Current Issues
Es ist sicher kein Zufall, dass sich im Schatten der Finanzmarkt und Wirtschaftskrise, die seit dem Sommer 2008 die Nachrichten bestimmen, eine neue Debatte um die Zukunft des Sozialen andeutet. Dabei gewinnen derzeit zwei Denkansätze an Zulauf, die auf den ersten Blick geradezu unvereinbar zu sein scheinen. Da ist zum einen eine neue Egalitarismusdebatte, die zuletzt durch das Buch «The Spirit Level» der britischen Epidemiologen Richard Wilkinson und Kate Pickett befeuert wurde.
Vorweg: Es ist äußerst erfreulich, dass Tarek Al-Wazir gleich am Anfang seines Beitrages die Realität des Fünf-Parteien-Systems anerkennt und dementsprechend eine durchaus interessante Analyse und Einschätzung zu Perspektiven von möglichen bzw. unmöglichen Regierungskonstellationen anstellt. Das ist im rotgrünen Spektrum, insbesondere was deren Führungen angeht, keine Selbstverständlichkeit gewesen in den letzten Jahren: Dort war eher der Wunsch vorherrschend, DIE LINKE möge wieder von der politischen Bildfläche verschwinden. Dieser (irrationale) Leitfaden einer Strategie gegen DIE LINKE ist gescheitert.
Die Bundestagswahl 2009 und die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 haben deutlich gemacht: In Deutschland hat sich mit dem Einzug der Linkspartei in die meisten westdeutschen Länderparlamente und dem erneuten Einzug in den Bundestag zumindest für absehbare Zeit ein Fünf-Parteien-System etabliert. Auch unter solchen Bedingungen kann eine der „klassischen“ Zwei-Parteien-Koalitionen, in diesem Fall Schwarz-Gelb, eine Mehrheit erringen, wie die letzte Bundestagswahl bewies.
Bayern war 1946 das erste Bundesland, das Volksbegehren in die Verfassung aufnahm. Doch die Zahl der Volksentscheide oder der Initiativen, einen Volksentscheid herbeizuführen, blieben seither überschaubar. Zu hoch sind die Hürden, die auf dem Weg zu einem Plebiszit überwunden werden müssen; dies gilt sowohl für die notwendigen Unterschriften bzw. Stimmen als auch die entstehenden Kosten. Denn von der Information der Bevölkerung bis hin zu Druck und Anlieferung der Eintragungslisten in den Kommunen muss fast alles von den Initiatoren finanziert werden.
Vieles hat sich vermeintlich verändert seit dem 27. September 2009, der „Stunde null der SPD“: Die Sozialdemokratie ist aus dem medialen Fadenkreuz gerückt, keine Rede mehr vom Allzeittief der Partei. Mit der „Chaosregierung“ in Berlin ist offenbar ein würdiger Nachfolger gefunden. Doch ist damit wieder alles in Ordnung im Lager der Sozialdemokratie? Ist der rote Tanker wieder in tiefem Fahrwasser?
Antike und Mittelalter glaubten noch, das Glück allgemeingültig bestimmen zu können. Die Moderne vermag diesen Optimismus nicht mehr zu teilen. In der Moderne ist das Glück subjektiviert worden, verwandelte sich der Glücksbegriff in eine Sammelbezeichnung für die Befriedigung individueller Präferenzen. Und diese sind zum einen unterschiedlich, zum anderen – auf Grund der strukturellen Knappheit aller Glücksgüter – konfliktuell. Deshalb läßt sich auf dem Glück keine Ordnung errichten. Ein Debattenbeitrag von Wolfgang Kersting zu „The Spirit Level“.
Die im Mai beschlossenen Rettungsmaßnahmen für Griechenland bzw. „den Euro“ markieren eine Zäsur. Denn sie können in der jetzigen Form keine Dauerlösung sein, sondern zwingen die europäischen Staaten, bis 2013 eine Neuordnung ihrer Wirtschaftspolitik vorzunehmen. Die Uhr tickt.
Die Beweggründe, die Journalisten bei ihrem Tagesgeschäft um- und antreiben, haben oft nichts mit den Standards und Regeln ihres Berufsstandes zu tun. Im Politikalltag sind die Berichterstatter eingebunden in ein undurchsichtiges Gewebe aus Abhängigkeiten und Zwängen, die für idealistische Motive keinen Spielraum lassen.
Der Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hält derzeit das sicherheitspolitische Berlin in Atem. Kein Festvortrag ist mehr sicher davor, zum Ort einer neuen, grundlegenden Überlegung über die zukünftige Gestalt der Bundeswehr zu werden. Die Spannung entsteht dabei nicht so sehr ob des Wagemuts und der Innovationskraft dieser Beiträge, sondern wegen ihrer schieren Zahl und kurzen Lebensdauer.
In der internationalen Debatte wird Richard Wilkinsons und Kate Picketts Buch »Gleichheit ist Glück« bereits als »game changer« gesehen – als eine Studie, die das Zeug dazu hat, die Diskurse zu verändern und vielleicht sogar die Politik auf eine ganz neue Bahn zu bringen. Was passiert da eigentlich gerade?
Michael Miebach im Gespräch mit Richard Wilkinson. In ihrem Buch »The Spirit Level« belegen die beiden britischen Epidemologen Richard Wilkinson und Kate Pickett empirisch, dass die sozialen Probleme einer Gesellschaft desto stärker zunehmen, je mehr die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Ihr eindringliches Plädoyer für mehr Gleichheit ist in Europa und den USA auf enorme Resonanz gestoßen.
So wie es ein zentrales Merkmal der Demokratie ist, dass in ihr in regelmäßigen Abständen Wahlen stattfinden, so ist es ein häufiges Merkmal dieser Wahlen, dass sie regelmäßig von denselben Grundsatzdiskussionen begleitet werden. In der Bundesrepublik zeigt sich das nirgendwo deutlicher als bei der Bestellung des Staatsoberhaupts. Wann immer die Wahl oder Wiederwahl eines Bundespräsidenten ansteht, kann man sicher sein, dass die folgenden Fragen aufgeworfen werden: Haben die Parteien das Bestellungsverfahren für ihre eigenen Machtzwecke missbraucht? Wäre es nicht besser, das Staatsoberhaupt von den Bürgern direkt wählen zu lassen? Brauchen wir das Amt des Präsidenten überhaupt?
Soziale Demokratie in Zeiten der Angst: Als Partei der reinen Bewahrung vergangener Errungenschaften stünde die Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert völlig auf verlorenem Posten.
Über die Sozialdemokratie wird nicht mehr sehr viel nachgedacht. Tony Judt zeigt, warum das in Zeiten des Umbruchs ein riesengroßer Fehler ist.Der Schwanengesang von Tony Judts „Ill Fares the Land“ ist in der britischen Presse viel weniger positiv besprochen worden als in den Niederlanden. Die Rezensenten der „Financial Times“, des „Daily Telegraph“, des „Independent“ und des „Guardian“ kritisieren besonders Judts Pessimismus. Meiner Meinung nach zu Recht.
Über die Sozialdemokratie wird nicht mehr sehr viel nachgedacht. Tony Judt zeigt, warum das in Zeiten des Umbruchs ein riesengroßer Fehler ist.
Die britischen Epidemiologen Richard Wilkinson und Kate Pickett beleben die Debatte um politische Gleichheit mit ihrem Buch „The Spirit Level – Why Equality is Better for Everyone“, das auf Deutsch unter dem Titel „Gleichheit ist Glück – Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“ erschienen ist. Das Buch wurde von britischen Medien wie dem „Guardian“ euphorisch als großer Wurf gefeiert. Richard Wilkinson stellte seine Thesen außerdem in einem Interview mit der „ZEIT“ vor und lancierte mit seiner Kollegin die Website „The Equality Trust“.
Lesen Sie hier die Rezensionen von:
Wolfgang Kersting
Robert Misik
Egalitäre Gesellschaften funktionieren besser. Aber wer größere Gleichheit politisch durchsetzen will, bekommt es mit erheblichen Zielkonflikten zu tun. Kommt es auf höhere Transferleistungen an, um Einkommensunterschiede zu verringern? Oder ist es nicht doch wichtiger, durch Investitionen in Bildung und öffentliche Dienstleistungen längerfristig Lebenschancen anzugleichen?
Der Euro steckt in seiner tiefsten Krise seit Beginn der europäischen Währungsunion im Jahr 1999. Diese Krise hat politische Gründe. Ein Zerbrechen des Euroraums mit dramatischen Konsequenzen für die europäische Wirtschaft, für Beschäftigung und Wohlstand kann nicht länger ausgeschlossen werden. Europas Sozialmodel wäre am Ende. Diese Entwicklung ist sicher nicht unaufhaltsam, aber die Engstirnigkeit chauvinistischer Nationalismen birgt das Risiko, dass sich eine solche Entwicklung als unbeabsichtigte Folge intergouvernementalen Handelns ergeben könnte, ähnlich wie die Nationalstaaten in den Ersten Weltkrieg hineingeschlittert sind, obwohl ihn niemand wollte. In diesem Essay werde ich zunächst in Teil I die tieferliegenden, in der europäischen Regierungsform begründeten Ursachen der gegenwärtigen Eurokrise analysieren und dann in Teil II Vorschläge für eine demokratische Wirtschaftsregierung skizzieren.
Die Finanzkrise, die derzeit im Zentrum gesellschaftlicher Debatten steht, sowie die Abstiegsängste der Mittelschichten dürfen nicht dazu führen, dass wir die Konsequenzen übersehen, die sich aus dem entgrenzten Arbeiten und Wirtschaften im Lebenslauf junger Erwachsener und im Alltag erwerbstätiger Eltern ergeben. Es ist kein Zufall, dass „Erschöpfung“ zur Leitchiffre postmoderner Befindlichkeit geworden ist.
Die nordrhein-westfälische Spitzenkandidatin hat sich und ihrer Landespartei mit der unklaren Positionierung gegenüber der Linkspartei keinen guten Dienst erwiesen. An Parallelen zur hessischen Landtagswahl im Januar 2008 mangelt es nicht am Wahlabend des 9. Mai 2010: Die ersten Prognosen und Hochrechnungen sahen jeweils eine knappe Mehrheit für Rot-Grün.