Populistische Rhetorik in Deutschland und Polen

Veranstaltungsbericht: 2. Deutsch-Polnischer Roundtable

Während PolitikerInnen in Polen schon länger populistische Mittel einsetzen, ist das Phänomen in Deutschland relativ neu. Wie damit umgehen? Die ExpertInnen des 2. Deutsch-Polnische Roundtable diskutierten drei Strategien, um den Rechtspopulisten entgegenzutreten.

Zunächst begrüßten Dr. Maria Skóra (Senior Project Manager, Das Progressive Zentrum) und Dr. Wolfram Meyer zu Uptrup (Stellvertretender Vorsitzender, Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin) die TeilnehmerInnen. Marta Kozłowska (Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Freie Universität Berlin) und Richard Kaniewski (Vorsitzender, SPD Dresden) setzten mit ihren Impulsvorträgen den Rahmen für die Debatte.

Polen: Populismus seit langem etabliert

Zu Beginn wurden die Unterschiede zwischen populistischen Diskursen in Deutschland und Polen herausgearbeitet. Eine zentrale Erkenntnis, die aus diesem komparativen Ansatz gewonnen werden konnte ist, dass populistische Tendenzen in Polen historisch gesehen viel tiefer verankert sind als dies in Deutschland der Fall ist.

In Polen war die semantische Dichotomie zwischen dem Volk und Eliten (ein zentrales Merkmal populistischer Rhetorik) bereits in den 1980er Jahren ein beliebtes Mobilisierungsinstrument der Solidarność Bewegung und hatte demnach 1989 einen entscheidenden Anteil an der politischen Transformation Polens von einer kommunistischen Einparteiendiktatur hin zu einer pluralistischen und liberalen Demokratie. Populistische Rhetorik ist in Polen aber nicht ein Instrument des Wandels geblieben, sondern hat sich nach der 1989-Wende als dominante Kommunikationstechnik im politischen Alltagsgeschehen festgesetzt.

Deutschland: Populismus ist ein eher neues Phänomen

In Deutschland hingegen sind populistische Tendenzen in ihrer aktuellen Ausprägung ein relativ neues Phänomen: Unbestritten stellen populistische Stilmittel wie die Vereinfachung komplexer Zusammenhänge (Simplifizierung) oder die Personalisierung von Sachdebatten seit jeher und über Parteigrenzen hinweg ein geschätztes Mittel der Politisierung dar.

Das Ausmaß an Unterstützung, das offen fremdenfeindliche und ethnisch-nationalistisch eingefärbte Polit-Diskurse aktuell erfahren, ist in der deutschen Nachkriegsgeschichte jedoch beispiellos.

Populismus: Je etablierter, desto akzeptierter?

Da PolitikerInnen in Polen bereits seit Jahrzehnten zu populistischen Mitteln greifen, werden diese auch mehr akzeptiert: Bei den letzten polnischen Parlamentswahlen haben deutlich mehr als die Hälfte aller WählerInnen ihre Stimme an rechtspopulistisch Parteien (PiS und Kukiz’15) gegeben, während die AfD in Deutschland nur 12,6 Prozent erhielt.

Ein weiterer markanter Unterschied zwischen populistischen Mobilisierungsmethoden in Deutschland und Polen liegt im Ursprung und der Ausrichtung des jeweils vorherrschenden Feindbild-Narrativs. In Polen speist sich die Feindbilderzählung vornehmlich aus negativen Ressentiments der eigenen Bevölkerung (z.B. Anti-Russland Haltung) und richtet sich gegen Eliten (vertikaler Antagonismus).

In Deutschland sind es vor allem länderübergreifende Transformationsvorgänge wie die Globalisierung, regionale Integrationsprozesse oder transnationale Flüchtlingsbewegungen, auf denen das Feindbild-Narrativ fußt. Feindbilder selbst werden dabei in der eigenen Gesellschaft verortet und Menschen aus bestimmten sozialen Segmenten, bspw. Migranten, zugeordnet (horizontaler Antagonismus).

Ost-Deutschland ist auch elitenfeindlich

Um die Unterschiede Deutsch-Polnischer Populismen zu ergründen, hilft auch ein Blick auf die innerdeutsche Ost-West Kluft, die sich bei den letzten Bundestagswahlen gezeigt hat. Die AfD konnte im Durschnitt in den neuen Bundesländern bessere Ergebnisse erzielen als in Westdeutschland. Ein wesentlicher Grund hierfür scheint, ähnlich wie in Polen, die Verachtung von Eliten zu sein.

Die Geringschätzung von elitären Gesellschaftsschichten ist seit der DDR-Zeit tief im kollektiven Bewusstsein vieler ostdeutscher BürgerInnen verankert. Während vor der Wende Eliten überwiegend mit dem Stasi-Apparat und der SED assoziiert wurden, wird das Elitenfeindbild heute auf die Bundesregierung und die großen Volksparteien projiziert. 

Wie kann die Gesellschaft in Ost-Deutschland dem Rechtspopulismus entgegentreten? Der Roundtable diskutierte drei Strategien:

1) Mehr face-to-face offline Kommunikation von Politikern. Die Vervielfachung demokratie- bzw. menschenfeindlicher Populismus Diskurse in der digitalen Sphäre muss durch verstärktes analoges Engagement entgegengewirkt werden. Unmittelbare und nahbare Interaktion vor Ort sei daher wichtig – auch weil nicht alle BürgerInnen über einen Breitbandanschluss verfügen.

2) Eine veränderte Beziehung zwischen Staat und Bürgern: Hierfür ist eine Neukonzipierung der Rolle des Bürgers nötig. Gegenüber dem Staat sollten BürgerInnen sich in erster Linie nicht als Bittsteller, sondern als Dienstleistungsempfänger begreifen. Naturgemäß erfordert das einen Paradigmenwechsel in der Verwaltungskultur von Spar- und Effizienzzwang hin zu einer ausgeprägteren Bürgerorientierung.

3) Eigene Themen und Narrative: Von Rechtspopulisten angestoßene Diskursverschiebungen sollten auf keinen Fall mitgetragen werden. Die ungefilterte Übernahme von AfD-Themen wie Migration und Sicherheit durch die Medien oder Akteure der politischen Mitte sei fahrlässig. Vielmehr sollten gemäßigte Parteien eine autonome Themensetzung, unterfüttert mit eigenen Narrativen, anstreben.

Populismus: Die Gemeinsamkeiten in Polen und Deutschland

Ungeachtet der markanten Differenzen hinsichtlich des Populismus-Phänomens in Deutschland und Polen, gibt es doch auch eindeutige Parallelen zwischen diesen Ländern. Dies hat gerade der Blick auf Ostdeutschland offenkundig gemacht.

Erste Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD im Osten der Bundesrepublik haben demnach durchaus auch ihre Gültigkeit für Polen. Trotz der intensiven und umfassenden Debatte ist der Gesprächsbedarf nach wie vor groß. Die Beschreibung der Unterschiede populistischer Mobilisierungsstrategien in Polen und Deutschland und die Skizzierung erster Lösungsansätze, die diesen Roundtable kennzeichneten, können daher nur als Zwischenetappen eines breiter und langfristiger angelegten Diskussionsprozesses fungieren.


Die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin organisiert und durch das Auswärtiges Amt, im Rahmen des Dialogue on Europe, gefördert.

Autorin

Dr. Maria Skóra

Policy Fellow
Maria Skóra ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Politik und Policy Fellow beim Progressiven Zentrum. Zuvor war sie Leiterin des Programmbereichs Internationaler Dialog des Progressiven Zentrums.

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