieren. Mit solch einem Verhalten müsse man erstmal einen Umgang finden, so Künast.

Vor allem im Netz versucht die AfD ihrer Anhänger:innen zu mobilisieren, indem sie an eine gemeinsame Identität appelliert. Die Interaktion mit ihren Anhänger:innen verschafft der AfD eine große digitale Reichweite. Das bedeutet Relevanz für den Algorithmus, aber nicht Wahrheit oder Unwahrheit, so Hillje. Die dadurch entstehende Polarisierung im öffentlichen Raum bekommen Politiker:innen oder andere zivilgesellschaftliche Akteur:innen durch digitalen Hass und Gewaltandrohungen zu spüren. Dagegen müsse entschieden vorgegangen werden. Künast ist der Meinung: “Die Zukunft der Demokratie wird im Netz entschieden”. 

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Wie umgehen mit Rechtspopulisten?

Johannes Hillje wünscht sich einen anderen journalistischen Umgang mit der AfD. Mittlerweile hätten Journalist:innen gelernt, vermeintlich neutrale Begriffe der AfD nicht zu übernehmen – beispielsweise „Grenzöffnung“ oder „Flüchtlingswelle“. Dennoch wünscht sich der Autor noch mehr Sensibilität.

Renate Künast möchte den Rechtsstaat gegen Rechtspopulismus fit machen. Beispielsweise solle sogenanntes Microtargeting –  die gezielte und emotionalisierte Ansprache von Wähler:innen durch passgenaue Botschaften im Netz – verboten werden. Außerdem müsse die aktive Zivilgesellschaft institutionell gefördert werden, da sie an vorderster Front im Umgang mit Rechtspopulisten stehe. 

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Autorinnen

Clara Toker war Teil des Kommunikationsteams im Progressiven Zentrum und arbeitete dort als Junior Kommunikationsmanagerin. Ihr Studium der Film- und Medienwissenschaft absolvierte sie an der Philipps-Universität Marburg und der FU Berlin mit den Schwerpunkten Repräsentation von Arbeit und Geschlecht in audiovisuellen Medien, Kommunikationstheorie, Körper- und Menschenbilder sowie Dokumentarfilmforschung.
Praktikantin im Progressiven Zentrum und unterstützt hier das Team im Programmbereich Zukunft der Demokratie. Sie studierte Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Universität Konstanz und am University College Cork.

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