Einkommensungleichheit

Wie wirkt sie sich auf die Zufriedenheit der Menschen aus?

In den vergangenen Wochen und Monaten hat die Debatte über Einkommensungleichheit wieder Fahrt aufgenommen. Vor allem zwei Bücher haben die Aufmerksamkeit auf dieses Themas gelenkt: „Verteilungskampf“ von Marcel Fratzscher sowie „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ von Thomas Piketty.   Im Vordergrund standen dabei die wirtschaftlichen Implikationen von ungleich verteilten Einkommen. Eine Frage aber wird bei alledem wenig Aufmerksamkeit geschenkt: Haben ungleich verteilte Einkommen negative Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Menschen?

Die kürzlich veröffentlichte Studie von Burkhauser et al. (2016) kommt zu dem Schluss, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Lebenszufriedenheit gibt. Die Autoren weisen mithilfe von Daten des Gallup World Poll und der Word Top Incomes Database auf die globalen negativen Effekte einer Einkommenskonzentration hin.

Die beiden zentrale Aussagen:

1. Je mehr sich das Einkommen in den Händen Einzelner konzentriert, desto unzufriedener werden die Menschen.

2. Je mehr die Einkommensungleichheit ansteigt, desto häufiger berichten Menschen über negative Erfahrungen in ihrem Alltag.

Interessant ist nun, dass Einkommensungleichheit scheinbar kein abstraktes Phänomen ist, sondern von den Menschen im Alltag bewusst wahrgenommen wird, sodass sich die Frage stellt: Welche Erfahrungen machen die Menschen in ihrem Alltag?

Unzufriedenheit hängt nicht nur am Geld

Eine interessante Antwort liefert die Studie „Income Inequality and Happiness“ von Oishi et al. (2011). Ihr zufolge gibt es für GeringverdienerInnen einen Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Lebenszufriedenheit. Die Befragten geben an, dass die Prinzipien von Fairness und Chancengleichheit für sie nicht mehr erlebbar seien. Überraschenderweise machen sie ihre sinkende Lebenszufriedenheit nicht an ihrem Haushaltseinkommen fest.

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Unzufriedenheit der Menschen nicht zwingend mit genuin monetären Aspekten zu erklären ist. Es scheint vielmehr eine Vielzahl von Einflüssen zu sein, die eine Rolle spielen – etwa Fairness und Chancengerechtigkeit. Das Beispiel sozial Schwächerer verdeutlicht dies.

In kaum einem anderen Land hängt der soziale Aufstieg so stark von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland. Meint: Hierzulande schaffen es Kinder aus einem armen Elternhaushalt seltener über das Einkommensniveau ihrer Eltern hinaus als anderswo. Laut einiger ExpertInnen ist die soziale Mobilität in den letzten Jahren sogar noch gesunken. Die Ursachen liegen unter anderem in mangelnden staatlichen Rahmenbedingungen. Beispielhaft steht dafür die schlechte Ausstattung der frühkindlichen Bildung. Deutschland gibt in diesem Bereich fast die Hälfte weniger aus als der OECD-Durchschnitt. Dies ist fatal, weil Kinder aus ärmeren Haushalten gerade am Anfang ihres Lebens eine größere Unterstützung bräuchten.

Diese Versäumnisse in der frühkindlichen Bildung legen den Schluss nahe, dass das subjektive Gefühl der Menschen am Ende der Einkommensskala objektive Ursachen hat. Ist dieser Zusammenhang jedoch immer gegeben?

Pauschale Ausagen zu Ungleichheit und Lebenszufriedenheit sind nicht möglich

Korrespondiert das subjektive Empfinden von Ungleichheit mit der Realität? Die klare Antwort lautet nein. Das Modul zur sozialen Ungleichheit des International Survey Programme (ISSP) zeigt dies: Gut die Hälfte der Deutschen ist „voll und ganz“ der Meinung, dass die Einkommensungleichheit im Land zu groß ist. Im Vergleich dazu sind in Ungarn sogar 77,5 % der Befragten dieser Meinung, obwohl die Einkommensverteilung dort homogener ist als hierzulande. In den USA – die eine höhere Einkommensungleichheit als Deutschland aufweisen – finden nur ein Drittel der Befragten, dass die Verteilung der Einkommen ungerecht sei.

Diese länderspezifischen Umfragen zeigen, dass die Empfindung der Ungleichheit höchst unterschiedlich ist und nicht immer mit den realen Verhältnissen korrespondieren. Pauschale Aussagen über den Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Lebenszufriedenheit sind also nicht ohne Weiteres möglich. Die Kunst besteht darin, die subjektive Wahrnehmung der Ungleichheit mit der Realität abzugleichen und die daraus entstehende Diskrepanz länderspezifisch zu analysieren.

Länderspezifische Untersuchungen bedeuten jedoch auch, kulturelle wie historische Bedingungen zu beachten. Wie etwa Prinzipien wie Fairness oder Chancengleichheit perzipiert werden, hängt nicht nur von subjektiven, sondern ebenso von ortsabhängigen Kriterien ab.
Fest steht, dass sich Einkommensungleichheit verschieden auf Menschen auswirkt. Allgemeine Aussagen können nicht getroffen werden. Doch ist für Menschen generell wichtig, dass sozialer Aufstieg möglich ist und eine Gesellschaft fair organisiert ist. Falls dies nicht mehr im Alltag erfahrbar wird, steigt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Unzufriedenheit.

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