Komplementarität statt Konkurrenz?

Parteien müssen lernen, ohne fertige Konzepte in die bilaterale oder öffentliche Diskussion zu gehen

Am 8. Mai fand im Democracy Lab des Progressiven Zentrums der Roundtable „Komplementarität statt Konkurrenz?“ statt. Zentrales Thema der Veranstaltung war die Frage, wie die Zusammenarbeit von Parteien und NGOs verbessert werden kann und wie beide Seiten voneinander lernen können. Gemeinsam mit einem engagierten und vielseitigen Publikum diskutierten Jana Faus (Artikel 1- Initiative für Menschenwürde e.V.), Daniel Stich (Generalsekretär der SPD Rheinland-Pfalz), Ole Meinefeld (Heinrich-Böll-Stiftung) und Hanno Burmester (Strategic Lead im Democracy Lab, Das Progressive Zentrum).

Als Ausgangspunkt der Diskussion umriss Hanno Burmester zunächst die Problemlage und schilderte dabei auch Erkenntnisse aus dem Projekt „Legitimation und Selbstwirksamkeit: Zukunftsimpulse für die Parteiendemokratie“, das im Progressiven Zentrum von 2014-2015 lief.

Wer sich politisch und für das Gemeinwohl engagieren möchte, kann das längst in einer Vielzahl von Organisationen tun. Parteien haben ihre Monopolstellung verloren und befinden sich mit NGOs in einer mehrfachen Konkurrenz um engagierte Menschen, Köpfe und Aufmerksamkeit. NGOs haben ihre Treiber und ihren Gründungsimpuls oftmals in einer Anti-These zu Parteien, weil sie Themen dort nicht ausreichend vertreten finden oder Menschen sich durch die Möglichkeiten für Engagement in den Parteien nicht angesprochen fühlen.

Als Kernproblem des Verhältnisses von Parteien und NGOs wurde deshalb auch die zunehmend verschwimmende Rollenabgrenzung identifiziert: Während Parteien durch ihre ver­fassungs­rechtliche Sonderstellung eine Scharnierfunktion zwischen Gesellschaft und Staat innehaben, identifizieren NGOs Themen oftmals schneller und setzen sie auf die politische Agenda und über­nehmen damit eine klassische Funktion der Parteien. Auf der anderen Seite versuchen Parteien vermehrt, NGOs in einzelnen Aspekten zu kopieren (beispielsweise indem sie sich stark auf einzelne Themen konzentrieren), obwohl sie im Grunde verpflichtet sind, ein programma­tisches Gesamtangebot zu machen.

Das Panel erläuterte anschließend seine Perspektiven auf das Verhältnis Parteien/NGOs. Die Diskussionsrunde stimmte darin überein, dass eine klarere Vergewisserung auf ihre jeweiligen Rollen dem Verhältnis beider Seiten helfen würde und dass Parteien und NGOs dennoch vonein­ander lernen können: Parteien sollten sich ein Beispiel daran nehmen, wie NGOs schnell Selbst­wirk­sam­keits­erfahrungen bei engagierten Menschen erzeugen. Auch das Prinzip des projekt- und anlassbezogenen Mitmachens kann für die Parteien interessant sein, sollten sie doch versuchen, die Beteiligungsschwelle weiter zu senken. NGOs können von der in Parteien gespeicherten System­kenntnis über politische Entscheidungsfindung profitieren. Die Kultur des Kompromisses und der lange Atem der Parteien kann auch NGOs helfen, ihre gesteckten Ziele zu erreichen.

Auch die anschließende Diskussion mit dem Publikum bestätigte die Auffassung, dass Zusammen­­arbeit von Parteien und NGOs Chancen bietet, die jeweils strukturbedingt eingeengte Perspek­tive zu überwinden. Durch Austausch und Vernetzung beider Seiten könnten vorhandene Ressourcen besser genutzt und gemeinsam größere Aufmerksamkeit für Themen erzielt werden. Ein Teilnehmer betonte, dass Veränderungsprozesse sowohl des gesellschaftlichen Drucks als auch der politischen Transmission bedürfen. Parteien und NGOs seien daher aufeinander ange­wiesen. Kritisch angemerkt wurde, dass NGOs wiederum sehr heterogen sind und bezüglich Mitgliederzahl, Ressourcen, Reichweite und Grad der Gemeinwohlorientierung unterschiedliche Rahmenbedingungen für die Zusammen­arbeit mit Parteien mitbringen.

Hinsichtlich möglicher Lösungsansätze betonte die Runde, dass positive Kooperations­erfahr­ung­en den Grundstein für weiteres vertrauens­­­volles Zusammenwirken legen können und dass mehr Formate geschaffen werden müssen, in denen ein regelhafter Austausch stattfinden kann. Parteien sollten offene Formate anbieten, die nicht der Werbung für beschlossene Positionen, sondern der gemeinsamen Suche nach Lösungen dienen. Parteien müssen hierfür lernen, ohne fertige Konzepte in die bilaterale oder öffentliche Diskussion zu gehen.

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