Tag Archive for Mehrheitsfähigkeit

Im Angesicht populistischer Wahlerfolge finden sich zunehmend neue Drei-Parteien-Koalitionen zwischen demokratischen Parteien zusammen. Was macht das mit unserem politischem System? Florian Grotz, Politikwissenschaftler und Mitglied in unserem Wissenschaftlichen Beirat, gibt Antworten.

Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Labour-Urabstimmung am Samstag steht eines fest: Langeweile wird in der britischen Politik so schnell nicht aufkommen. Der neue Vorsitzende Jeremy Corbyn war als Außenseiter ins Rennen gegangen; bei seiner Last-minute-Nominierung im Juni lediglich die Rolle des linken Marktschreiers zugedacht gewesen. Nach der katastrophalen Niederlage bei der Unterhauswahl im Mai 2015 war man innerparteilich auf Wiedergutmachung gepolt – und offenes, pluralistisches Rennen um den Vorsitz könne die Debatte nur beleben, so der Plan von Parteistrategen. Corbyn sollte das linke Gegengewicht zu den anderen Kandidaten Liz Kendall, Yvette Cooper und Andy Burnham bilden.

Martin Kettle analysiert in seinem Beitrag die Ausgangslage für Labour unter Ed Milibands Führung. Seine These: Ideologische Sturheit und programmatischer Pragmatismus könnten Labour am Ende zum Sieg verhelfen – wenn alles klappt.
Die Zukunft der Sozialdemokratie – und besonders die Zukunft der SPD – war das Schwerpunktthema der Berliner Republik in ihrer Ausgabe 6/2013. Die Autorinnen und Autoren schlagen eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen vor, um die Partei zurück zu neuer (und alter) Stärke zu führen. Würden Sozialdemokraten den aufgezeigten Wegen folgen, würde jedoch wahrscheinlicher, dass die SPD im Jahr 2017 ein noch größeres Wahldebakel als 2013 (oder 2009) erlebt. Der Grund ist: Viele der ausgesprochenen Vorschläge ersetzen fehlende politische Weitsicht und Strukturreformen durch kurzfristiges Mehrheitsdenken, das auf rein rechnerischen Strategieüberlegungen basiert.
Die CDU versucht, das positive Wir-Gefühl der Deutschen für sich zu monopolisieren. Das könnte sie dauerhaft zur gefühlten »Deutschland-Partei« werden lassen. Ohne eigene emotionale Botschaft im Einklang mit der Selbstwahrnehmung der Gesellschaft wird die SPD ebenso dauerhaft ins Abseits geraten.
The SPD faces the unenviable task of digesting its second worst result in its party history, while at the same time negotiating and then potentially governing in a Grand Coalition.
Abtreten, Genossen, mission accomplished! In ganz Europa sehen wir Sozialdemokraten, für die sich der Traum aus dem 19. Jahrhundert erfüllt hat, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft seinen Weg gehen kann. Vorzeigeexemplare der Individualisierung. Sie sind gebildet und gehören dazu, in der Politik, in Medien, Aufsichtsräten, den Kulturinstitutionen ihrer Länder.
Einer anderen Partei strategische Ratschläge zu erteilen, ist im politischen Raum zwar üblich, zumeist aber befremdlich: Entweder sind diese Ratschläge eine „aufgedrängte Bereicherung“, um die Misere der adressierten Partei noch weiter zu verschärfen, oder aber sie bestehen in der gut gemeinten Übertragung eigener Strategien auf eine benachbarte Partei – unter Verkennung von deren besonderen Bedingungen und Strukturen.
The debate doing the rounds in the German media is which social democratic frontrunner would do best in the 2013 federal elections. Fancied are former finance minister Peer Steinbrück and the head of the SPD parliamentary group Frank-Walter Steinmeier – with party chairman Sigmar Gabriel seen by many as to erratic for the job as chancellor.
Ernst Hillebrand kritisiert hier im Progressiven Forum und in der Berliner Republik 3/2010 den Grundton in Ill Fares the Land , dem letzten großen Werk des britischen Historikers Tony Judt: „Im Rückspiegel sieht man nicht nach vorn.“ Das sollte heißen: Der immens erfolgreiche, im weitesten Sinne „sozial-demokratische“ Gesellschaftsentwurf für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts taugt im 21. Jahrhundert nicht mehr als Kompass für fortschrittliche Politik. Und der politischen Sozialdemokratie bietet die Rückbesinnung auf die damaligen Prinzipien keine Perspektive für die Wiedergewinnung ihrer einstigen Hegemonie.
The parties of the left in Europe were once vibrant institutions, attracting diverse membership and widely embedded in national life. Today as electoral support declines across the continent, it is also increasingly clear that the energy and élan which marked out party organisation is fast draining away.
Die Frage nach dem Verhältnis zwischen „Ökologie“ auf der einen und Kapitalismus auf der anderen Seite ist natürlich ebenso wenig neu, wie die nach der Form einer möglichen „grünen“ Wirtschaft. Konzeptionen eines grünen Kapitalismus wurden seit den siebziger Jahren in verschiedenen Gewändern auf den relevanten intellektuellen und parteipolitischen Laufstegen präsentiert. So wie die ökonomischen Moden sich veränderten, so kleideten sich auch diese Entwürfe mehrmals neu. Spätestens mit der Epochenwende von 1989 brachen diejenigen Diskussionen jedoch abrupt ab, die auf eine tiefgreifende industrielle Konversion der Ökonomie jenseits des Marktes zielten.
Die Bundestagswahl 2009 war eine Zäsur. Mit ihr hat sich nicht nur das Fünf-Parteien-System in Deutschland endgültig etabliert. Die SPD, aber auch die CDU und CSU haben deutlich an Bindungskraft verloren. Die jahrzehntelange Dominanz der Volksparteien schwindet. Manche sprechen bereits von einem „Herbst der Volksparteien“.
Die Diskussion um das Wiedererstarken der SPD hat die Begriffe „Deutungshoheit“ und „Meinungsführerschaft“ ins Gespräch gebracht. Es ist der erklärte Willen der Partei, diese mittel- bis langfristig wiederzuerlangen. Politische Meinungsführerschaft (oder „Deutungshoheit“) ist in der Tat ein ehrgeiziges Ziel, das über das Gewinnen der nächsten Wahl hinausweist. Mit dem Begriff verbindet sich die Vorstellung einer weithin (im Idealfall bis in die gegnerische Stammwählerschaft hinein) überzeugenden Programmatik für die künftige Entwicklung des Landes.
Thomas Oppermann, Mitglied unseres Circle of Friends und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, sprach vor der Klausur des SPD-Parteivorstands mit DRadio Kultur. Eine Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene ist angesichts der aktuellen Äußerungen von Gesine Lötzsch nicht vorstellbar. Er spricht sich für die Entlastung geringer und mitlerer Einkommen aus, zugleich müssen Reiche stärker zur Verantwortung gezogen werden: Bildung und Kommunen leiden unter knappen Kassen. Zum Interview