Tag Archive for Außen- & Sicherheitspolitik

Wie schaffen wir auch in Zukunft Wohlstand, Sicherheit und Zusammenhalt? Diese Frage stellt sich auch die SPD – und hat deshalb den Diskussionsprozess über ihr Zukunftsprogramm für Deutschland 2025 angestoßen.
Im Zuge dieser ‘Perspektivdebatte’ der SPD hat Henrik Enderlein, Direktor des Jacques Delors Instituts Berlin und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Progressiven Zentrums, das Impulspapier „Die offene Gesellschaft als Chance: 20 Ziele für ein wirtschaftlich starkes Deutschland“ verfasst. Hierin fordert Enderlein, dass die SPD auf dem Weg zu einer neuen Veränderung in Deutschland sich an zwei Leitgedanken orientieren sollte.
Eurokrise, Migration, Russland, Ökologie: Auf diese vier Schlüsselfragen müssen 2015 Antworten gefunden werden. Nicht nur das Schicksal der Großen Koalition hängt davon ab.
Ob Eurozone oder Russland: Die für Deutschland so günstige bisherige Ordnung in Europa scheitert. In Berlin klammert man sich noch an die Reste des Status quo ante – doch zugleich wächst auch die Bereitschaft, der neuen europäischen Wirklichkeit Rechnung zu tragen.
Deutschlands Außenpolitik hat noch nicht verstanden, dass unser Land aktiv für eine Weltordnung einstehen muss, die unseren Wohlstand und unsere Freiheit auch künftig möglich macht.
In einer Zeit, da westliche Werte weltweit unter Druck geraten, hat sich die ukrainische Gesellschaft in freier Selbstbestimmung auf den Weg nach Westen gemacht. Europa würde seine Kapitulation erklären, sollte es aus Furcht vor Putins Russland den Ukrainern den Zutritt verwehren. Das „österreichische Modell“ ist nicht mehr als ein Alibi fürs Nichtstun.
Die Bundesregierung hat erfolgreich der Versuchung widerstanden, in der Irak-Krise einer skeptischen Bevölkerungsmehrheit nach dem Munde zu reden. In einer überraschend sachlichen Bundestagsdebatte zu dieser Frage hat auch die Opposition weitestgehend darauf verzichtet, mit populistischem Pazifismus zu punkten. Das verdient Respekt. Denn laut aktuellem Politbarometer sind zwei von drei Deutschen gegen Waffenlieferungen an die Kurden. Der Kluft zwischen Regierung und Regierten zum Trotz hält Schwarz-Rot also Kurs, denn die Regierung weiß: Die Terror-Milizen des Islamischen Staats (IS) jetzt nicht zu stoppen, würde höchstwahrscheinlich zu Massakern an der Zivilbevölkerung, dem Zerfall des Iraks und der Schaffung eines Terrorstaats vor den Toren Europas in Kauf führen.
Zwar bergen Waffenlieferungen das Risiko, einer künftigen kurdischen Staatsgründung Vorschub zu leisten. Doch die Kritiker übersehen dabei: Nicht die Kurden, sondern IS ist die größte Gefahr für die staatliche Integrität des Iraks. Mit dem Beschluss von Waffenlieferungen zieht die Bundesregierung das kleinere dem größeren Übel vor. Diese bemerkenswerte moralische und politische Ermessensfrage hätte es eigentlich verdient, zum Ausgangspunkt einer öffentlichen Debatte zu werden. Denn was genau bedeutet internationale Verantwortung in der angewandten politischen Praxis, und nicht nur bei Sonntagsreden? Und wie gehen wir mit den Dilemmata um, vor die uns die Weltpolitik stellt? Bislang ist jedoch von einer fruchtbaren Debatte wenig zu sehen. Woran liegt das?
Schiefe Debatte
Ob man es nun Ausnahme oder Tabubruch nennt: Waffenlieferungen in ein Krisengebiet sind ein außenpolitischer Stilbruch. Während der Ukraine-Krise mit diplomatischen Mitteln begegnet werden kann, wird Deutschland mit dem Beschluss von Waffenlieferungen auf die Bühne der Realpolitik katapultiert. Das ist keine einfache Situation für ein Land, in dem die moralische Kommentierung von Konflikten gepflegt und das Heraushalten aus der Weltpolitik als politische Finesse betrachtet wurde. Vielleicht hat sich auch aus diesem Grund bisher keine wirklich ergiebige Debatte zur Krise im Nord-Irak entwickelt.
Da wird seitens der Kritiker über grundsätzliche Risiken von Waffenlieferungen debattiert, die Rolle der USA hinterfragt und die Theorie des gerechten Krieges bemüht. Der entscheidenden Frage aber weichen die Augsteins und Käßmanns der Nation bisher aus: Wie können wir eine Machtübernahme im Nord-Irak durch den IS verhindern? Kein Kritiker hat hierauf bisher eine befriedigende Antwort gegeben. Das mag aus polit-kommunikativer Sicht klug sein und einem moralisch schwierige Gewissensentscheidungen ersparen. Die Bundesregierung aber für ihre Antwort auf eine offensichtlich schwierige Frage zu kritisieren, während man selbst keine Antwort geben kann, ist scheinheilig. Machen wir uns also ehrlich. Betrachten wir die Konsequenzen eines Eingreifens oder Nicht-Handelns und entscheiden dann, was das kleinere Übel ist.
Die Folgen des Nicht-Handelns
Was also würde passieren, wenn die Kurden nicht mit Waffen ausgerüstet würden? Kaum jemand bezweifelt, dass IS den Nord-Irak ohne internationale Unterstützung für die Kurden überrennen wird. In diesem Fall stünde als Nächstes die Stadt Arbil vor dem Fall, in die sich zehntausende Jesiden, Christen und Kurden vor den Gräueltaten der Islamisten geflüchtet haben. Arbil ist in den vergangenen Monaten zum Symbol des kurdischen Widerstands geworden, weswegen IS ein Exempel vor den Augen der Welt statuieren könnte. Nach allen bisherigen Erfahrungen wäre mit einer Orgie von Vertreibungen und Massakern zu rechnen. Gefilmt und nur einen Tag später auf YouTube und Co.
Mit einem Sieg würde sich IS auf absehbare Zeit im Nord-Irak festsetzen, was den Zerfall des Landes dramatisch beschleunigen dürfte. Kein unabhängiges Kurdistan, sondern der Islamische Staat würde der territorialen Integrität des Iraks den Todesstoß versetzen. Die Auswirkungen sind überhaupt nicht abzuschätzen. In jedem Fall aber gäbe es nun ein Terrorausbildungszentrum von der Größe Großbritanniens vor den Toren Europas, von dem Osama bin Laden nicht in seinen kühnsten Fantasien zu träumen gewagt hätte. Bereits heute sollen mehr als 1 000 westliche Jihadisten für IS kämpfen. Alle mit deutschen, französischen und auch amerikanischen Pässen. Ein Alptraum für jeden Sicherheitsbeamten, Bahnfahrer und Weihnachtsmarktbesucher.
Gangbare Alternativen?
Trotz allem sollte niemand so tun, als ob Waffenlieferungen ohne Risiken wären. Selbst die größten Verfechter einer Bewaffnung der Kurden weisen hierauf klar und deutlich hin. Die Frage ist aber vielmehr: Gibt es realisierbare Alternativen? Eine Möglichkeit wäre ein militärisches Eingreifen einer internationalen Koalition der Vereinten Nationen. Vorteil: Keine Waffen für die Kurden. Nachteil: Für eine solche Intervention will niemand die notwendigen Truppen stellen. Der Rückzug des US-Militärs aus dem Irak war einer der größten Erfolge Obamas, der wenig Neigung verspüren dürfte, nun selbst amerikanische Truppen in den Nord-Irak zu senden. Ohne die USA aber werden weder Frankreich noch Großbritannien – geschweige denn Deutschland – eine Intervention mit Bodentruppen in Betracht ziehen. Bliebe einzig die Türkei, aber: Als regionaler Player mit eigenen machtpolitischen Interessen und einem schwierigen Verhältnis zu den Kurden ist Ankara ungeeignet. Ob man also will oder nicht: Die Option einer UN-Intervention scheidet leider aus.
Natürlich könnte sich Deutschland allein auf die Lieferung humanitärer Hilfe beschränken, wie dies von Einigen vorgeschlagen wird. Die Bewaffnung der Kurden würde dann unseren Partnern überlassen. In anderen Worten: Französische Waffenlieferungen finden wir gut, deutsche Waffenlieferungen finden wir schlecht. Das aber wäre eine moralische Absurdität, der es einzig um unser eigenes Seelenheil anstatt um die Menschen im Nord-Irak geht. Wer gegen Waffenlieferungen ist, muss konsequent gegen jegliche Waffenlieferungen sein. Das Problem ist: Einem Sieg des IS stünde dann nichts mehr im Weg. Und der Preis des Wegsehens wäre beträchtlich: Massenverbrechen an der Zivilbevölkerung, der Zerfall des Iraks und die Entstehung eines Terrorstaats an der Türschwelle Europas.
Wer bereit ist, diesen Preis zu zahlen, der sollte das ehrlich sagen. Darüber ließe sich streiten. Das würde unsere außenpolitische Debatte voranbringen. Denn moralisch angreifbar machen wir uns nicht nur mit, sondern auch ohne Waffenlieferungen.
Dieser Beitrag erschien auch in der IPG.
Präsident Obamas Europareise in dieser Woche bedeutet eine gute Gelegenheit, die Vision weiterzuentwickeln, die er vorige Woche in seiner Rede in West Point dargelegt hat. Es geht um nicht weniger als den Entwurf eines Planes zur Erneuerung der transatlantischen Beziehungen. Diese sind das Fundament der Nachkriegsordnung gewesen und bilden noch immer das Rückgrat der freiheitlichen Demokratie auf der Welt. Heute jedoch stehen die transatlantischen Beziehungen vor neuen Herausforderungen.
Berliner Republik-Mitherausgeber Hans-Peter Bartels hat ein lehr- und kenntnisreiches Buch zur deutschen Sicherheitspolitik geschrieben.
Der Niedergang der USA ist schon oft vorausgesagt worden. Josef Braml erläutert, warum es in Amerikas gegenwärtiger Krise ans Eingemachte geht.
Afghanistan: nur noch raus?
Am 1. August begannen die Niederlande als erstes NATO-Mitglied mit ihrem militärischen Rückzug aus Afghanistan. Im März hatte eine Shura in der Südprovinz Uruzgan an das niederländische Parlament appelliert, nicht vorzeitig abzuziehen.
Der Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hält derzeit das sicherheitspolitische Berlin in Atem. Kein Festvortrag ist mehr sicher davor, zum Ort einer neuen, grundlegenden Überlegung über die zukünftige Gestalt der Bundeswehr zu werden. Die Spannung entsteht dabei nicht so sehr ob des Wagemuts und der Innovationskraft dieser Beiträge, sondern wegen ihrer schieren Zahl und kurzen Lebensdauer.
Rot-rote Kooperationen hat es in einem Viertel aller Bundesländer gegeben beziehungsweise es gibt sie immer noch und selbst in den alten Bundesländern sind sie kein Tabu mehr. Für ähnliche Kooperationen auf Bundesebene werden innerhalb der LINKEN, aber auch bei der SPD und Bündnis 90 / Die Grünen die außenpolitischen Positionen als Hinderungsgrund aufgeführt.
Anfang der 1980er Jahre waren für viele Sozialdemokraten Koalitionen auf Bundesebene mit den Grünen unvorstellbar. CDU/CSU, die heute die Grünen für Koalitionen zu gewinnen suchen, verteufelten sie damals als Verfassungsfeinde. Die maoistische, trotzkistische oder anarchistische Vergangenheit vieler ihrer Führungsfiguren diente dabei ebenso als Argument wie heute die kommunistische bei Vertretern der Partei „Die Linke“.
Our involvement in the Afghanistan War is inextricably intertwined with that of the United States, whether through a pacta sunt servanda imperative or acceptance of a certain political mindset.* To understand this mindset, we need to poke around a little in recent American intellectual history. Much ink has been spilt on how the Bush era was determined by neoconservatism, but what about Obama’s intellectual background?
Verglichen mit ihrem Vorfahren, der 200 Jahre seines 600jährigen Lebens die gröβte Weltmacht war, kann man die 85-jährige Türkische Republik noch als jugendlich bezeichnen. Die Türkische Republik wurde auf den Trümmern des Ersten Weltkriegs erbaut. Die junge Republik war klar an den Westen orientiert, was zu einer Vernachlässigung der osmanischen Verbindungen mit dem Nahen Osten führte.
Iran has decided not to change. Not to change its president neither its political discourse. Iran has decided to wait for the next American offer before it freely compromises, because it is still convinced that it has not lost any of its battles in the last four years, especially those concerning the nuclear issue.
Weite Teile unserer Gesellschaft, unserer Medien und auch viele Sozialdemokraten halten internationales Engagement noch immer für verfassungswidrig und moralisch bedenklich. Doch wer eine bessere Welt will, muss jetzt seinen Beitrag leisten.
Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat viele Opfer auf der ganzen Welt: den Autoteilezulieferer in der Slowakei, den Mikrokreditnehmer in Bangladesch, den Finanzinvestor, der auf Bernie Madoff gesetzt hat. In der vergangenen Ausgabe der Berliner Republik hat der Politikwissenschaftler Jan Techau ein weiteres mögliches Opfer ausgemacht: die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten als oberste Ordnungsmacht und als Weltpolizist.
Mehr als ein Jahrzehnt lang ist Nordirland von tödlichen Angriffen auf Sicherheitskräfte verschont geblieben. Dann wurden innerhalb von zwei Tagen zwei Soldaten und ein Polizist von Terroristen ermordet. Warum ist das geschehen? Was bedeutet es für Nordirlands Zukunft?
For more than a decade, Northern Ireland had been spared from fatal attacks on security forces. Then, within two days, two soldiers and a policeman had been killed by terrorists. Why did it happen, and what does it mean for the future of Northern Ireland?