Städte für eine nachhaltige und faire Zukunft

Urban Forum diskutiert Wiederentdeckung öffentlicher Räume und lokale Bürgerbeteiligung

In drei Workshop-Sessions diskutierten die TeilnehmerInnen des Urban Forums über die Rolle von Städten bei der Förderung von Bürgerbeteiligung, vernetzter Politikgestaltung und der Zukunft des öffentlichen Raums. Dabei wurden wichtige Herausforderungen und Lösungsansätze zur Gestaltung der Stadt der Zukunft identifiziert.

Im Urban Forum reflektierten deutsche ExpertInnen progressive Perspektiven im Feld der Stadtentwicklung. Die Gastredner Wolfgang TeubnerGesine Schwan und Cordelia Polinna starteten die Veranstaltungs-Sessions mit Inputs zu den Themen inklusives Wachstum, vernetzte Politikgestaltung und soziale Mobilität. Nachdem sich bereits im März eine Parallelveranstaltung in Washington D.C. den Zukunftsthemen der Stadtentwicklung aus amerikanischer Perspektive widmete, wurde damit auch in Deutschland unser Diskurs über die Stadt der Zukunft gestartet.

Städtische Bürgerbeteiligung sinnvoll und inklusiv umsetzen

Die Frage nach der Gestaltung städtischer Bürgerbeteiligung wurde in allen Sessions intensiv diskutiert. Die Stadt der Zukunft sollte für ihre BürgerInnen neue Räume für Mitgestaltung öffnen und innovative Beteiligungsmöglichkeiten nutzen. Cordelia Polinna, die mit Urban Catalyst Städte und lokale Initiativen bei kooperativen Planungsprozessen unterstützt, präsentierte Beispiele gelungener Bürgerbeteiligung. So haben sich in Berlin etwas über 200 Menschen an der Initiative Bundesplatz beteiligt, um ihr Viertel neu zu gestalten.

In den anschließenden Diskussionsrunden mit weiteren PraktikerInnen der Stadtentwicklung wurden Faktoren für gute Beteiligungsprozesse ermittelt. Besonders betont wurde, dass Beteiligungsformate inklusiv gestaltet werden sollten. Es dürfen sich nicht nur diejenigen angesprochen fühlen, die sich ohnehin für Politik interessieren oder eine bestimmte Maßnahme unbedingt verhindern möchten. Stattdessen braucht es vielfältige Formate, die auch andere Bevölkerungsgruppen erreichen und beispielsweise mit einer Mischung aus on- und offline-Beteiligung verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden. Beim Design der Formate sollte zudem konstruktive Auseinandersetzung gefördert werden, etwa indem statt konfrontativen Ja/Nein-Fragen spezifische Themen ergebnisoffen diskutiert werden. Letztlich wurde zudem für den Mut, neue Prozesse auszuprobieren und dabei auch Fehler zuzulassen, geworben.

Vernetzte Governance mit Entwicklungsbeiräten

Gesine Schwan präsentierte im Urban Forum das Konzept von Entwicklungsbeiräten: Beratende Gremien, die mit VertreterInnen der Zivilgesellschaft besetzt werden und Ideen in die kommunale Politik einbringen. Diese sollten neben NGOs und VertreterInnen der Wissenschaft auch die lokale Wirtschaft umfassen und somit alle wichtigen Stakeholder einbeziehen. In den Beiräten soll ein offener, vertrauensvoller Dialog möglich sein, der die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven fördert. Die letzte Entscheidungsgewalt bliebe aber immer bei der Politik, die bei ihren Entscheidungen von dem Wissen der zivilgesellschaftlichen VertreterInnen profitiert. 

Gesine Schwan argumentierte zudem für eine stärkere internationale Vernetzung von Städten, etwa zum Austausch von Best Practices aber auch um gesellschaftliche Kontakte unabhängig von der nationalen Ebene aufrechtzuerhalten. Gerade in den USA unter Präsident Trump sind diese Kooperationen besonders wichtig.

Lokales Engagement für globalen Wandel

Städte müssen Ideen entwickeln, wie sie die notwendige Dekarbonisierung der Wirtschaft fördern und zugleich Lebensqualität erhalten können, argumentierte Wolfgang Teubner in seinem Vortrag. Der Regionaldirektor Europa für ICLEI, einem Netzwerk lokaler Regierungen für nachhaltige Entwicklung, betonte zudem das Potential öffentlich-privater Partnerschaften, um die finanziellen Mittel für Investitionen in Nachhaltigkeit zu mobilisieren. In der Diskussion wurde von Teilnehmenden hervorgehoben, dass neue Mobilitäts- und Energiekonzepte sich nur durch die Zusammenarbeit vieler Akteure umsetzen lassen, wobei Städte eine wichtige Vermittlerrolle spielen. Darüber hinaus wurde das Ziel der Stärkung regionaler Wertschöpfung betont, um zu größerer Resilienz und kürzeren Transportwegen beizutragen. Das Umland der Städte sollte stets mitgedacht werden.

Städte und Kommunen können ihre zentrale Rolle im Aufbau nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen allerdings nur wahrnehmen, wenn sie die finanziellen Ressourcen dafür haben. Die Corona-Krise wird alle Kommunen treffen, aber in unterschiedlichem Ausmaß, weshalb gezielte Hilfen unabdingbar sind. Daher schlug Gesine Schwan vor, dass direkte EU-Hilfen für Kommunen aus dem geplanten Wiederaufbaufonds finanziert werden sollten.

Lasst uns die öffentlichen Räume zurückerobern!

In den Diskussionen wurde ein Punkt besonders deutlich: Nach Jahrzehnten ihrer Privatisierung und Fokussierung auf die „autogerechte Stadt“ ist es an der Zeit, öffentliche Räume wiederzuentdecken und neu zu beleben. Es gab mehrere leidenschaftliche Plädoyers für ein Umdenken, das den öffentlichen Raum wieder als Gemeingut und Begegnungsraum begreift. Eine gemeinsam erarbeitete Priorität war die Verkehrsinfrastruktur, bei der der Fokus von der Bereitstellung von Parkflächen hin zur Schaffung von Rad- und Fußgängerinfrastruktur wechseln sollte.

Räume für Kultur, Kreativität und bürgerschaftlichen Austausch sollten zudem stärker öffentlich gefördert werden. Angesichts weiterhin steigender Mieten wurde angeregt, über Maßnahmen wie eine Bodenwertabschöpfung nachzudenken, die die leistungslosen Gewinne durch Grundbesitz stattdessen der Allgemeinheit zugutekommen lassen würde. Die Auseinandersetzung um die Gestaltung und Nutzung öffentlicher Räume wird zentral für die Stadt der Zukunft sein.  

New Urban Progress geht in die nächste Phase

Die Ergebnisse des gemeinsam von der Alfred Herrhausen Gesellschaft und dem Progressiven Zentrum organisierten Urban Forums bilden die Grundlage für die weitere Projektgestaltung. Ein Kick-Off-Report wird die in Deutschland und den USA besprochenen Zukunftsthemen vergleichen und daraus erste Schlüsse ziehen. Projekt Fellows aus beiden Ländern werden dann in Arbeitsgruppen an den Kernthemen arbeiten und ihr Wissen bei Delegationsreisen in innovative deutsche und amerikanische Städte vertiefen können. Als Resultat sollen Policy Paper entstehen, die die gesammelten Erkenntnisse präsentieren.


New Urban Progress ist eine neue Dialogreihe des Progressiven Zentrums, der Alfred Herrhausen Gesellschaft und des Progressive Policy Institutes. 

Das Projekt wurde durch das Transatlantik-Programm der Bundesrepublik Deutschland aus Mitteln des European Recovery Program (ERP) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.

Autor:innen

Diego war Projektmanager und koordinierte vor allem den jährlichen Progressive Governance Summit sowie den transatlantischen Dialog New Urban Progress. Diego ist derzeit auch der Get-Out-the-Vote-Coordinator für Europa, den Nahen Osten und Afrika für Democrats Abroad.

Dr. Maria Skóra

Policy Fellow
Maria Skóra ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Politik und Policy Fellow beim Progressiven Zentrum. Zuvor war sie Leiterin des Programmbereichs Internationaler Dialog des Progressiven Zentrums.
Florian Bauer war ab April 2022 als Projektassistent bei Das Progressiven Zentrum und wirkte an der Organisation des Progressive Governance Summit mit. Er studierte im Doppelmaster European Governance (Utrecht) und Politik- und Verwaltungswissenschaft (Konstanz) und absolvierte seinen Bachelor in Philosophie, Politik & Ökonomik in Witten/Herdecke.

Weitere Beiträge

“Diese Veranstaltung macht Mut” –  Erkenntnisse und Methoden zur Prävention jugendlicher Einsamkeit

Veröffentlicht am
Beim Fachtag zu Einsamkeit und Demokratiedistanz haben Praktiker:innen aus der Jugendarbeit und Jugendhilfe mit Expert:innen aus Wissenschaft und Politik diskutiert, wie wir als Gesellschaft mit Einsamkeitserfahrungen und Radikalisierung im Jugendalter umgehen können.

Ein belebender Moment für die Resilienz unserer Demokratie

Veröffentlicht am
Die flächendeckenden Demonstrationen holen die gesellschaftliche Mitte aus einer kollektiven Passivität und geben insbesondere jenen Energie und Mut, die sich bereits seit Jahren gegen Extremismus und für Demokratie stark machen. Dieser wohltuende Moment birgt jedoch auch Risiken – und könnte gleichzeitig der Anstoß für notwendige demokratiepolitische Reformen und Innovationen sein. Denn zu einer resilienten Demokratie gehört mehr als ihre Wehrhaftigkeit.

Recap: Youth Climate Fellowship Program climate study trip to Bonn

Veröffentlicht am
While negotiations at the Climate Change Conference (UNFCCC) were taking place in Bonn, we organised our first Fellow educational trip to the old German capital to hold our first face-to-face meeting and gain exciting insights into the UN process and negotiation topics.
teilen: